KG 22 W 39/22
Zu der Frage der Zuständigkeit nach § 40 GmbHG hinsichtlich der Erstellung von Gesellschafterlisten nach Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital

26.10.2022

Leitsatz | KG 22 W 39/22

  1. § 40 Abs. 1 GmbHG und § 40 Abs. 2 GmbHG stehen in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zueinander. Für die Annahme Zuständigkeit des Notars nach § 40 Abs. 2 S. 1 GmbHG ist es erforderlich, dass dieser durch seine konkrete und qualifizierte, über die schlichte Beglaubigung hinausgehende, amtliche Tätigkeit sichere Kenntnis von den im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit bewirkten Veränderung im Gesellschafterbestand erlangt.
  2. Vorliegend bedarf die streitige Frage keiner Vertiefung, ob die Verpflichtung der Geschäftsführer durch die Pflicht des Notars entfällt oder jedenfalls subsidiär fortbesteht. Denn eine Unterschrift der Geschäftsführer und des Notars sieht das Gesetz auch für diesen Fall nicht vor.

Sachverhalt | KG 22 W 39/22

Der einzige Geschäftsführer der B1, einer GmbH, ist durch einen von B2 notariell beurkundeten Gesellschafterbeschluss ermächtigt, das Stammkapital durch einstimmigen Beschluss der Geschäftsführung ein- oder mehrmals gegen Geldeinlagen um insg. bis zu 1.625,00 € durch Ausgabe von bis zu 1.625 neuen Vorzugsgeschäftsanteilen im Nennbetrag von je 1,00 € zu erhöhen.

Mit Beschluss vom 28.04.2022 nahm der Geschäftsführer eine Kapitalerhöhung im Rahmen des genemigten Kapitals und zugleich eine dementsprechende Änderung des Gesellschaftsvertrags vor. Der B2 beglaubigte die Übereinstimung des Papierdokuments mit der übermittelten Datei. B2 beglaubigte zudem die Erklärung der Übernahme der Geschäftsanteile durch die R UG. Der Geschäftsführer reichte eine Liste der Übernehmer der Geschäftsanteile und eine Liste der Gesellschafter der B1 beim Registergericht ein. Beide Liste waren von ihm unterschrieben und jeweils von B2 hinsichtlich der Übereinstimmung des vorliegenden Papierdokuments mit der übermittelten Bilddatei beglaubigt.

Das Registergericht wies B2 hinsichtlich der Gesellschafterlisten darauf hin, dass diese gem. § 40 Abs. 2 GmbH von ihm zu erstellen und zu übersenden sei. Hiergegen wandte sich der B2 mit dem Argument, dass er an der Veränderung im Sinne des § 40 Abs. 1 S.1 GmbHG nicht mitgewirkt habe. Die Kapitalerhöhung sei nicht beurkundet worden, sondern aus genehmigtem Kapital durch Beschluss der Gesellschaft vorgenommen worden. Mit Zwischenverfügung verlangte das Registergericht daraufhin, dass die Gesellschafterliste sowohl von B2 als auch vom Geschäftsführer unterzeichnet werden müsse.

Der hiergegen eingelegten Beschwerde des B2 half das Registergericht nicht ab und legte sie dem Kammergericht zur Entscheidung vor.

Entscheidung | KG 22 W 39/22

Die Beschwerde ist zulässig und begründet und hat daher in der Sache Erfolg.

Das Registergericht hat zwar gem. § 382 Abs. 4 Satz 1 FamFG eine angemessene Frist zur Beseitigung des Hindernisses zu bestimmen, wenn eine Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister unvollständig ist oder der Eintragung ein anderes durch den Antragsteller behebbares Hindernis entgegensteht. Ob dem Adressaten dabei auch Wege zur Behebung des Mangels aufgezeigt werden müssen, ist streitig, kann hier aber im Ergebnis dahinstehen. Wenn jedoch Handlungspflichten aufgegeben werden, müssen diese zwingend den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Das war hier nicht der Fall.

Das Verlangen des Registergerichts, dass sowohl der Geschäftsführer als auch der Notar B2 die Gesellschafterliste unterzeichnen müssen, entspricht nicht den gesetzlichen Vorgaben. Auch wenn diese Form teilweise in der Kommentarliteratur vorgeschalgen wird, wenn Zweifel über die Einreichungskompetenz bestehen, findet sie keine gesetzliche Grundlage in § 40 GmbHG.

Nach § 40 Abs. 1 GmbHG trifft die Pflicht, die Gesellschafterliste zu erstellen und zu unterzeichnen, grds. den Geschäftsführer. Nur im Falle des § 40 Abs. 2 GmbHG trifft den Notar diese Pflicht, wenn dieser an der Veränderung mitgewirkt hat. Das hier konstruierte Regel-Ausnahme-Verhältnis folgt aus dem Wortlaut des § 40 Abs. 2 S.1 GmbHG, wonach der Notar „anstelle“ der Geschäftsführer zu unterschreiben hat und aus der Entstehungsgeschichte (vgl. BT-Drs. 16/6140 S. 44: „Die Formulierung „anstelle" in § 40 Abs. 2 Satz 1 stellt klar, dass die Erstellung und die Einreichung der Liste allein im Verantwortungsbereich des Notars liegen. Hat ein Notar an einer Veränderung mitgewirkt, entfällt die Verpflichtung der Geschäftsführer zur Erstellung und Einreichung einer Liste, die diese Veränderung umsetzt.").

Daher bedarf die streitige Frage, ob die Verpflichtung der Geschäftsführer durch die Pflicht des Notars entfällt oder subsidiär fortbesteht, keiner Vertiefung. Jedenfalls sieht das Gesetz auch in diesem Fall nicht vor, dass der Geschäftsführer und der Notar unterzeichnen müssen.  

Das KG weist weiter ohne Bindungswirkung darauf hin, dass in diesem Fall der Geschäftsführer für die Erstellung der Gesellschafterliste nach Durchführung einer Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital zuständig ist. Unter Beachtung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses entsteht die Pflicht des Notars nur, wenn die Voraussetzungen des § 40 Abs. 2 S. 1 GmbHG vorliegen. Der Begriff der „Mitwirkung“ i.S.d. Vorschrift dürfte dabei teleologisch zu reduzieren sein. Denn würde jede mitursächliche notarielle Tätigkeit genügen, würden sich nicht nur bei einer Beteiligung mehrerer Notare weitere Kompetenzkonflikte ergeben.

Welche Anforderungen an die tatbestandliche Mitwirkung i.S.d. § 40 Abs. 2 S. 1 GmbHG gestellt werden müssen, ist umstritten. Nach Ansicht des KG muss die teleologische Reduktion aus dem vom Gesetzgeber vorgesehenen Anwendungsbereich folgen. Erforderlich ist demnach, dass der Notar durch seine konkrete und qualifizierte, über die schlichte Beglaubigung hinausgehende, amtliche Tätigkeit sichere Kenntnis von den im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit bewirkten Veränderung im Gesellschafterbestand erlangt.

Die Ausnutzung eines genehmigten Kapitals gem. § 55a GmbHG erfüllt nicht den Tatbestand des § 40 Abs. 2 S. 1 GmbHG, da die wesentliche Grundlage für die Veränderung nicht hinreichend sicher im Erkenntnisbereich des Notars liegt, auch wenn er die Anmeldung beglaubigt. Bei der Beglaubigung bezeugt der Notar lediglich, dass die Unterschrift von einer bestimmten Person stammt. Auch folgt nicht anderes daraus, dass der B2 hier sowohl die Einzelerklärungen beglaubigt als auch den Gesellschafterbeschluss beurkundet hat. Würde eine hieraus folgende „Gesamtkenntnis“ für die Kenntniserlangung genügen, hinge es letztlich vom Zufall ob, ob der Notar zuständig ist oder nicht. Diese Rechtsunsicherheit ist zu vermeiden.

Praxishinweis | KG 22 W 39/22

Das KG stellt klar, dass die Zuständigkeit hinsichtlich der Gesellschafterlisten grds. beim Geschäftsführer liegt und nur im Ausnahmefall beim Notar. Für die ausnahmsweise notarielle Zuständigkeit nach § 40 Abs. 2 S. 1 GmbHG kann dabei nicht jede mitursächliche Mitwirkung genügen. Es ist erforderlich, dass der Notar eine Kenntnis von den Änderungen in den Personen der Gesellschaft aufgrund amtlicher Mitwirkung hat.

Diese kann z.B. gegeben sein, wenn der Notar an der Abtretung eines Geschäftsanteils mitwirkt, da es hierfür eines notariell beurkundeten Vertrags bedarf nach § 15 Abs. 3 GmbHG. Nach § 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG gehört dabei die Aufklärung des Sachverhalts zu den Amtspflichten, weswegen er die nach § 40 Abs. 2 S. 1 GmbHG erforderliche Kenntnis haben dürfte.

Hinsichtlich der bisher offenen Frage der Zuständigkeit hinsichtlich der Gesellschafterlisten nach Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital weist das KG darauf hin, dass dies in die Zuständigkeit des Geschäftsführers fallen dürfte.