OLG Brandenburg 4 U 214/21
Wirksamkeit des Einziehungsbeschlusses eines Gesellschaftsanteils von einem Gesellschafter

26.04.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Brandenburg
29.06.2022
4 U 214/21
NJW-Spezial 2022, 688

Leitsatz | OLG Brandenburg 4 U 214/21

Steht bereits bei Beschlussfassung fest, dass das Einziehungsentgelt für einen Einziehungsbeschluss nicht aus freiem Vermögen der Gesellschaft aufgebracht werden kann (ohne das Stammkapital zu beeinträchtigen), so ist der Einziehungsbeschluss wegen Verstoßes gegen §§ 30 I, 34 III GmbHG nichtig.

Sachverhalt | OLG Brandenburg 4 U 214/21

Der Kläger ist Gesellschafter einer GmbH. Nachdem es erhebliche Differenzen mit dem einzigen anderen Gesellschafter gegeben hatte, beschloss der Mitgesellschafter-Geschäftsführer in einer Gesellschafterversammlung die Einziehung der Anteile des Klägers (TOP 1). Auf der neu eingereichten Gesellschafterliste, die auch im Registerordner eingestellt wurde, war nur noch der Mitgesellschafter ausgewiesen. Weiterhin beauftragte der Mitgesellschafter eine Steuerberatung für etwaige Jahresabschlüsse (TOP 2).

Der Kläger hat gegen den Einziehungsbeschluss und auch alle anderen Beschlüsse Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage erhoben mit dem Argument, dass gar nicht genügend freies Vermögen zur Verfügung gestanden habe, um seine Abfindung zu zahlen, als der Ausschließungsbeschluss gefasst wurde. Bezüglich der anderen Beschlüsse trägt er vor, dass er nicht geladen worden sei. Zusätzlich begehrt der Kläger die Einreichung einer Gesellschafterliste, die ihn als Gesellschafter ausweist.

Das LG gab der Klage vollumfänglich statt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Gesellschaft.

Entscheidung | OLG Brandenburg 4 U 214/21

Gem. § 16 I GmbHG ist ein Gesellschafter, der nicht mehr in der Gesellschafterliste eingetragen ist, gegenüber der Gesellschaft auch nicht mehr als solcher zu betrachten, gleiches gilt für Einziehungsbeschlüsse (auch nichtige). Darum konnte der Kläger die Beschlüsse, die nach Änderung der Gesellschafterliste gefasst wurden, nicht mehr anfechten. Bzgl. der TOP 2 der Gesellschafterversammlung greift § 16 I GmbHG ebenso. Allerdings gilt hier keine verfassungsrechtlich gebotene Ausnahme von §16 I 1 GmbHG, aus der man eine Klagebefugnis herleiten könnte. Eine solche Ausnahme könnte sich bspw. aus der Pflicht zu effektivem Rechtsschutz gegen treuwidriges Verhalten ergeben. Allerdings wurde unter TOP 2 die Beauftragung der Steuerberatung beschlossen, dies betraf keine eigenen Rechte des Klägers. Die GmbH handelte nicht gegen Treu und Glauben § 242 BGB als sie die neue Gesellschafterliste einreichte und/oder sich darauf berief. Während § 16 I GmbHG grds. Treuepflichten in zweigliedrigen Gesellschaften regelt, liegt jedoch eine Ausnahme vor was die TOP 1 angeht, die Einziehung des Geschäftsanteils. Ein Gesellschafter muss die Möglichkeit haben, sich gegen die Einziehung seiner Anteile zur Wehr zu setzen, auch neben der Wirkung des § 16 I GmbHG. Der Einziehungsbeschluss ist gem. § 241 Nr. 3 AktG analog und §§ 30 I 1, 34 III GmbHG nichtig. Es muss für die Abfindung genug frei verfügbares Vermögen vorliegen zum Zeitpunkt der Fälligkeit nach einer Einziehung, um die Summe zahlen zu können, ohne das Stammkapital zu beeinträchtigen.

Aus den Bilanzen der GmbH ergab sich vorliegend, dass nicht genug freies Vermögen vorlag, um den Anspruch auf Abfindung zu begleichen ohne Nutzung des Stammkapitals. Darum steht dem Kläger die Wiederaufnahme in die Gesellschafterliste und damit in die Gesellschaft zu.

Praxishinweis | OLG Brandenburg 4 U 214/21

Die Verfügbarkeit der Abfindungssumme aus dem freien Vermögen sollte vor der Einziehung von Gesellschaftsanteilen geprüft werden. Der betroffene Gesellschafter kann ansonsten gegen den Einziehungsbeschluss Nichtigkeitsklage erheben. Dies gilt auch dann, wenn er nicht mehr in der Gesellschafterliste steht.