OLG Hamm 8 U 48/22
Wichtiger Grund für die Ausschließung eines Kommanditisten– Zivilrecht / Unternehmens- und Gesellschaftsrecht

13.11.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Hamm
01.03.2023
8 U 48/22
GWR 2023, 185

Leitsatz | OLG Hamm 8 U 48/22

  1. Die auf Feststellung der Nichtigkeit der Beschlussfassung einer Kommanditgesellschaft gerichtete Klage kann zulässigerweise auch gegen die stimmrechtslose Komplementär-GmbH geführt werden, wenn die GmbH die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Beschlüsse vertritt.
  2. Liegt ein wichtiger Grund für die Ausschließung eines Kommanditisten vor, muss die gesellschaftsvertraglich vorgesehene Beschlussfassung über den Ausschluss nicht unverzüglich erfolgen. Es kann ein anerkennenswertes Interesse der Mitgesellschafter bzw. der Gesellschaft bestehen, einen gewissen Zeitraum zuzuwarten. Zögern die Gesellschafter die Ausschließung jedoch über einen längeren Zeitraum ohne erkennbaren Grund hinaus, kann dies dafür sprechen, dass der Kündigungsgrund im Laufe der Zeit an Gewicht verloren hat und die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses mit dem ausgeschlossenen Gesellschafter nicht unzumutbar ist.
  3. Zum Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Ausschließung eines Kommanditisten.

Sachverhalt | OLG Hamm 8 U 48/22

Der Kläger und die Beklagten zu 1 und zu 2 waren Kommanditisten der A GmbH & Co. KG. Die A stellt Outdoor Küchen her.

Die Beklagte zu 3 ist die Komplementärin, deren Gesellschafter sind ebenso der Kläger und die Beklagten zu 1 und zu 2. Die Beklagten zu 1 und zu 2 sind Geschäftsführer. Die Beklagte zu 3 hat kein Stimmrecht auf Gesellschafterversammlungen.

Weiterhin ist der Kläger geschäftsführender Gesellschafter der B GmbH, von der der Beklagte zu 1 seit 2006 beschäftigt wird. Zuletzt war der Beklagte zu 1 bei der B technischer Leiter für Produktion, Fertigung und IT Software.

Die A KG ist ein sog. „start up“ Unternehmen, die Produktion der Outdoor Küchen fand in den Räumlichkeiten und mit den Maschinen der B GmbH statt, welche diese unentgeltlich zur Verfügung stellte. Die B GmbH produzierte im Auftrag der A KG Möbelteile für die Outdoor Küchen gegen Berechnung der Produktionskosten, die Arbeitsplätze der A und der B waren nicht voneinander getrennt.

Mitarbeiter A konnten an ihrem Arbeitsplatz auf das IT System der B zugreifen und Mitarbeiter B erbrachten Tätigkeiten für die A. Die vereinbarten Entgelte für die Produktion waren für die B nicht kostendeckend und die Beklagten zu 1 und 2 erbrachten darum ihre Tätigkeiten als Geschäftsführer unentgeltlich. All dies basierte auf Vereinbarungen der Parteien. Der Beklagte 1 begannt später, seine Arbeitszeit für die B zu einem erheblichen Teil für die A zu erbringen. Der Kläger sah das mit der Zeit als immer kritischer und ab Anfang 2020 kam es immer häufiger zu Streitigkeiten unter den Gesellschaftern. Der Kläger war der Auffassung, dass es nicht die Aufgabe der B sei, die A auf diesem Weg quer zu finanzieren und forderte den Beklagten zu 1 deshalb mehrfach auf, sein Beschäftigungsverhältnis mit der B zu beenden. Bei einer Gesellschafterversammlung im Januar 2020 brach dann Streit zwischen den Gesellschaftern über die Miete eines Servers, die der Kläger vorgeschlagen hatte. Am Morgen darauf forderte der Kläger den Beklagten zu 1 auf, seinen Arbeitsvertrag mit der B zu kündigen, verwies ihn aus den Räumen und ließ dessen Zugang zum Server der B sperren. Am Tag darauf ließ er den kompletten externen Zugang zum Server der B sperren, sodass nun kein Mitarbeiter der A mehr Zugriff darauf hatte. Mitarbeiter der A durften Räumlichkeiten der B zudem nur noch mit einem Mitarbeiter der B betreten.

Mitte Februar ließen die Beklagten zu 1 und zu 2 einen Ersatzserver aufstellen und stellten den Zugang auch wieder für alle Mitarbeiter der B her, außer den Beklagten zu 1. Am selben Tag schickte der Kläger dem Beklagten zu 2 eine SMS dass er dessen Kündigung erwarte. Kurz darauf wurde das Tätigkeitsverbot für die A wieder aufgehoben und ihre Mitarbeiter durften nun auch wieder ohne Begleitung die Räume der B betreten. Die B führte wieder ordnungsgemäß die Aufträge der A aus.

Der Beklagte zu 1 erklärte mit Schreiben vom selben Tag, er werde nicht kündigen und weise die Kündigungsgründe zurück. Daraufhin kam es zu weiteren Streits über Firmenwagen, Datendiebstahl und im Allgemeinen auch die Kündigung.

Im April 2020 luden die Beklagten den Kläger zu einer Gesellschafterversammlung der A ein. Darunter waren diverse Tagesordnungspunkte, wie auch Firmenwagen und Miete von Servern und die Kündigung von Lieferverträgen mit der B. Besagte Gesellschafterversammlung fand planmäßig statt, die Parteien fassten teils einvernehmliche Gesellschafterbeschlüsse. Diese Beschlüsse wurden in der Folgezeit auch umgesetzt. Im Mai 2020 endeten sämtliche Geschäftsbeziehungen zwischen der A und der B. Der Beklagte zu 1 hatte derweil eine Kündigungsschutzklage erhoben.

Anfang Juni 2020 wurde der Kläger zu einer weiteren Gesellschafterversammlung der A für Mitte Juni eingeladen. Als Top 3 war der Ausschluss des Klägers aus der Gesellschaft vorgesehen. Als Begründung für den Ausschluss wurden u.a. Pflichtverletzungen genannt, die teilweise sogar den Tatbestand von Strafgesetzen erfüllten. Sie beschrieben weiterhin diverse Situationen mit erhitzten Streits und die Sperrung von Servern durch Herrn B. Die Gesellschafterversammlung fand wie geplant statt und der Kläger wurde dann auch nach dem Protokoll mit den Stimmen der beiden Beklagten aus der A ausgeschlossen. Es wurde zudem beschlossen, dass der Kläger eine Abfindung zum Buchwert erhalten soll. Im Protokoll heißt es, dass Herr B ausgeschlossen werde aus wichtigem Grund i.S.d. § 140, 133 HGB.

Laut dem Schriftsatz des Anwaltsbevollmächtigten von Herrn B gehen die Gesellschafter davon aus, dass sich Herr B des Prozessbetrugs in mehreren Fällen schuldig gemacht hat.

Das LG hat der Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Gesellschafterbeschlüsse in vollem Umfang stattgegeben (LG Bielefeld, Urt. v. 20.05.2022 – 10 O 27/20). Daraufhin legte der Beklagte Berufung ein.

Entscheidung | OLG Hamm 8 U 48/22

Die Berufung des Beklagten hatte teilweise Erfolg. Entgegen der Auffassung des LG sei der Gesellschafterbeschluss über den Ausschluss des Klägers wirksam. Voraussetzung für den Ausschluss eines Kommanditisten aus einer KG ist ein wichtiger Grund § 13 des Gesellschaftsvertrags i.V.m. §§ 133, 140, 161 Abs. II HGB. Dieser liegt vor, wenn die Fortsetzung der Gesellschaft mit dem Auszuschließenden für die restlichen Gesellschafter unzumutbar ist. Dafür sei eine umfassende Würdigung aller in Betracht kommender Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer Gesamtabwägung die beider Seiten gerecht werden müsse.

Nach eben dieser Abwägung sei der Ausschluss des Klägers aus wichtigem Grund gerechtfertigt. Mit seinem Verhalten Anfang 2020 gegenüber der A KG und den Beklagten zu 1 und zu 2 habe er in ganz erheblichem Maße gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verstoßen, wodurch die die beiden Beklagten eine Zusammenarbeit mit ihm als Kommanditist unzumutbar wurde. Wegen der engen Verflechtung der A und der B haben das Hausverbot und die Sperrung des Servers nicht nur das Arbeitsverhältnis des Beklagten zu 1 mit der B, sondern eben auch unmittelbar das Gesellschafterverhältnis der A betroffen. Der Beklagte zu 1 habe seine Tätigkeit als Geschäftsführer de A nicht mehr uneingeschränkt ausüben können und ob seiner operativ wichtigen Stellung musste es deshalb zu gravierenden negativen Auswirkungen auf die A kommen. Der Kläger wusste das und selbst wenn die Verhinderung des Zugangs zu den Daten der Gesellschaft nicht zu konkreten Schäden der A geführt habe, so sei doch eine gravierende Treuepflichtverletzung darin zu sehen. Weiterhin seien viele der vom Kläger getroffenen Maßnahmen nur nach massiver anwaltlicher Aufforderung aufgehoben worden. Die außerordentlichen Kündigungen, zu denen er die Beklagten zu 1 und zu 2 aufforderte, haben sich zudem später im arbeitsgerichtlichen Verfahren als grundlos herausgestellt. Auch das Ausüben von weiterem wirtschaftlichen Druck auf die A, indem er die Auszahlung von seinen Guthaben auf den Darlehenskonten forderte, stützen den Eindruck des Gerichts.

Diese Treueverstöße, so das OLG, hätten ein solches Gewicht, dass eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger als Gesellschafter der A unzumutbar wurde. Die Verhaltensweise des Klägers habe dazu geführt, dass die Geschäftstätigkeit der A jedenfalls kurzzeitig massiv behindert worden ist, die A ihre bisher erfolgreiche Zusammenarbeit mit der B beendete und auch ihre Produktion für die Zukunft unter anderen wirtschaftlichen Bedingungen neu organisieren musste. Dazu kommen die grundlosen Kündigungen, welche die Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Beklagten zu 1 mit der B nach sich zogen.  Angesichts dieser Folgen, so das OLG, sei es unerheblich ob der Kläger darüber hinaus einen konkreten Schaden der A verursachte oder den Beklagten zu 1 in Existenznot brachte.

Praxishinweis | OLG Hamm 8 U 48/22

Die Abwägung, was ein wichtiger Grund ist für einen Ausschluss eines Kommanditisten aus der KG, muss anhand des Einzelfalls geschehen. Dafür müsse eine umfassende Würdigung aller Umstände geschehen, die beiden Seiten gerecht werde.