KG 23 U 120/21
Voraussetzungen des Selbsthilferechts zur Einberufung einer Gesellschafterversammlung

03.05.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

KG
07.09.2022
23 U 120/21
NZG 2022, 1626 = EWiR 2022, 708 (Lüttenberg/Auksutat)

Leitsatz | KG 23 U 120/21

Das Selbsthilferecht nach § 50 Abs. 3 GmbHG ist verbraucht, wenn in der durch die Gesellschafter einberufenen Versammlung über die begehrten Tagesordnungspunkte abgestimmt worden ist, unabhängig davon, ob die Beschlussfassung (möglicherweise) nichtig ist.

Sachverhalt | KG 23 U 120/21

Die Mehrheitsgesellschafterin (K-GbR) der Klägerin, einer GmbH, hatte zur Einberufung einer Gesellschafterversammlung aufgerufen, in welcher u.a. der Beklagte, der Geschäftsführer der GmbH, abberufen werden sollte. Da der Beklagte dem Einberufungsverlangen nicht nachkam, lud die K-GbR selbst zu einer Gesellschafterversammlung ein. Im Verlauf der Versammlung wurde der Beklagte abberufen. Die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung wurden jedoch wegen einer fehlerhaften Ladung als nichtig angesehen. Daraufhin leitete die K-GbR - ohne zuvor die Geschäftsführung (erneut) dazu aufzufordern – ein schriftliches Beschlussverfahren ein und wiederholte auf diesem Wege den Abberufungsbeschluss. Parallel hierzu beantragte die Klägerin die streitgegenständliche einstweilige Verfügung, durch die dem Beklagten untersagt wurde, die Geschäfte der Klägerin zu führen und diese zu vertreten. Gegen das bestätigende Urteil legte der Beklagte Berufung ein.

Entscheidung | KG 23 U 120/21

Der Berufung wurde stattgegeben, die Klägerin hat keinen Verfügungsanspruch. Dies ist der Fall, da der Beklagte nicht wirksam als Geschäftsführer abberufen werden konnte. Im schriftlichen Verfahren war der Abberufungsbeschluss nach § 241 Nr. 1, § 121 Abs. 2 AktG analog nichtig, weil die K-GbR nicht zur Durchführung des Verfahrens befugt war. Zwar hat die K-GbR ein Selbsthilferecht aus § 50 Abs. 3 GmbHG. Dieses hat sich jedoch bereits durch die Einberufung der ersten Gesellschafterversammlung und der dort vorgenommenen Abstimmung erledigt. Ein erneuter Rückgriff auf das Selbsthilferecht setzt auch ein erneutes „erfolgloses Verlangen“ auf Einberufung voraus.

Grundsätzlich liegt die Einberufungskompetenz gem. § 49 Abs. 1 GmbHG bei der Geschäftsführung. § 50 Abs. 3 GmbHG macht hiervon eine Ausnahme. Diese Ausnahme muss jedoch restriktiv ausgelegt werden. Die klare Kompetenzregelung der §§ 49, 50 GmbHG würde verwässert, wenn die Einberufungskompetenz davon abhinge, ob ein bereits erfolgter Beschluss nichtig sei. § 50 Abs. 3 GmbHG verfolgt den Sinn, Gesellschafterversammlungen zu bestimmten Tagesordnungspunkten abhalten zu können, nicht aber bestimmte Entscheidungen zu erzwingen. Der bezweckte Minderheitenschutz stehe diesem Verständnis nicht entgegen.

Praxishinweis | KG 23 U 120/21

In seiner Entscheidung betont das KG, dass das Selbsthilferecht mit der formalen Abstimmung über die begehrten Beschlussanträge erledigt ist. Dies gilt unabhängig davon, ob sich die Beschlüsse später als nichtig herausstellen. Hierfür ist u.a. anzubringen, dass ansonsten Rechtsunsicherheit entstehen würde und es unklar wäre, wie oft und wie lange das Selbsthilferecht letztlich gelten würde.

Bezüglich des Minderheitenschutzes ist zu beachten, dass das Selbsthilferecht im Hinblick auf konkrete Tagesordnungspunkte erst verbraucht ist, wenn eine beschlussfähige Versammlung darüber entscheiden konnte. Anderenfalls könnten einzelne Gesellschafter durch bewusstes Fernbleiben von der Gesellschafterversammlung den durch das Selbsthilferecht zugebilligten Minderheitenschutz konterkarieren (z.B. OLG Düsseldorf 6 U 99/15, OLG Hamburg 11 U 287/14). Das Selbsthilferecht beschränkt sich in diesem Fall allerdings auf die Wiederholung der ursprünglichen Tagesordnung.