OLG Düsseldorf 3 Wx 22/22
Verschmelzungsbericht bei der Verschmelzung von Kapitalgesellschaften

11.08.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Düsseldorf
02.02.2023
3 Wx 22/22
NZG 2023, 757

Leitsatz | OLG Düsseldorf 3 Wx 22/22

Die Vorlage eines Verschmelzungsberichts ist bei der Verschmelzung von Kapitalgesellschaften jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn arbeitnehmerlose Gesellschaften in der Weise verschmolzen werden, dass eine 100-prozentige Tochtergesellschaft von der sie beherrschenden Muttergesellschaft aufgenommen wird und der Anteilsinhaber des Mutterunternehmens auf die Erstellung eines Verschmelzungsberichts verzichtet.

Sachverhalt | OLG Düsseldorf 3 Wx 22/22

Am 19.07.2021 hatten die belgische G und ihre 100% Tochtergesellschaft (die Antragstellerin) einen notariell beurkundeten Verschmelzungsplan aufgestellt. Dabei sollte die Antragstellerin ihr gesamtes Vermögen mit Wirkung zum 01.01.2021 auf die G übertragen. Mangels Arbeitnehmern auf Seiten der Antragstellerin und G, wurden Arbeitnehmerrechte nicht beeinträchtigt. Am 20.08.2021 wurde die Verschmelzung zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet.

Das zuständige Amtsgericht hat mit Beschluss darauf hingewiesen, dass die Eintragung nicht möglich sei, weil der in § 122e UmwG geforderte Verschmelzungsplan der Antragstellerin nicht vorgelegt worden sei. Dieses Plans bedürfe es auch bei der Verschmelzung von arbeitnehmerlosen Gesellschaften, da er mittelbar dem Gläubigerschutz diene. Zusätzlich entspreche der vorgelegte Verschmelzungsplan inhaltlich nicht den Anforderungen. Weder sei er den Anteilseignern einen Monat vor ihrer Versammlung zugänglich gemacht worden, noch gab es eine Erklärung der Auswirkungen auf die Gesellschaftsgläubiger und der Bericht sei nicht ausführlich genug.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt.

 

Entscheidung | OLG Düsseldorf 3 Wx 22/22

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Eines Verschmelzungsplans nach § 122e UmwG bedarf es nicht.

Ohne Zweifel kommt der Arbeitnehmerschutz nicht zu tragen, wenn die Gesellschaften, wie hier, keine Arbeitnehmer beschäftigen. Daher ist § 122e S. 1, 2 UmwG nach seinem Regelungs- und Schutzzweck teleologisch zu reduzieren, ein Verschmelzungsbericht ist bei der Verschmelzung von arbeitnehmerlosen Gesellschaften entbehrlich. Hierfür spricht auch, dass das UmRUG in § 309 Abs. 6 S. 3 UmwG ausdrücklich vorsieht, dass ein Bericht für die Arbeitnehmer nicht erforderlich ist, wenn die an der Verschmelzung beteiligte Gesellschaft und ihre Tochtergesellschaften keine anderen Arbeitnehmer haben als diejenigen, die dem Vertretungsorgan angehören.

Auch der Aspekt des Gläubigerschutzes rechtfertigt es nicht, einen Bericht nach § 122e UmwG zu fordern. Die Norm ist eine Verfahrensbestimmung, die allein dem Schutz der Anteilsinhaber und Arbeitnehmer der beteiligten Gesellschaften dient. Die Gläubiger der übertragenden Gesellschaft werden durch das Recht auf Sicherheitsleistung gem. § 122j UmwG geschützt. Eine Begünstigung durch den Bericht erfolgt nur reflexartig und faktisch, wenn den Anteilseignern und Arbeitnehmern die Auswirkungen auf die Gläubiger zu erläutern ist. Ein Zugänglichmachen ist hingegen nicht vorgesehen.

Schließlich ist ein Verschmelzungsbericht nicht im Hinblick auf die Anteilseigner erforderlich, da ein wirksamer Verzicht vorlag. Grundsätzlich ist die Entbehrlichkeit eines Berichts nach § 8 Abs. 3 UmwG in § 122e S. 3 UmwG nur für Personengesellschaften vorgesehen. Allerdings ist § 122e S. 3 UmwG dahingehend einschränkend auszulegen, dass ein Bericht auch bei der Verschmelzung von Kapitalgesellschaften nicht erforderlich ist, wenn eine 100-prozentige Tochtergesellschaft von der sie beherrschenden Muttergesellschaft aufgenommen wird, beide keine Arbeitnehmer haben und die Anteilsinhaber des Mutterunternehmens auf einen Verschmelzungsbericht verzichtet haben. Da die Gesellschaften keine Arbeitnehmer haben, werden zunächst keine Arbeitnehmerrechte gefährdet. Die Interessen des Anteilseigner der 100% Tochtergesellschaft können vorliegend bereits nicht geschützt werden. Zwar hat der Verschmelzungsbericht eine Informationsfunktion. Diese ist jedoch nur zu erhalten, wenn die betroffene Gesellschaft einen eigenen Entscheidungsspielraum hat. Vorliegend ist dies nicht der Fall, da die Tochtergesellschaft über den mehrheitlichen Anteilsbesitz gesellschaftsrechtlich von ihrer Muttergesellschaft beherrscht wird. Des Weiteren sind die Anteilseigner von Mutter- und Tochterunternehmen ohnehin identisch. Auch ein etwaiges Schutzbedürfnis der Muttergesellschaft macht einen Verschmelzungsbericht nicht erforderlich, wenn der Anteilseigner der Mutter darauf verzichtet. Die rechtliche Zulässigkeit eines solchen Verzichts ergibt sich aus § 8 Abs. 3 UmwG und daraus, dass § 122e UmwG ausdrücklich individualrechtliche Interessen schützt. Über diese kann von der geschützten Person disponiert werden.

 

Praxishinweis | OLG Düsseldorf 3 Wx 22/22

Das OLG Düsseldorf weist in der vorliegenden Entscheidung ausdrücklich auch auf die Niederlassungsfreiheit in der EU hin und bezweifelt, dass die ungleiche Behandlung von innerdeutschen und grenzüberschreitenden Verschmelzungen bei Kapitalgesellschaften europarechtlich zulässig ist. Während nach § 8 Abs. 3 UmwG ein Verschmelzungsbericht von deutschen Personen- wie Kapitalgesellschaften entbehrlich sein kann, lässt § 122e S. 3 UmwG eine solche Ausnahme bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen nur für Personengesellschaften zu. Für eine europarechtliche Unzulässigkeit spreche auch, dass §§ 309 Abs. 6 S. 1, 8 III UmwG in der Form des UmRUG im Zuge der Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (RL 2021/2019/EU) die Befreiung bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen uneingeschränkt auch auf Kapitalgesellschaften anwendet. Somit ist eine europarechtskonforme und damit einschränkende Auslegung des § 122e UmwG geboten.