BGH II ZR 13/14
Verpflichtung zur zügigen Durchführung einer Kapitalerhöhung

21.07.2016

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
03.11.2015
II ZR 13/14
NJW 2015, 3786

Leitsatz | BGH II ZR 13/14

1. Dem Inferenten steht ohne Vereinbarung einer Befristung oder Bedingung ein Lösungsrecht von dem Übernahmevertrag nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu, wenn der angemessene Zeitraum für eine Bindung des Übernehmers überschritten wird oder es aus anderen Gründen nicht zur Kapitalerhöhung kommt. Rechtsfolge ist ein Rücktrittsrecht des Übernehmers nach § 313 Abs. 3 Satz 1 BGB.

2. Eine stille Beteiligung kann als Sacheinlage in eine GmbH eingebracht werden. Sie erlischt durch die Übertragung auf die GmbH. Nach einem Rücktritt kann der Übernehmer verlangen, dass die infolge der Übertragung erloschene stille Beteiligung neu begründet wird.

3. Die Gesellschaft trifft eine (Treue-)Pflicht, für eine zügige und ordnungsgemäße Durchführung der Kapitalerhöhung zu sorgen, jedenfalls dann, wenn sie sich im Übernahmevertrag unter Mitwirkung aller Gesellschafter und Geschäftsführer ausdrücklich zur Durchführung der Kapitalerhöhung verpflichtet.

Sachverhalt | BGH II ZR 13/14

Der Kläger war als stiller Gesellschafter an der beklagten GmbH beteiligt. Diese beschloss eine Erhöhung des Stammkapitals durch Sacheinlagen. Der Kläger wurde zusammen mit anderen stillen Gesellschaftern zur Übernahme einer neuen Stammeinlage gegen Einbringung seines Anteils an der stillen Gesellschaft zugelassen.

In der Folgezeit betrieben die Geschäftsführer der Beklagten die Kapitalerhöhung wegen Meinungsverschiedenheiten nicht weiter. Der Geschäftsbetrieb der Beklagten wurde in die R-GmbH eingebracht; die Beklagte stellte ihre operative Tätigkeit ein. Das Registergericht wies die Anmeldung der Kapitalerhöhung schließlich zurück.

Die auf Auskunft – insbesondere zur Übernahme des Geschäfts durch die R-GmbH – gerichtete Klage war in erster Instanz teilweise erfolgreich. Die Berufung des Klägers, der in zweiter Instanz den Rücktritt vom Übernahmevertrag erklärte, blieb erfolglos. Hiergegen richtet sich die Revision.

Entscheidung | BGH II ZR 13/14

Die Revision hat Erfolg, da der geltend gemachte Auskunftsanspruch gegen die Beklagte besteht.
Dieser steht dem Kläger zwar nicht als mitgliedschaftliches Recht wegen treuwidriger Vereitelung seines Anspruchs auf Einräumung einer Gesellschafterstellung zu. Denn vor der Eintragung im Handelsregister gebühren dem Einzelnen keine mitgliedschaftlichen Rechte, da der Übernahmevertrag keine gesellschaftergleiche Stellung im Sinne eines Anwartschaftsrechts vermittelt.

Auch lässt sich ein Auskunftsanspruch nicht allein auf den Rücktritt vom Übernahmevertrag stützen. Zwar hat der Kläger nach § 346 BGB i. V. m. § 313 Abs. 3 Satz 1 BGB einen Anspruch auf Wiedereinräumung der stillen Beteiligung. Denn ohne Vereinbarung einer Befristung oder Bedingung steht dem Inferenten ein Lösungsrecht vom Übernahmevertrag nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu, wenn der angemessene Zeitraum für eine Bindung des Übernehmers überschritten wird oder die Kapitalerhöhung aus anderen Gründen scheitert. Die geleistete Einlage, die hier in der stillen Beteiligung lag, war daher zurück zu gewähren. Insbesondere führt der mit der Übertragung auf die GmbH einhergehende Untergang der stillen Beteiligung nicht zur Unmöglichkeit der Rückübertragungsverpflichtung, solange die Beklagte die Gesellschaft neu begründen kann. Ein Anspruch auf Auskunft entsteht indes erst mit Neuerrichtung der stillen Gesellschaft.

Der geltend gemachte Auskunftsanspruch lässt sich aber darauf stützen, dass dem Kläger ein Schadensersatzanspruch wegen verzögerter Durchführung der Kapitalerhöhung gegen die Gesellschaft zusteht und er die begehrten Informationen zur Berechnung seiner Ausgleichsforderung benötigt. Die Gesellschafter können zwar einen Kapitalerhöhungsbeschluss jederzeit wieder aufheben, sodass kein Erfüllungsanspruch des Übernehmers gegen die Gesellschaft auf Durchführung der Kapitalerhöhung besteht. Das schließt aber nicht aus, dass die Gesellschaft, solange die Gesellschafter einen bereits gefassten Kapitalerhöhungsbeschluss nicht aufheben, aus dem Übernahmevertrag verpflichtet ist, für die Durchführung des Erhöhungsbeschlusses in angemessener Zeit zu sorgen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn eine solche Verpflichtung ausdrücklich in den Übernahmevertrag aufgenommen wird. Der Kläger kann bei Verletzung dieser Pflicht verlangen, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn er nicht auf die Kapitalerhöhung vertraut hätte.

Praxishinweis | BGH II ZR 13/14

Nachdem der BGH die Frage, ob die Gesellschaft gegenüber den Übernehmern verpflichtet ist, für eine zügige Durchführung des Erhöhungsbeschlusses zu sorgen, zuletzt ausdrücklich offen gelassen hat, folgt er mit dieser Entscheidung der überwiegenden Ansicht im Schrifttum, die sich für eine entsprechende Verpflichtung der Gesellschaft ausspricht, die bei ihrer Verletzung einen Anspruch des Übernehmers auf Ersatz des Vertrauensschadens nach sich zieht. Damit wird die Stellung des Übernehmers gestärkt und das strukturelle Ungleichgewicht abgeschwächt, das sich daraus ergibt, dass ihm kein Erfüllungsanspruch gegen die Gesellschaft zusteht, obwohl er seinerseits zur Leistung der zugesagten Einlage verpflichtet ist.