BGH II ZB 11/22
Verbotene unentgeltliche Hilfeleistung in Steuersachen durch Studierende (sog. Tax Law Clinic)

26.02.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
28.03.2023
II ZB 11/22
DStRE 2023, 758

Leitsatz | BGH II ZB 11/22

  1. Die Eintragung eines Vereins, dessen satzungsmäßige Tätigkeit in der unentgeltlichen Hilfeleistung in Steuersachen durch Studierende für Studierende unter Anleitung beruflich vorgebildeter und erfahrener Praktiker besteht (sog. Tax Law Clinic), ins Vereinsregister ist nach Maßgabe des geltenden Rechts unzulässig.
  2. Dieser Vereinszweck ist auf eine nach den § 2 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 S. 1 StBerG verbotene geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen gerichtet, womit die Satzung des Vereins wegen Gesetzesverstoßes nach § 134 BGB nichtig ist.

Sachverhalt | BGH II ZB 11/22

Der Beteiligte, ein Verein in Gründung, plante seit einiger Zeit zur Förderung der Steuerrechtswissenschaft an der Leibniz Universität in Hannover eine Tax Law Clinic zu errichten. In dieser soll eine unentgeltliche Steuerrechtsberatung für Studierende durch Studierende unter der Anleitung von Rechtsanwälten sowie Steuerberatern durchgeführt werden. Dadurch sollen Studierende unter Anleitung von bereits Berufstätigen selbstständig beraten und eigene praktische Erfahrungen sammeln.

Um die Tax Law Clinic zu ermöglich, sollte ein separater Verein, ‘‘Tax Law Clinic Hannover‘ gegründet werden. Die Eintragung dieses Vereins wurde jedoch vom AG Hannover abgelehnt, diese Entscheidung wurde wiederum vom OLG Celle bestätigt. Hiergegen hat der Beteiligte Rechtsbeschwerde beim BGH eingelegt.

Entscheidung | BGH II ZB 11/22

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Registergericht hat die Eintragung des Beteiligten in das Vereinsregister entsprechend § 60 BGB zu Recht abgelehnt.

Der Beteiligte kann sich nicht auf eine Zulässigkeit der beabsichtigten Tätigkeit nach § 6 Abs. 2 RDG berufen, wonach es möglich ist, dass Studierenden in einer Law Clinic unter Anleitung von qualifizierten Personen, wie vorliegend Anwälten und Steuerberatern, eine Rechtsberatung vornehmen. Denn im Steuerrecht geht das StBerG dem DRG vor. Letzteres schützt nämlich nur den Rechtssuchenden, das Steuerberatungsgesetz darüber hinaus noch das allgemeine Steueraufkommen. Dieses ist allerdings gefährdet, wenn eine Beratung durch Studierende möglich ist. Auch wenn es sich vorliegend in einzelnen Fragen nur um kleinere finanzielle Beträge handelt, erreichen sie in der Masse ein großes Volumen.

Gem. § 5 Abs. 1 StBerG dürfen die nicht in dem Gesetz aufgezählten Personen keine geschäftsmäßige Hilfe und insbesondere keinen Rat in Steuersachen leisten. Geschäftsmäßigkeit liegt vor, wenn jemand erkennbar die Absicht verfolgt, die Tätigkeit zu einem dauernden Bestandteil seiner selbständigen Beschäftigung zu machen. Irrelevant ist dabei, dass diese Hilfeleistung unentgeltlich erfolgen soll. Gegen diese Norm verstößt der Satzungszweck des Beteiligten. Es besteht auch keine Ausnahme nach § 6 Nr. 2 StBerG, wonach unentgeltliche Hilfe in Steuersachen gegenüber Angehörigen erlaubt ist. Denn gegenüber anderen Personen ist sie unzulässig, auch wenn sie unter fachlicher Aufsicht erfolgt.   
Das Verbot im StBerG ist auch nicht verfassungswidrig. Zunächst liegt keine Verletzung des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit vor. Denn die wissenschaftliche Forschung oder eine Lehrtätigkeit ist nicht Gegenstand des Vereins. Auch ist nicht ersichtlich, inwieweit die Förderung der Berufsbildung wissenschaftlich fundiert erfolgt. Damit ist bereits der Schutzbereich des Grundrechts nicht eröffnet. Zudem verstößt die Norm nicht gegen die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG, da diese unter dem Vorbehalt der verfassungsmäßigen Ordnung steht. § 2 Abs. 1 S. 2 StBerG ist jedoch verfassungsmäßig, da dadurch dem Schutz der Funktionsfähigkeit der Steuerrechtspflege gedient wird. Zwar ist fraglich, ob allein der nach § 2 Abs. 1 S. 2 StBerG bezweckte Schutz der Rechtssuchenden einen so weitgehenden Ausschluss unentgeltlicher Hilfeleistung in Steuersachen erfordert. Allerdings ist dieses Verbot jedenfalls durch den im Allgemeininteresse liegenden Schutz von Steueraufkommen und Steuermoral geboten. Eine bloße Mitwirkung von Volljuristen in der Tax Law Clinic reicht für einen ausreichenden Schutz nicht. Vielmehr müssten die Studierenden bei der Beratung ständig begleitet und beaufsichtigt werden, um den Anforderungen des Steuerrechts gerecht zu werden. Dies findet in Law Clinic aber gerade nicht statt, weil sonst der Lerneffekt durch die selbstständige Beratung ausbleibt. Schließlich besteht auch kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da die Ungleichbehandlung zu anderen Rechtsgebieten durch die besondere Bedeutung der Steuerrechtspflege für die Allgemeinheit sachlich gerechtfertigt ist.

Eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG kommt daher nicht in Betracht. Auch eine Vorlage an den EuGH nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst. Zum einen liegt kein Verstoß gegen die Dienstleistungsrichtlinie vor, da mangels Entgeltlichkeit bereits keine vom Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie erfasste Dienstleistung vorliegt. Zum anderen besteht keine Verletzung der Niederlassungsfreiheit, da kein grenzüberschreitender Vorgang vorliegt.

 

Praxishinweis | BGH II ZB 11/22

Die Bundesregierung hat am 26.07.2023 ein Gesetz beschlossen, welches die unentgeltliche Beratung von Tax Law Clinics erlauben soll. Das Bundeskabinett hat dazu vorgeschlagen, die Vorschriften zur unentgeltlichen Beratung im Steuerberatungsgesetz weitgehend an § 6 RDG anzugleichen. Das Gesetz muss noch den Bundestag durchlaufen, soll aber zum 01.05.2024 in Kraft treten.