OLG München 7 U 2865/21
Unwirksamkeit der Vereinbarung einer variablen Vergütung eines Geschäftsführers nur für die Dauer seiner Bestellung

10.04.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG München
03.05.2023
7 U 2865/21
GWR 2023, 317

Leitsatz | OLG München 7 U 2865/21

Eine Beschränkung der variablen Vergütung in einem Geschäftsführerdienstvertrag auf die Dauer der Bestellung zum Geschäftsführer verstößt gegen den in § 38 Abs. 1 GmbH verkörperten Grundgedanken des GmbH-Rechts, wonach ein Geschäftsführer zwar jederzeit abberufen werden kann, die Abberufung als solche aber keinen Einfluss auf seinen Vergütungsanspruch hat, und ist deshalb gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB unwirksam.

Sachverhalt | OLG München 7 U 2865/21

Der Rechtsstreit zwischen den Parteien entstand im Zusammenhang mit der Beendigung der Tätigkeit der Klägerin als Geschäftsführerin der Beklagten. Der Geschäftsführerdienstvertrag enthielt eine Klausel, wonach „der Geschäftsführer während der Dauer seiner Bestellung ein variables Jahresgehalt“ bezieht. Die ordentliche Kündigung des Dienstvertrages erfolgte schriftlich am 06.08.2019 mit Wirkung zum 29.2.2020. Anschließend erfolgte in einem nachfolgenden Schreiben vom 16.08.2019 die Abberufung der Klägerin im Namen der Gesellschafterversammlung sowie eine sofortige Freistellung von ihren Dienstpflichten. Die Klägerin bestritt die Wirksamkeit der Kündigung und forderte die variable Vergütung für das Kalenderjahr 2019 gerichtlich ein. Das LG München erkannte den Anspruch der Klägerin auf die Zahlung einer variablen Vergütung an.

Entscheidung | OLG München 7 U 2865/21

Die erstinstanzliche Entscheidung wurde vom OLG München bestätigt. Der Dienstvertrag sieht eine variable Vergütung zwar nur „während der Dauer der Bestellung“ als Geschäftsführerin vor. Diese Bestimmung sei jedoch mit Blick auf den § 307 I, II BGB unwirksam, sodass der Dienstvertrag im Ergebnis für das gesamte Jahr 2019 bestehe. Eine Einschränkung der variablen Vergütung würde dem Grundgedanken des GmbH-Rechts (§ 38 I GmbH) widersprechen, wonach jederzeit eine Abberufung des Geschäftsführers erfolgen kann, dies jedoch keine Auswirkungen auf den Vergütungsanspruch habe. Die variable Vergütung sei zweifellos Bestandteil des Vergütungsanspruchs dar. Das Gericht hat das Argument der Beklagten, dass mit der Abberufung des Geschäftsführers grundsätzlich die Freistellung miteinhergeht, nicht anerkannt und weist darauf hin, dass die gegenständliche Klausel dies nicht explizit ausdrückt. Unter Verwendung der Vertragsklausel bestehe theoretisch die Möglichkeit, den Geschäftsführer als Organ abzuberufen, und ihn gleichzeitig weiterarbeiten zu lassen, ohne ihm die variable Vergütung zu gewähren. Dies würde eine unangemessene Benachteiligung der Geschäftsführerin darstellen. Hierbei sei unerheblich, dass es zu dieser Konstellation nicht hätte kommen können, da das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion greift. Dementsprechend könne unentschieden bleiben, ob es rechtlich zulässig ist, den Anspruch auf eine variable Vergütung formularmäßig auszuschließen, wenn der Geschäftsführer abberufen und gleichzeitig freigestellt wird.

Praxishinweis | OLG München 7 U 2865/21

Angesichts dessen, dass übliche Anstellungsverträge für Geschäftsführern in der Praxis als AGB auftreten und in der Regel Bestimmungen zur Vergütung des Geschäftsführers im Falle der Abberufung sowie Kündigung enthalten, erscheint diese Rechtsprechung äußerst praxisrelevant. Im Hinblick auf das Trennungsprinzip ist zu beachten, dass die körperschaftliche Organstellung klar vom schuldrechtlichen Dienstverhältnis abzugrenzen ist. Die Beendigung der Bestellung hat daher nicht automatisch Auswirkungen auf das Fortbestehen des Dienstverhältnisses. Während der Anspruch auf Beschäftigung entfällt, bleibt der Anspruch auf Vergütung hingegen grundsätzlich bestehen. Aus diesem Grund neigen Gesellschafter dazu, die Vergütung an die Organstellung zu binden. Ob hingegen ein Ausschluss der variablen Vergütung für den Fall einer Freistellung vereinbart werden kann, blieb vom OLG München unerfreulicherweise unbeantwortet, sodass in dieser Hinsicht weiterhin eine erhebliche Rechtsunsicherheit besteht.