OLG Brandenburg 12 U 118/22
Teilweise Kündigung des Bauträgervertrags nach altem Recht: Kündigung des Bauleistungsvertrages durch den Erwerber aus wichtigem Grund

12.02.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Brandenburg
20.04.2023
12 U 118/22
juris

Leitsatz | OLG Brandenburg 12 U 118/22

  1. Ein Bauträgervertrag alten Rechts ist teilweise kündbar, wenn der Bauträger nach Ablauf angemessener gesetzter Frist das Bauwerk weder fertiggestellt noch erhebliche Mängel beseitigt hat.
  2. Der Erwerber kann nach der Teilkündigung Schadensersatz und den Vollzug des Eigentumswechsels beanspruchen, wenn er nach Abzug des Schadens keine Vergütung mehr schuldet.
  3. Für die Abgrenzung von streitigem und unstreitigem Vorbringen ist auch dann auf das Verfahren zur Hauptsache abzustellen, wenn zuvor ein selbstständiges Beweisverfahren durchgeführt worden ist, in dessen Rahmen eine Partei die Behauptungen ihres Gegners bestritten hat.

 

Sachverhalt | OLG Brandenburg 12 U 118/22

Die Parteien hatten am 20.10.2017 einen notariellen Vertrag über den Erwerb eines Grundstücks mit einer von dem Beklagten zu errichtenden Doppelhaushälfte geschlossen. Als Termin zur Fertigstellung wurde der 31.07.2018 bestimmt. Mit Email vom 15.06.2018 forderte die Klägerin den Beklagten auf, die Arbeiten bis zum 25.06.2018 wegen der anstehenden Begutachtung durch den TÜV einzustellen. Bereits im Rahmen dieser Qualitätsbegutachtung durch den TÜV wurde eine Vielzahl von Mängeln festgestellt.

Nach Ablauf des Fertigstellungstermins forderte die Klägerin erneut zur Mangelbeseitigung unter Fristsetzung auf. Am 05.11.2018 leitete die Klägerin vor dem Landgericht ein selbständiges Beweisverfahren ein, in dessen Rahmen Mängel und Mangelbeseitigungskosten festgestellt wurden. Nachdem der Beklagte um Fristverlängerung von 8 bis 10 Monaten gebeten hatte, da er nicht nach Deutschland einreisen konnte, erklärte die Klägerin am 21.10.2021 die Teilkündigung des Vertrages. Die Klägerin verlangt den Vollzug der Auflassung des Grundstücks nach Zahlung des darauf entfallenden Entgelts sowie Beseitigungskosten, Minderung sowie Schadensersatzansprüche. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt.

 

Entscheidung | OLG Brandenburg 12 U 118/22

Die zulässige Klage ist nur in geringem Maße und nur bezüglich eines Teils der geltend gemachten Kosten begründet. Es findet zunächst deutsches Recht Anwendung, da der Vertragsschluss und –vollzug in Deutschland erfolgten, § 4 Abs. 3 Rom I-VO. Auf die Vertragsabwicklung finden gem. Art. 229 § 39 EGBGB die Vorschriften des BGB in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung Anwendung, nachdem die Parteien den hier im Streit stehenden Vertrag am 20.10.2017 geschlossen haben.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Vollzug der Auflassung gegen den Beklagten. Dieser ergibt sich aus dem Bauträgervertrag in Verbindung mit § 433 Abs. 1 BGB a.F. Der Anspruch ist mit dem notariellen Vertrag vom 20.10.2017 entstanden. In diesem erklärten die Parteien die Auflassung und wiesen den Notar an, Ausfertigungen und Abschriften der Verhandlung mit der Auflassung zu erteilen, wenn der gesamte geschuldete Kaufpreis gezahlt worden ist. Der Anteil für den Grundstückserwerb wurde bereits gezahlt, weitere Leistungen sind nicht erforderlich, da der Kläger, den auf den Werkvertrag entfallenden Teil wirksam fristlos gekündigt und das Entgelt für die erbrachten Leistungen des Beklagten entrichtet hat.

Eine Teilkündigung aus wichtigem Grund ist auch bei einem Bauträgervertrag zulässig, § 314 BGB a.F. Grundsätzlich ist der Bauträger durch den Bauträgervertrag zu einer Gesamtleistung verpflichtet und berechtigt, wobei die Grundstücksveräußerung und Bauwerkserrichtung in der Regel untrennbar sind. Aus diesem Grund kann normalerweise auch das Rücktrittsrecht nur einheitlich ausgeübt werden. Ausnahmsweise kann jedoch dem Erwerber sowohl das Kündigungsrecht gewährt werden, als auch der Anspruch auf Grundstücksübereignung belassen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Das Interesse des Bauträgers ist dann nicht mehr schutzwürdig. Hieran ändern auch die neuen Regelungen für Bauträgerverträge nach § 648a BGB n.F. nichts. Der Umstand, dass für den Gesetzgeber das Interesse an einer einheitlichen Regelung des Bauträgervertrages insgesamt die Einzelfallgerechtigkeit des Ausnahmefalles überwiegt, gebietet es nicht, bis zur Wirksamkeit der neuen Regelungen bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Teilkündigung aus wichtigem Grund, diese nicht zuzulassen.

Die Voraussetzungen der Teilkündigung liegen hier vor. Ein Kündigungsrecht ergibt sich aus dem Rechtsgedanken des § 314 BGB, wenn der Bauträger seine Pflicht derart verletzt, dass das Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört ist. Dieses Recht besteht auch vor Abnahme des Werkes und im Rahmen einer Teilkündigung. Vorliegend ist eine solche Verletzung gegeben, da das Werk unvollendet und mängelbehaftet ist. Auch nach mehrmaliger Fristsetzung und Aufforderung zur Mängelbeseitigung fand eine solche nicht statt. Die Kündigung ist  zudem innerhalb einer angemessenen Frist erfolgt, § 314 Abs. 3 BGB a.F. Eine Verzögerung von 8-10 Monaten war der Beklagten nicht zumutbar.

Nach Kündigung des Vertrages hat die Klägerin auch einen Schadensersatzanspruch gem. §§ 286, 281, 280 BGB, der die Zahlung eines Kostenvorschusses umfasst, um die Mängel im Wege der Ersatzvornahme selbst zu beseitigen. Durch die mit der Kündigungsandrohung verbundenen Fristsetzung zur Mangelbeseitigung hat die Klägerin zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht weiter mit dem Beklagten zusammen arbeiten wollte. Damit ist der Erfüllungsanspruch erloschen und ein Abrechnungsverhältnis entstanden. Aus diesem ist die Klägerin berechtigt, die Arbeiten selbst vorzunehmen. Außerdem befindet sich der Beklagte durch die Fristsetzung in Verzug mit der Leistung, der einen Schadensersatzanspruch begründet. Denn eine begründende Pflichtverletzung liegt vor, da der Unternehmer die ihm gesetzten Fristen verstreichen lassen hat. Einige kleine Fehler bestanden jedoch bei der exakten Berechnung der Schadens- und Minderungspositionen.

Praxishinweis | OLG Brandenburg 12 U 118/22

Eine Teilkündigung aus wichtigem Grund ist bei einem Bauträgervertrag nach dem alten Recht zulässig, § 314 BGB a.F. Einem Erwerber ist ausnahmsweise sowohl ein Kündigungsrecht zu gewähren, als auch der Anspruch auf Grundstücksübereignung zu belassen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der die Schutzwürdigkeit des Bauträgers entfallen lässt. Hieran ändern auch die neuen Regelungen für Bauträgerverträge nach § 648a BGB n.F. nichts. Denn immerhin bis zur Wirksamkeit der neuen Regelungen ist es nicht geboten, bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Teilkündigung aus wichtigem Grund, diese nicht zuzulassen.