BGH II ZR 13/22
Stimmverbot von Gesellschaftern bei Beteiligung an zu verklagender Gesellschaft

31.01.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
08.08.2023
II ZR 13/22
NZG 2023, 1267

Leitsatz | BGH II ZR 13/22

  1. Bei der Beschlussfassung über die Einleitung eines Rechtsstreits gegen eine Drittgesellschaft oder über die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Drittgesellschaft unterliegen diejenigen GmbH-Gesellschafter einem Stimmverbot, die zusammen alle Anteile an der Drittgesellschaft innehaben.
  2. Das Gericht darf im Rahmen der positiven Beschlussfeststellungsklage nicht anstelle der GmbH-Gesellschafter entscheiden und einen Beschluss feststellen, der so nicht zur Abstimmung der Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung stand. Es kann nur das Ergebnis einer tatsächlich erfolgten Willensbildung feststellen.

 

Sachverhalt | BGH II ZR 13/22

Gesellschafter der Beklagten sind u.a. der Kläger, M und D (welche auch Geschäftsführerin ist). Zusätzlich sind D, M, der Kläger und andere, Gesellschafter der T-KG, deren Komplementärin die Beklagte ist. Schließlich sind D und M mit einer jeweils hälftigen Beteiligung Gesellschafterinnen der T-GmbH.

Die T-KG ist Inhaberin verschiedener beim DPMA eingetragener Marken. Zwischen ihr und der T-GmbH bestand ein Vertrag, wonach die T-GmbH die Markenrechte gegen ein jährliches Entgelt nutzen konnte. Ab August 2017 wurden beim DPMA auf Ds Veranlassung für die T GmbH verschiedene, vom Kläger als Konkurrenzmarken angesehene, Marken angemeldet und im Jahr darauf eingetragen. Als Folge fand eine Gesellschafterversammlung der Beklagten statt, in welcher über verschiedene Schadensersatzansprüche entschieden werden sollte: Zum einen gegen die D wegen verbotswidriger Konkurrenztätigkeit mit dem Unternehmen T-GmbH gem. § 46 Nr. 8 GmbHG sowie wegen Anmeldung und Eintrag der Konkurrenzmarke und deren wirtschaftlicher Nutzung (TOP 13). Zum anderen wegen verbotswidriger Konkurrenztätigkeit gegen M (TOP 14) und gegen die T-GmbH (TOP 15).

Nach Abzählung der Stimmen, auch von D und M, wurde festgestellt, dass die Beschlussanträge abgelehnt wurden. Der Kläger begehrt die Nichtigerklärung der ablehnenden Beschlüsse und die Feststellung, dass die Beschlüsse gefasst wurden. Außerdem beantragt er, ihn als Prozessvertreter zur Durchsetzung der Schadensersatzansprüche in allen Fällen einzusetzen. Das erstinstanzliche Gericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung wurde mit der Begründung zurückgewiesen, D und M hätten keinem Stimmverbot unterlegen, weil die Schadensersatzansprüche nicht geboten seien.

 

Entscheidung | BGH II ZR 13/22

Die Revision ist erfolgreich. Zunächst hat das Berufungsgericht hinsichtlich TOP 13 rechtsfehlerhaft angenommen, dass ein ablehnender Beschluss gefasst wurde. Denn bei der Beschlussfassung über die Einleitung eines Rechtsstreits gegenüber einem Gesellschaftergeschäftsführer hat dieser nach § 47 IV 2 Fall 2 GmbHG kein Stimmrecht. Daraus folgt zudem ein Stimmverbot bei der außergerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen und der Bestellung eines Vertreters der Gesellschaft zur Anspruchsverfolgung. Folglich unterlag D vorliegend einem Stimmverbot. Hingegen kommt es nicht darauf an, ob die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen rechtlich geboten ist und Aussicht auf Erfolg hat. Somit war die Stimmabgabe der D nichtig und daher nicht mitzuzählen. Daraus ergibt sich auch die Unrichtigkeit des Beschlusses, da der Fehler für das festgestellte Beschlussergebnis ursächlich ist. Im vorliegenden Fall wäre der Beschluss bei rechtmäßiger Zählung der Stimmen gefasst worden.

Zudem wurde rechtsfehlerhaft angenommen, dass zu TOP 14 ein ablehnender Beschluss gefasst wurde. Auch M unterlag einem Stimmverbot, da sich die Ansprüche gegen sie richteten. Die fehlerhafte Berücksichtigung ihrer Stimme führte zu einem unrichtigen Beschluss, da ihm ohne ihre Stimme zugestimmt worden wäre.

Schließlich hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft angenommen, dass bezüglich TOP 15 ein ablehnender Beschluss gefasst wurde. Nach der Rechtsprechung des BGH zu § 47 IV GmbHG besteht auch dann ein Stimmverbot für einen GmbH-Gesellschafter, wenn er Alleingesellschafter einer Drittgesellschaft ist und sich die (außergerichtliche) Geltendmachung von Ansprüchen gegen diese Drittgesellschaft richtet. Dies gilt entsprechend, wenn mehrere Gesellschafter alle Anteile an der Drittgesellschaft innehaben. Vorliegend hatten M und D je 50 % der Anteile an der T-GmbH inne und somit kein Stimmrecht. Da der Beschluss ohne Berücksichtigung ihrer Stimmen gefasst worden wäre, ist er unrichtig und kann wirksam angefochten werden.

Der Senat hebt daher das angefochtene Urteil auf und stellt die beantragten Beschlüsse unter Zugrundelegung der wirksam abgegebenen Stimmen selbst fest. Insoweit die Revisionsanträge des Klägers über die Beschlussanträge zu TOP 13, 14 und 15 hinausgehen, sind sie abzuweisen. Denn das Gericht darf im Rahmen der positiven Beschlussfeststellungsklage nicht anstelle der Gesellschafter entscheiden und einen Beschluss feststellen, der nicht zur Abstimmung stand. Es kann nur das Ergebnis einer tatsächlich erfolgten Willensbildung feststellen.

 

Praxishinweis | BGH II ZR 13/22

Der BGH stellt in der vorliegenden Entscheidung klar, dass bei der Beschlussfassung über die (außergerichtliche) Geltendmachung von Ansprüchen gegen eine Drittgesellschaft auch mehrere voneinander unabhängige GmbH-Gesellschafter einem Stimmverbot unterliegen, wenn sie zusammen alle Anteile an der Drittgesellschaft halten. Dadurch senkt der BGH die Hürden für die mittelbare Anwendung bei Stimmverboten weiter ab.