BGH II ZR 144/21
Sonderbeiträge eines ehrenamtlichen Bürgermeisters an seine Partei

10.07.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
31.01.2023
II ZR 144/21
juris

Leitsatz | BGH II ZR 144/21

Der Anspruch einer Partei gegen ihr Mitglied auf Zahlung eines Teils seiner Aufwandsentschädigung als Sonderbeitrag ist als zivilrechtlicher Anspruch gerichtlich durchsetzbar.

Sachverhalt | BGH II ZR 144/21

Der Kläger ist ein rechtlich selbstständiger Kreisverband der CDU. In der Satzung der CDU Sachsen-Anhalt ist geregelt, dass kommunale Wahlbeamte monatlich neben ihrem Mitgliedsbeitrag 3% ihres Grundgehaltes, kommunale Mandatsträger 15 % ihrer Aufwandsentschädigung und ehrenamtliche Bürgermeister 7,5 % ihrer Aufwandsentschädigung als Sonderbeitrag an den Kreisverband zu „entrichten“ haben. Der Beklagte war 1972 bis November 2019 Mitglied des Klägers. 2015 wurde er zum ehrenamtlichen Bürgermeister in einer Gemeinde in Sachsen-Anhalt gewählt. Zu dieser Wahl trat er als Einzelkandidat ohne Unterstützung des Klägers an. Er erhielt eine monatliche Aufwandsentschädigung i.H.v. 765 €. Nach Klageerhebung hat das Amtsgericht den Beklagten zur Zahlung von Sonderbeiträgen in Höhe von 740 € nebst Zinsen verurteilt. Die Berufung hatte keinen Erfolg.

Entscheidung | BGH II ZR 144/21

Die Revision hat keinen Erfolg.

Da die Satzungsregelung nicht nur derzeitige, sondern auch künftige Parteimitglieder erfasst, hat sie körperschaftlichen Charakter und ist nach objektiven Gesichtspunkten auszulegen. Zunächst gibt der Wortlaut „entrichten“ keinen Hinweis darauf, dass ein etwaiger Anspruch nicht einklagbar ist. Auch aus dem Sinn und Zweck der Regelung, Mandatsträger zu einer zusätzlichen finanziellen Parteiunterstützung zu verpflichten, folgt das nicht. Systematisch betrachtet gibt es zwar andere Satzungsvorschriften, die von einer „unaufgeforderten Zahlungspflicht“ sprechen. Nur weil eine solche Formulierung hier fehlt, kann das Mitglied aber trotzdem in Verzug geraten und Verzugszinsen schulden. Des Weiteren kann aus einer Beendigung der Mitgliedschaft wegen Zahlungsverzug nicht geschlossen werden, dass auf eine gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs verzichtet wird. Die Verpflichtung zur Zahlung von Sonderbeiträgen als zivilrechtlicher Anspruch ist gerichtlich durchsetzbar. Zwar werden in § 27 Abs. 1 S. 1 und S. 2 unterschiedliche Formulierungen genutzt. Jedoch folgt weder aus der Formulierung, noch aus der Systematik oder dem Sinn und Zweck der Vorschrift eine Auswirkung auf die rechtliche Qualität der Leistung. Auch folgt keine andere zivilrechtliche Qualifizierung aus der steuerlichen Einordnung oder daraus, dass bis Ende 2015 Mandatsbeiträge wie freiwillige Spenden zu behandeln waren. Gegen eine Einklagbarkeit spricht schließlich nicht, dass die Mandatsträger finanziell von der Partei abhängig sein könnten, weil diese nach Belieben bzw. nach dem politischen Verhalten des Mandatsträgers die Sonderbeiträge geltend machen könnte. Eine beliebige Geltendmachung rechtfertigt keinen generellen Ausschluss der Einklagbarkeit. Insbesondere Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG enthält außerdem den innerparteilichen Gleichbehandlungsgrundsatz, woraus auch folgt, dass die Mitgliedsbeiträge nicht willkürlich erhoben werden dürfen. Dies kann im Einzelfall stets rechtlich kontrolliert werden.

Vorliegend besteht ein Anspruch auf Zahlung der Sonderbeiträge aus der Satzung, da der Beklagte Mitglied der CDU im klagenden Kreisverband war und als ehrenamtlicher Bürgermeister gewählt wurde. Dabei ist die Zahlungspflicht unabhängig davon, ob das Amt mithilfe der Partei erreicht wurde. Die Zahlung soll einen Ausgleich für die Vorteile durch die Mitgliedschaft darstellen. Diese können zum einen auch nach Erlangung des Amtes erhalten werden. Zum anderen hat der Beklagte im Zweifelsfall durch seine Parteimitgliedschaft Vorteile für die Wahl erlangt.

Die Sonderbeitragspflicht verstößt schließlich nicht gegen höherrangiges Recht. Der in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verankerte Grundsatz des freien Mandats ist auf kommunale Mandatsträger nicht uneingeschränkt übertragbar. Für solche wird die Mandatsfreiheit vielmehr verfassungsrechtlich aus Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleitet und ist für ehrenamtliche Mitglieder der Kommunalvertretung in § 43 Abs. 1 KVG LSA einfachgesetzlich geregelt. Unabhängig davon, ob diese Norm für einen ehrenamtlichen Bürgermeister gilt, verstößt die Sonderbeitragspflicht nicht dagegen, da die Pflicht nicht an die inhaltliche Mandatsausübung anknüpft und dadurch keine Steuerungsfunktion hat. Auch verstößt die Sonderbeitragspflicht nicht gegen das Gebot einer angemessenen Entschädigung, siehe Art. 48 Abs. 3 Satz 1 GG. Denn Ehrenamtliche erhalten nach § 35 Abs. 1 und 2 KVG LSA anders als Abgeordnete des Deutschen Bundestages keine Alimentation zur Sicherung ihres Lebensunterhalts, sondern nur eine pauschalierte Aufwandsentschädigung. Da diese in das Privatvermögen des Amtsträgers übergeht, besteht auch keine indirekte staatliche Parteifinanzierung. Ebenfalls liegt kein Verstoß gegen den innerparteilichen Gleichbehandlungsgrundsatz gem. Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG vor, da die Beitragspflicht durch die Möglichkeit der Parteiunterstützung gerechtfertigt ist. Die Höhe der Beiträge ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Schließlich liegt kein Verstoß gegen das in § 35 Abs. 3 KVG LSA enthaltene Übertragungs- und Verzichtsverbot vor. Die Regelung betrifft nur das Verhältnis der Kommune zum Entschädigungsempfänger. Ist die Entschädigung in das Vermögen des Empfängers übergegangen, steht diesem die weitere Verwendung der Mittel frei.

 

Praxishinweis | BGH II ZR 144/21

Der BGH stellt in seinem Urteil klar, dass die Verpflichtung eines Amts- oder Mandatsträger zur Zahlung von Sonderbeiträgen an den Kreisverband der Partei gerichtlich durchsetzbar ist. Der sachliche Grund für einen solchen Anspruch liegt in den Vorteilen, die der Mandatsträger durch die Mitgliedschaft in der Partei erhält. Diese können auch erst nach seiner Wahl erlangt werden und auch dann gegeben sein, wenn die Person ohne direkte Unterstützung der Partei ihr Amt erlangt hat. Eine solche Sonderbeitragspflicht verstößt zudem nicht gegen höherrangiges Recht.