LG München I 5 HK O 7924/19
Satzungsregelung zur Begrenzung der Person des Vertreters eines Aktionärs auf bestimmten Personenkreis unzulässig

19.04.2021

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

LG München I
20.02.2020
5 HK O 7924/19
AG 2020, 497

Leitsatz | LG München I 5 HK O 7924/19

  1. Das Teilnahmerecht eines Aktionärs ist verletzt, wenn die Satzung eine Regelung enthält, wonach die Person des Vertreters des Aktionärs in der Hauptversammlung auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt wird.
  2. Beruft sich eine Aktiengesellschaft bei der Einberufung zur nächsten Hauptversammlung auf die unzulässige Satzungsbestimmung, kann die Anfechtung des Ausgangsbeschlusses nach einem bestandskräftigen Bestätigungsbeschluss mit dem Ziel geltend gemacht werden, den anfechtbaren Beschluss für die Zeit bis zum Bestätigungsbeschluss für nichtig zu erklären.

(amtliche Leitsätze)

Sachverhalt | LG München I 5 HK O 7924/19

Der Kläger ist Aktionär der beklagten AG. Deren Satzung sieht u.a. vor, dass sich Aktionäre in der Hauptversammlung gegen Vorlage einer schriftlichen Vollmacht durch ein Familienmitglied oder einen anderen Aktionär vertreten lassen können. Der vom Kläger bevollmächtigte Rechtsanwalt wurde mit Hinweis auf die Satzungsbestimmung nicht zur Teilnahme an der Hauptversammlung zugelassen. Gegen die in der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse hat der Kläger Anfechtungsklage erhoben.

Entscheidung | LG München I 5 HK O 7924/19

Das LG München I entschied, dass die gefassten Beschlüsse gegen das Gesetz verstoßen, i.S.v. § 243 Abs. 1 AktG. Der Kläger sei in seinem Recht auf Teilnahme an der Hauptversammlung nach 118 Abs. 1 AktG verletzt worden. Es liege auch ein Verstoß gegen § 134 Abs. 3 AktG vor. Der Bevollmächtigte des Klägers wurde zu Unrecht von der Teilnahme an der Hauptversammlung und damit auch von der Ausübung des Stimmrechts ausgeschlossen. Jeder Aktionär müsse die Möglichkeit haben, sich durch einen von ihm frei gewählten Bevollmächtigten in der Hauptversammlung vertreten zu lassen. Dies ergebe sich aus § 134 Abs. 3 S. 1 AktG, der lautet: „Das Stimmrecht kann durch einen Bevollmächtigten ausgeübt werden.“ Die AG dürfe über die gesetzlichen Vorgaben hinaus darf das Teilnahmerecht eines Aktionärs an der Hauptversammlung oder sein Stimmrecht nicht erschweren, weil die Regelung in § 134 Abs. 3 S. 1 AktG als abschließend angesehen werden müsse. Die von der Hauptversammlung am 11.05.2019 gefassten Beschlüsse beruhten auch auf der Verletzung des Gesetzes. Es dürfe sich dabei nicht auf eine streng mathematische Kausalität berufen werden, dass weitere 126 Stimmen keinen Einfluss auf das Abstimmungsergebnis gehabt hätten. Sofern einem Aktionär die Teilnahme und damit auch die Ausübung seiner Rechte in der Hauptversammlung zu Unrecht verweigert würde, haftete den nachfolgenden Beschlüssen ein gravierendes Legitimationsdefizit an, das bei wertender, am Schutzzweck der Norm orientierter Betrachtung die Rechtsfolge der Anfechtbarkeit rechtfertige.

 

Praxishinweis | LG München I 5 HK O 7924/19

Die Entscheidung zeigt, dass die Satzungsautonomie bei der Aktiengesellschaft eingeschränkt ist. Auch bei der (kleinen) Aktiengesellschaft ist es wichtig, über Vollmachten die Möglichkeit zu schaffen, Präsenzversammlungen durch Vollmachtserteilung zu ermöglichen. Jeder Aktionär sollte prüfen, inwieweit er insbesondere in Krisensituationen (Pandemie) über eine Vollmacht seine Mitwirkung an der Hauptversammlung ermöglicht.

Im Übrigen kann die Stimmrechtsausübung über Poolvereinbarungen gesteuert werden.