OLG Celle 9 W 87/22
Reichweite einer Schiedsklausel in einem Gesellschaftsvertrag

14.02.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Celle
07.11.2022
9 W 87/22
NZG 2023, 948

Leitsatz | OLG Celle 9 W 87/22

  1. Bei der Auslegung von Schiedsvereinbarungen anhand von Wortlaut, Zweck und Interessenlage der Parteien ist im Zweifel davon auszugehen, dass diese grundsätzlich weit auszulegen sind.
  2. Haben die Parteien die von der Schiedsvereinbarung erfassten Streitigkeiten eingeschränkt, etwa auf einen Zusammenhang mit der Satzung oder über ihre Gültigkeit oder Auslegung, sind nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Schiedsklausel keine Streitigkeiten über das Einsichts- und Auskunftsrecht des Gesellschafters nach den §§ 51a, 51b GmbHG erfasst.

 

Sachverhalt | OLG Celle 9 W 87/22

Antragsteller ist ein mit 8,36 Prozent beteiligter GmbH-Gesellschafter. Die Satzung der Gesellschaft enthält unter anderem die Regelung, dass „alle Streitigkeiten unter den Gesellschaftern oder zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft im Zusammenhang mit der Satzung, über ihre Gültigkeit oder ihre Auslegung – sofern gesetzlich zulässig – nach der jeweils gültigen Fassung DIS-SchO und den Ergänzenden Regeln für Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten (DIS-ERGeS) der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit eV (DIS) unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs endgültig zu entscheiden sind, sofern die Satzung nichts anderes bestimmt“. Die Klausel entspricht weitgehend der von der DIS vorgeschlagenen Musterklausel für den Gesellschaftsvertrag. Der Antragsteller begehrt von der Gesellschaft Auskünfte nach § 51a GmbHG. Als ihm diese nicht erteilt werden, betreibt er ein Informationserzwingungsverfahren nach § 51b GmbHG vor dem LG. Der Antragsteller argumentiert, dass es sich bei den geltend gemachten Auskunftsansprüchen nicht um vertragliche, sondern um gesetzliche Ansprüche aus § 51a GmbHG handle. Diese seien nicht von der Schiedsklausel erfasst.  Die Gesellschaft vertritt die gegenteilige Auffassung und erhebt analog § 1032 Abs. 1 ZPO die Schiedseinrede unter Berufung auf die oben genannte Klausel.

Das LG Hannover hat den Auskunftsantrag, ohne ihn in der Sache zu bescheiden, aufgrund der entgegenstehenden Schiedseinrede als unzulässig angesehen. Dagegen richtet sich der Antragsteller mit seiner zugelassenen Beschwerde, der das LG nicht abgeholfen hat.

 

Entscheidung | OLG Celle 9 W 87/22

Die Beschwerde vor dem OLG Celle hat Erfolg.

Die in der Satzung der Gesellschaft verankerte Schiedsklausel erfasse das Informations- und Auskunftsersuchen des Gesellschafters nach den §§ 51a, 51b GmbHG nach Ansicht des Gerichts nicht. Schiedsvereinbarungen sind nach Rechtsprechung des BGH im Zweifel zwar grundsätzlich weit auszulegen (vgl. BGH, NJOZ 2020, 234). Die Parteien haben allerdings nicht alle Streitigkeiten unter Gesellschaftern oder zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern der Schiedsgerichtsbarkeit unterworfen, sondern die Einschränkung getroffen, dass es sich um Streitigkeiten handeln muss, die im Zusammenhang mit der Satzung stehen. Der Senat stellt fest, dass dieser Einschub bedeutungslos wäre, wenn er nicht als Einschränkung verstanden werden soll. Das müsse bei der Auslegung berücksichtigt werden. Somit sei der Anwendungsbereich der Klausel reduziert worden.

Auch Sinn und Zweck des Auskunfts- und Einsichtsrechts des Gesellschafters nach den §§ 51a, 51b GmbHG würden für eine einschränkende Auslegung sprechen. Das in Rede stehende Schiedsverfahren sei mit drei Schiedsrichtern, dem Bestellungsverfahren nach Art. 12, 13 in Verbindung mit Art. 9 der DIS-SchO sowie der Durchführung in Düsseldorf und in englischer Verfahrenssprache auf die Beilegung und Entscheidung echter Konflikte angelegt und nicht auf die in Rede stehenden Fragen betreffend die Information über einzelne Geschäftsvorfälle, aus denen ein Konflikt entstehen könnte.

Nach diesem klaren Auslegungsbefund sei es nach Ansicht des Senats entbehrlich, darüber zu entscheiden, ob die vertraglichen Schiedsklauseln in Bezug auf die Informations- und Einsichtsrechte den Anforderungen des BVerfG an Schiedsvereinbarungen genügen (vgl. BVerfG, NJW 2022, 2677). Danach könnte zweifelhaft sein, ob das Schiedsverfahren im Hinblick auf die langwierigen und wiederholenden Bestellungsverfahren bei streitigen Informationsansprüchen das Gebot des effektiven Rechtsschutzes verletzt. Dies gilt insbesondere für Verfahren nach den §§ 51a, b GmbHG, bei denen es faktisch keinen Instanzenzug im ordentlichen Informationsverfahren gebe. Damit könne der Vorzug des Schiedsverfahrens, langwierige Instanzenzüge zu ersparen, nicht zum Tragen kommen.

 

Praxishinweis | OLG Celle 9 W 87/22

Es bleibt abzuwarten, wie die DIS auf die Entscheidung des OLG Celle reagiert. Vorstellbar wäre einerseits die Aufnahme eines klarstellenden Passus in ihrer Musterklausel, andererseits aber auch, dass Informationsverfahren nach den §§ 51a ff. GmbHG mit Blick auf die rechtsstaatlichen Bedenken des Gerichts ausdrücklich ausgenommen werden. Betroffene Gesellschaften stehen vor der Herausforderung, dass stets eine Abwägung nötig ist, welche Zuständigkeit für die jeweilige Streitigkeit vereinbart ist. In Reaktion auf die Entscheidung des Gerichts ist es ratsam, Streitigkeiten über Einsichts- und Auskunftsrechte im Rahmen der Verwendung der DIS-Musterklausel ausdrücklich auszunehmen, um Nichtigkeitsrisiken zu vermeiden (Groh, GmbHR 2023, 486).