BFH IX R 11/21
Privates Veräußerungsgeschäft nach trennungsbedingtem Auszug eines Ehepartners

26.01.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BFH
14.02.2023
IX R 11/21
juris

Leitsatz | BFH IX R 11/21

  1. Eine (willentliche) Veräußerung i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG kann auch dann vor- liegen, wenn der Ehegatte seinen Miteigentumsanteil an dem im Miteigentum beider Ehepartner stehenden Einfamilienhaus vor dem Hintergrund der drohenden Zwangsvollstreckung im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung (entgeltlich) auf seinen geschiedenen Ehepartner innerhalb der Haltefrist überträgt.
  2. Der Ehegatte nutzt seinen Miteigentumsanteil nach dem Auszug aus dem Familienheim nicht mehr zu eigenen Wohnzwecken i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG, wenn der geschiedene Ehepartner und das gemeinsame minderjährige Kind weiterhin dort wohnen.

 

Sachverhalt | BFH IX R 11/21

Der Kläger und seine ehemalige Ehefrau hatten im Jahr 2008 ein, mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück, zu jeweils hälftigem Miteigentum gekauft. In der Folgezeit bewohnten sie das Haus gemeinsam mit ihrem Sohn. 2015 zog der Kläger aus dem Haus aus, die Ehe wurde 2017 geschieden. Nachdem die geschiedene Ehefrau dem Kläger die Zwangsversteigerung angedroht hatte, veräußerte der Kläger ihr seinen hälftigen Miteigentumsanteil und erzielte unstreitig einen Veräußerungsgewinn.

In der Einkommensteuererklärung 2017 behandelte der Kläger den Veräußerungsgewinn als steuerfrei. Das beklagte Finanzamt setzte hingegen Steuer fest, da es ein privates Veräußerungsgeschäft nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG annahm. Nach der Trennung habe keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG vorgelegen. Auch hätte keine alleinige Wohnnutzung des hälftigen Miteigentumsanteils des Klägers durch dessen minderjährigen Sohn vorgelegen, die dem Kläger zuzurechnen wäre. Schließlich habe sich der Kläger nicht in einer, den Veräußerungstatbestand ausschließenden, Zwangslage befunden. Vielmehr sei von einer "wirtschaftlichen Betätigung" auszugehen. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.

 

Entscheidung | BFH IX R 11/21

Der Kläger hat im Jahr 2017 den Tatbestand der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gem. § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG verwirklicht. Sonstige Einkünfte i.S.d. § 23 EStG umfassen auch Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, wenn zwischen der Anschaffung und der Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre liegen. Unstreitig ist dieser Zeitraum von 2008 bis 2017 nicht erfüllt. Die Anschaffung und die Veräußerung müssen wesentlich von Willen des Steuerpflichtigen abhängen und Ausdruck einer wirtschaftlichen Betätigung sein. Ob ein Veräußerungsgeschäft unter willens ausschließendem Zwang geschlossen wurde, ist Tatfrage und daher von den Feststellungen des FG abhängig. Eine den Veräußerungstatbestand ausschließende Zwangslage habe nach Ansicht des FG nicht vorgelegen, da der Kläger die Scheidungsfolgenvereinbarung nach Einholung steuerlicher Beratung selbst abgeschlossen hat. Er hat einen angemessenen Preis erzielt und einen mit der Zwangsversteigerung einhergehenden wirtschaftlichen Schaden abgewendet. Somit lag eine wirtschaftliche Betätigung vor. Dies hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand, da die Vorinstanz von zutreffenden Kriterien ausgegangen ist und alle maßgeblichen Beweisanzeichen sinnvoll und vollständig in die Gesamtwürdigung einbezogen hat. Schließlich lag auch ein willentliches Handeln des Klägers vor. Ob er sich dabei in einer wirtschaftlichen oder emotionalen Zwangssituation befand, ist grundsätzlich ohne Bedeutung. Neues tatsächliches Vorbringen kann im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden.

Der Befreiungstatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ist nicht einschlägig. Da der Kläger bereits im Jahr 2015 aus dem Haus ausgezogen ist, hat er nicht während der gesamten Zeit oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Zwar ist die Nutzung der Wohnung durch sein Kind dem Eigentümer als eigene zuzurechnen, wenn er das Haus dem Kind im Rahmen seiner unterhaltsrechtlichen Verpflichtung überlässt. Denn in diesem Fall muss er für die Unterbringung des Kindes sorgen. Allerdings liegt keine begünstige Nutzung zu eigenen Wohnzwecken vor, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung nicht ausschließlich einem einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kind unentgeltlich überlässt, sondern auch einem Dritten. Im vorliegenden Fall kommt eine alleinige Nutzung durch den neunjährigen Sohn nicht in Betracht. Nach dem Auszug habe der Sohn vielmehr mit der Mutter zusammengewohnt. Unbeachtlich ist dabei, dass die Mutter auch einen eigenen Miteigentumsanteil besaß, denn sie bewohnte das gesamte Wohnhaus über ihren eigenen Miteigentumsanteil hinaus.

 

Praxishinweis | BFH IX R 11/21

Das Gericht hat vorliegend zwar klargestellt, dass die Nutzung des Hauses durch ein Kind dem Eigentümer als eigene zugerechnet werden kann, wenn er das Haus dem Kind im Rahmen seiner unterhaltsrechtlichen Verpflichtung überlässt. Allerdings liegt eine steuerrechtliche Befreiung nicht vor, wenn noch eine weitere Person das Haus mitbewohnt.