LG Frankfurt a. M. 3-05 O 154/16
Nichtigkeit eines Beschlusses über vollständige Gewinnthesaurierung

04.05.2018

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

LG Frankfurt a. M.
15.12.2016
3-05 O 154/16
juris

Leitsatz | LG Frankfurt a. M. 3-05 O 154/16

1. Ein Beschluss, der eine vollständige Thesaurierung des Bilanzgewinns vorsieht, wird dem Grundsatz, dass den Aktionären bei ausreichendem Bilanzgewinn ein Anspruch auf Dividende zusteht nicht gerecht und ist daher gemäß § 254 Abs. 1 AktG anfechtbar.

2. Die künftig bei Banken geforderte höhere Eigenkapitalquote (Basel IV) kann nicht genügen, um die zwingende gesetzliche Regelung des § 254 AktG zur Mindestdividende außer Kraft zu setzen.

3. Der Schutz des Dividendenanspruchs der Aktionäre ist in § 254 Abs. 1 AktG nur schwach ausgeprägt. Der Gesetzgeber gibt in dieser Norm aber zu verstehen, dass wenigstens eine Mindestdividende von 4 Prozent regelmäßig den Mindestertrag darstellen sollte, welcher an die Aktionäre zu verteilen ist. Würde diese Mindestrendite nunmehr noch unter den Irrtumsvorbehalt des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG (business judgement rule) gestellt, bestünde die Gefahr, dass der gesetzliche Minimalschutz vollends leer liefe und eine Rechtsdurchsetzung der Aktionäre nahezu ausgeschlossen wäre.

Sachverhalt | LG Frankfurt a. M. 3-05 O 154/16

In einer Hauptversammlung der beklagten AG wurde der Beschluss gefasst, den Gewinn des Geschäftsjahrs 2015 vollständig zu thesaurieren und auf neue Rechnung vorzutragen. Gegen diesen Beschluss erhoben die Kläger, Aktionäre, Anfechtungsklage gem. § 254 AktG.

Entscheidung | LG Frankfurt a. M. 3-05 O 154/16

Das LG Frankfurt a. M. erklärte den Hauptversammlungsbeschluss über die vollständige Gewinnthesaurierung der AG für nichtig. § 254 AktG solle dem Aktionär eine Mindestdividende von 4 % sichern, falls nicht Gesetz, die Satzung oder die wirtschaftliche und finanzielle Lage der Gesellschaft eine Erhöhung der Rücklage zu Lasten der Ausschüttung und damit eine Unterschreitung des Mindestsatzes fordern. Im vorliegenden Fall sei nicht ersichtlich, warum die Mindestdividende nicht ausgeschüttet werden könne. Weder die künftig bei Banken geforderte höhere Eigenkapitalquote (Basel IV) noch die von der EZB geforderte konservative Ausschüttungspolitik zur Stärkung der Eigenkapitalquote könne den gefassten Beschluss rechtfertigen, denn er sei im Hinblick auf das Dividendeninteresse der Gesellschafter unverhältnismäßig. Außerdem hätte bei Wegfall der Dividendenausschüttung auf die Reduzierung der Vorstandsvergütung nach § 87 Abs. 2 AktG hingewirkt werden müssen. Die Vorstandsvergütung blieb hier jedoch unangetastet. Auch § 93 Abs. 1 S. 2 AktG führe nicht zur Vertretbarkeit des Beschlusses. Bei den 4 % handele es sich bereits um eine nicht hohe Mindestdividende. Dieser gesetzliche Minimalschutz müsse außer in den oben genannten Ausnahmefällen zwingend gewährleistet werden.

Praxishinweis | LG Frankfurt a. M. 3-05 O 154/16

Es sollte bereits bei Abfassung der Satzung mit den Beteiligten diskutiert werden, wie die Gewinnverwendung aussehen soll. Dies wird häufig zu wenig thematisiert. Stetige Thesaurierung kann in der Anfangsphase der Gesellschaft sinnvoll sein, kann aber später auch dazu benutzt werden, einzelne Gesellschafter „auszuhungern“.