OLG Hamburg 2 W 30/21
Nachlassgerichtliche Genehmigung einer Wohnungsveräußerung

20.03.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Hamburg
28.04.2021
2 W 30/21
ZErb 2022, 399

Leitsatz | OLG Hamburg 2 W 30/21

Die Veräußerung einer zum Nachlass gehörenden Wohnung durch den Nachlasspfleger ist genehmigungsfähig, wenn weitere Preissteigerungen für Eigentumswohnungen in Hamburg nicht sicher prognostiziert werden können, die laufenden Kosten der unvermieteten Wohnung höher sind als die Nachteile, die dadurch entstehen, dass eine Anlage des Veräußerungserlöses nur unterhalb der Inflationsrate möglich ist und eine Sanierung und Vermietung der Wohnung den Nachlass mit hohen weiteren Kosten belasten sowie die spätere Veräußerbarkeit der (dann vermieteten) Wohnung einschränken würde.

Sachverhalt | OLG Hamburg 2 W 30/21

Am 22.01.2020 richtete das Amtsgericht Hamburg-Blankenese für die unbekannten Erben der Erblasserin eine Nachlasspflegschaft mit dem Beteiligten 2 als Nachlasspfleger und dem Wirkungskreis Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie Ermittlung der Erben ein. Ergänzend richtete es am 30.03.2020 eine Verfahrenspflegschaft u.a. zur Vertretung der unbekannten Erben im Verfahren der nachlassgerichtlichen Genehmigung ein. Zum Verfahrenspfleger bestellte es den Beschwerdeführer.

Zum Nachlass gehören u.a. zwei Eigentumswohnungen im Niflandring in Hamburg Rissen. Eine dieser Wohnungen ist vermietet und trägt sich selbst. Die andere Wohnung wurde von der Erblasserin bewohnt und steht nun leer. Es fallen monatlich laufende Kosten i.H.v. 570 € an. Die Erbenermittlung dauert noch an, ein Zeitpunkt für den Abschluss ist nicht in Sicht.

Der Nachlasspfleger beantragt ggü. dem Nachlassgericht die Genehmigung für den Verkauf der nicht vermieteten Wohnung. Durch den Verkauf könne zum einen der monatlich eintretende Verlust vermieden werden, zum anderen sei wegen der Corona-Krise ein Rückgang der Immobilienpreise zu erwarten. Da der Erlös unter 500.000 € liegen müsste, dürften hierauf bei einer Bankanlage keine Negativzinsen zu leisten sein. Zudem sei eine Komplettrenovierung der Wohnung einschließlich Malerarbeiten, Elektriküberprüfung und neuer Fenster zwingend erforderlich. Am 15.01.2021 wurde dem Nachlassgericht von einem Notar ein Kaufvertrag über die Wohnungsveräußerung zu einem Preis von 311.000 € vorgelegt. Der Vertrag legt den Käufern die Renovierungsbedürftigkeit der Wohnung offen.

Das Nachlassgericht genehmigte am 25.01.2021 den Wohnungsverkauf. Hiergegen richtete der Verfahrenspfleger eine Beschwerde am 02.02.2021. Ein Preisverfall sei nicht zu erwarten, eher eine Preissteigerung. Der Nachlass verfüge über ausreichend Mittel, sodass die Entwicklung bis zum Ende der Corona-Krise abgewartet werden könne. Zudem müsste der Erlös mit Negativzinsen angelegt werden.

Entscheidung | OLG Hamburg 2 W 30/21

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die Veräußerung entspricht den Interessen der unbekannten Erben und ist daher vom Nachlassgericht gem. §§ 1821 Abs. 1 Nr. 1, 1915, 1962 BGB zu Recht genehmigt worden.

Maßstab für die Genehmigung ist, inwiefern das Handeln des Nachlasspflegers wirtschaftlich und damit im Interesse der unbekannten Erben ist. Die Entscheidung über die Erteilung der Genehmigung steht im Ermessen des Gerichts, welches eine Gesamtabwägung aller Vor- und Nachteile sowie der Risiken vorzunehmen hat und ausschließlich das Wohl und die Interessen der unbekannten Erben zu berücksichtigen hat. Das Gericht soll dabei nicht nur bei einer etwaigen Pflichtwidrigkeit des Pflegers eingreifen, sondern auch Erwägungen der Zweckmäßigkeit und Nützlichkeit anstellen.

Hieran gemessen, ist das Geschäft zu genehmigen. Zwar ist ein Preisverfall auf dem Immobilienmarkt trotz der nunmehr über ein Jahr andauernden Corona-Krise nicht eingetreten. Ebenso wenig ist aber eine verlässliche Preissteigerung anzunehmen. Zwar weist der Bericht des Gutachterausschusses für das Jahr 2020 einen Anstieg der Preise für Eigentumswohnungen in Hamburg von 13 % aus. Allerdings gibt es auch Stimmen, die eine Stagnation bzw. sogar einen Rückgang der Immobilienpreise prognostizieren. Die weitere Entwicklung der Hamburger Immobilienpreise ist daher unsicher und kann für sich genommen weder einen Verkauf noch ein Halten der Wohnung rechtfertigen.

Zutreffend ist die Erwägung des Verfahrenspflegers, dass ein Verkaufserlös unter Berücksichtigung der Inflationsrate real nicht gewinnbringend angelegt werden kann. Es ergibt sich vielmehr ein realer Verlust von jährlich etwa 1 %, also rund 3.000 €. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass die Wohnung im unvermieteten Zustand jährliche Kosten von 6.000 € verursacht, die ihrerseits inflationsbedingt steigen werden. Aus Sicht der unbekannten Erben erweist sich daher der Verkauf günstiger als ein Halten der Wohnung im unvermieteten Zustand. Nur bei einer Vermietung dürfte eine wirtschaftlich gewinnbringende Situation eintreten. Für eine Vermietung müsste aber zunächst der bestehende Sanierungsstau aufgelöst werden, was erhebliche weitere Kosten für den Nachlass zur Folge hätte, die den jährlichen Verlust um ein Vielfaches überschreiten würden. Eine vermietete Wohnung kann zudem später nur unter erschwerten Bedingungen veräußert werden. Insgesamt betrachtet entspricht es daher den Interessen der unbekannten Erben, die Veräußerung der Wohnung zu genehmigen.

Praxishinweis | OLG Hamburg 2 W 30/21

Für die nachlassgerichtliche Genehmigung einer Wohnungsveräußerung hat das Gericht eine Gesamtabwägung aller Vor- und Nachteile sowie Risiken vorzunehmen und Erwägungen hinsichtlich der Zweckmäßigkeit und Nützlichkeit anzustellen. Dabei sind allein die Interessen des Erben relevant.

Für eine solche Abwägung ist eine mögliche Preissteigerung bzw. ein Verlust zu begutachten und die laufenden Kosten mit den Nachteilen zu vergleichen, die durch eine Anlage des Veräußerungserlöses unterhalb der Inflationsrate entstehen. Auch eine etwaige Sanierung sowie die eingeschränkte Veräußerungsmöglichkeit durch Vermietung sind zu beachten.