BGH V ZB 64/21
Löschung eines Eigentümerwohnungsrechts in der Insolvenz

10.11.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
02.03.2023
V ZB 64/21
bundesgerichthof

Leitsatz | BGH V ZB 64/21

  1. Sind Grundstückseigentümer und Wohnungsberechtigter personenidentisch, sei es durch eine anfängliche Bestellung des Wohnungsrechts als Eigentümerrecht, sei es durch eine nachträgliche (Wieder-)Vereinigung von Wohnungsrecht und Eigentum in einer Person (§ 889 BGB), muss sich der Wohnungsberechtigte für die Pfändung so behandeln lassen, als habe er es gestattet, die Ausübung des Wohnungsrechts einem anderen zu überlassen; infolgedessen ist ein Eigentümerwohnungsrecht stets pfändbar (Fortführung von Senat, Urteil vom 11. März 1964 - V ZR 78/62, NJW 1964, 1226, insoweit in BGHZ 41, 209 nicht abgedruckt).
  2. Aufgrund der Pfändbarkeit fällt das Eigentümerwohnungsrecht bei Insolvenz des wohnungsberechtigten Grundstückseigentümers in die Insolvenzmasse. Der Insolvenzverwalter ist befugt, im Rahmen der Verwertung die Löschung des Wohnungsrechts zu bewilligen.

 

Sachverhalt | BGH V ZB 64/21

Der Beteiligte zu 1 war Eigentümer eines Grundstücks, welches er nach Gründung einer GbR mit dem Beteiligten zu 2 in die GbR als Einlage einbrachte. Davor hatte er an dem Gebäude auf dem Grundstück ein Wohnungsrecht zu seinen Gunsten bewilligt. Es bestand die Auflage, dass das Wohnungsrecht keinen Dritten überlassen werden durfte. In das Grundbuch wurde 2006 die GbR als Eigentümerin des Grundstücks und das Wohnungsrecht zugunsten des Beteiligten zu 1 eingetragen. 2009 wurde über das Vermögen des Beteiligten zu 1 das Insolvenzverfahren eröffnet. In dessen Verlauf wurde u.a. die GbR von dem Insolvenzverwalter in Rückgewähr genommen und der Beteiligte zu 1 wieder als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Außerdem wurde das Wohnungsrecht gelöscht, wogegen sich der Beteiligte zu 1 mit seiner Beschwerde richtet.

Entscheidung | BGH V ZB 64/21

Die Beschwerde ist unbegründet. Voraussetzung für die Eintragung eines Widerspruchs gegen die Löschung des Wohnungsrechts ist eine Eintragung, durch die das Grundbuch unrichtig geworden ist. Im vorliegenden Fall war der Insolvenzverwalter aber nach § 19 GBO dazu befugt, die Löschung des Wohnungsrechts zu bewilligen.

Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht die Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse auf den Insolvenzverwalter über, § 80 Abs. 1 InsO. Grundsätzlich gilt dies jedoch nicht für Vermögen, welches nicht der Zwangsvollstreckung unterliegt. Da beschränkt persönliche Dienstbarkeiten und auch das Wohnungsrecht nicht übertragbar und daher nicht pfändbar sind, unterliegen sie nicht der Zwangsvollstreckung und gehören daher in der Regel auch nicht der Insolvenzmasse an.

Trotzdem fällt im vorliegenden Fall das Wohnungsrecht des Beteiligten zu 1 in die Insolvenzmasse. Denn nach Ansicht des Senats ist die beschränkt persönliche Dienstbarkeit dann pfändbar, wenn der Eigentümer eines Grundstücks und der Berechtigte der Dienstbarkeit personenidentisch sind. In diesem Fall ist davon auszugehen, dass die Übertragung für die Pfändung auf einen anderen gestattet wird.

Der Gesetzgeber geht für das Wohnungsrecht in § 1093 Abs. 1 S. 1 BGB davon aus, dass Eigentümer und Berechtigter personenverschieden sind. Allerdings ist ein Ausschluss von dinglichen Rechten an Grundstücken dem Gesetz fremd und auch die Bestellung eines Wohnungsrechts am eigenen Grundstück ist möglich. Hierfür spricht, dass die Personenidentität durch eine Übertragung des Eigentums beseitigt werden kann. Im Hinblick auf eine solche Eigentumsübertragung kann demnach ein berechtigtes Interesse an der Bestellung eines Wohnungsrechts bestehen.

Trotz allem ist ein Wohnungsrecht am eigenen Grundstück nicht mit einem Fremdrecht gleichzusetzen. Das gesetzliche Leitbild geht von einer Personenverschiedenheit aus, die auch § 1092 Abs. 1 BGB zugrunde liegt, der zum Ausschluss der Pfändung führt. Sinn und Zweck des Pfändungsausschlusses ist der Schutz des Eigentümers. Des Gesetzgebers wollte durch die Norm ausschließen, dass der Berechtigte ohne Mitwirkung des Eigentümers ausgetauscht werden kann. Darin wird deutlich, dass der Ausschluss der Pfändbarkeit ein Fremdrecht voraussetzt. Da Wohnungsrechte an eigenen Grundstücken nur aus Gründen der Praktikabilität zulässig sind, ist § 1092 Abs 1 BGB für sie teleologisch zu reduzieren ist. Wäre ein Eigentümerwohnungsrecht unpfändbar, könnte dies die Grundstücksverwertung erschweren und die Gläubiger benachteiligen Der Besitzer eines Eigentümerwohnungsrecht muss sich daher so behandeln lassen, als hätte er die Ausübung gem. § 1092 Abs. 1 S. 2 BGB einem anderen gestattet.

Für die Pfändbarkeit kommt es nicht auf die Entstehung des Eigentümerwohnungsrecht an. Folglich ist es irrelevant, ob das Wohnungsrecht von Anfang an als Eigentümerwohnungsrecht bestellt wird oder ob es nachträglich zu einer Vereinigung von Wohnungsrecht und Eigentum in einer Person kommt. Das Recht ist stets pfändbar und unterfällt der Insolvenzmasse. Da die Überlassung der Ausübung des Wohnungsrechts wie oben erläutert an einen anderen gestattet ist, führt dies zur Pfändbarkeit des dinglichen Rechts selbst. Damit fällt das Wohnungsrecht in die Insolvenzmasse, der Insolvenzverwalter kann im Rahmen der Insolvenzverwaltung auch die Löschung des Wohnungsrechts bewilligen. Einer Mitwirkung des Beteiligten zu 1 bedarf es in diesem Fall nicht.

 

Praxishinweis | BGH V ZB 64/21

Auch wenn das Wohnungsrecht grundsätzlich nicht Teil der Insolvenzmasse ist, bejaht dies der BGH im vorliegenden Urteil für den Fall, dass der Eigentümer eines Grundstücks und der Berechtigte der Dienstbarkeit personenidentisch sind. Zwar sind Wohnungsrechte an eigenen Grundstücken aus Gründen der Praktikabilität zulässig, für sie ist § 1092 Abs 1 BGB aber teleologisch zu reduzieren und der Besitzer muss sich so behandeln lassen, als hätte er die Ausübung gem. § 1092 Abs. 1 S. 2 BGB einem anderen gestattet. Dies gilt, da dem Pfändungsausschluss der Grundsatz der Personenverschiedenheit zugrunde liegt. Ein Insolvenzverwalter kann daher auch ohne Mitwirkung des Eigentümers über das Eigentum verfügen.