KG 22 Wx 29/18
Löschung einer GmbH ohne Sperrjahr ist nur in engen Grenzen möglich

26.10.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

KG
22.07.2019
22 Wx 29/18
BeckRS 2019, 20310 = GWR 2020, 398 (Nentwig)

Leitsatz | KG 22 Wx 29/18

  1. Für die Löschung einer GmbH ist grundsätzlich ab der Veröffentlichung des Liquidationsbeschlusses das Sperrjahr gem. § 73 Abs. 1 GmbHG zu beachten.
  2. Eine sog. Blitzlöschung vor Ablauf des Sperrjahres ist in nur ganz engen Ausnahmefällen zulässig.
  3. Eine Löschung der GmbH ist grundsätzlich nur möglich, wenn das Besteuerungsverfahren hinsichtlich der GmbH abgeschlossen ist.
  4. Es reicht nicht aus, dass der Liquidator vor Ablauf des Sperrjahres versichert, dass die Gesellschaft vermögenslos ist.

Sachverhalt | KG 22 Wx 29/18

Der Liquidator einer GmbH meldete nicht nur die Auflösung der GmbH an und sich als Liquidator, sondern beantragte gleichzeitig, dass die Gesellschaft zu löschen sei. Er legte dar, dass die Gesellschaft vermögenslos sei. Nachdem das Handelsregister darauf verwies, dass zunächst ein Gläubigeraufruf erforderlich ist und sodann das Sperrjahr nach § 73 Abs. 1 GmbHG abzuwarten sei, versicherte der Liquidator, es sei kein Vermögen vorhanden, es seien keine Prozesse anhängig und mit der Verteilung des Vermögens sei noch nicht begonnen worden, da ein solches nicht vorhanden sei. Das Handelsregister verweigerte die Eintragung der Löschung der GmbH. Es verwies darüber hinaus darauf, dass es die Zustimmung des Finanzamtes für Körperschaften für erforderlich halte, da die Liquidation auf jeden Fall nur nach Abschluss des Besteuerungsverfahrens möglich sei. Die Anmeldung wurde zurückgewiesen.

Entscheidung | KG 22 Wx 29/18

Das Kammergericht folgt der Auffassung des Amtsgerichts und schließt sich hiermit einer mittlerweile überwiegenden Auffassung an, die schon vom Ansatz her eine sog. Blitzlöschung der GmbH vor Ablauf eines Sperrjahres grundsätzlich nicht für möglich hält (vgl. dazu ausf. OLG Jena v. 15.05.2019 - 2 W 159/19, NotBZ 2019, 391; OLG Celle v. 17.10.2018 – 9 W 80/18, ZIP 2018, 2222). Der Hinweis darauf, dass die Gesellschaft vermögenslos sei, rechtfertige keine Löschung, sondern zwinge notwendigenfalls die Liquidatoren zu einem Insolvenzantrag. Gerade dann, wenn noch offene Ansprüche gegen die Gesellschaft bestünden, käme eine Liquidation vor Ablauf des Sperrjahres nicht in Betracht. Ein offener Anspruch sei auch der des Finanzamtes. Der Antragsteller verkenne darüber hinaus, dass das GmbHG das sog. Sperrjahr gerade deswegen vorsehe, damit sich alle Gläubiger der Gesellschaft melden können.

Praxishinweis | KG 22 Wx 29/18

Der Entscheidung des Kammergerichts ist ebenso wie der Entscheidung des OLG Celle (v. 17.10.2018 – 9 W 80/18, ZIP 2018, 2222) in vollem Umfang zuzustimmen. Die seit langem bestehende gegenteilige Auffassung des OLG Köln (v. 05.11.2004 - 2 Wx 33/04, DNotZ 2005, 314) vermag nicht zu überzeugen. Der Gesetzgeber hat bewusst bei der Liquidation einen Gläubigeraufruf und ein sog. Sperrjahr vorgesehen. Wenn nun die Gesellschaft vor Ablauf gelöscht werden will, muss sie ggf. das Verfahren der Amtslöschung wählen. Die Handelsregister wollen dies gern vermeiden und haben sich dem Verfahren einer sog. Blitzlöschung gegenüber offen gezeigt. Das Verfahren ist aber vom Gesetzgeber unter den dort genannten Voraussetzungen eröffnet und auf Antrag kann eine derartige Blitzlöschung außerhalb des amtswegigen Verfahrens nicht erfolgen. Leider hatte der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs auf die Entscheidung des OLG Celle keine Gelegenheit, zu der Problematik Stellung zu nehmen, da dort die vom OLG Celle eröffnete weitere Beschwerde vom nicht postulationsfähigen Anwaltsnotar eingelegt worden war. Die Auffassung des Kammergerichts – so wie auch des OLG Celle (v. 17.10.2018 – 9 W 80/18, ZIP 2018, 2222) und weiterer Oberlandesgerichte – wird in der Praxis dazu führen, dass sog. Blitzlöschungen von den Registergerichten nicht mehr akzeptiert werden. Der Weg am Sperrjahr vorbei ist grundsätzlich nicht eröffnet. Dies bedeutet allerdings für die Beteiligten, dass sie z.B. in dem Fall, dass sie im Jahr 2020 die Liquidation beschließen, noch die Bilanz für das Jahr 2019, die für das Jahr 2020 und für das Rumpfgeschäftsjahr 2021 erstellen müssen. Ein Weg daran vorbei ist nun nicht mehr eröffnet. Als Alternative kommt allerdings in Betracht, dass die Gesellschaft noch in diesem Jahr unter Ausnutzung der verlängerten Fristen des Umwandlungsgesetzes und des Umwandlungssteuergesetzes rückwirkend auf den 31.12.2019 verschmolzen wird. Diese Option sollte allerdings nur dann genutzt werden, wenn keine Risiken mehr in dem zu liquidierenden Unternehmen vorhanden sind, da ansonsten diese Verbindlichkeiten und Haftungsansprüche auf den Zielrechtsträger (ggf. bei einer Verschmelzung nach §§ 122 ff. UmwG auf den Alleingesellschafter) übergehen würden. Derzeit wird von diesem Verschmelzungsverfahren häufig Gebrauch gemacht, da sich herausstellt, dass viele Gesellschaften nur Kosten produzieren, aber für die Gesellschafter ohne Nutzen sind. Krisenzeiten sind auch solche Zeiten, in denen die Gesellschaftsstruktur verschlankt wird, und dies kann insbesondere über Verschmelzungsverfahren erreicht werden.