KG 9 U 1098/20
Keine Notarhaftung gegenüber der GmbH bei fehlerhaftem Einreichen einer Gesellschafterliste

21.12.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

KG
28.06.2022
9 U 1098/20
NJOZ 2022, 1142

Leitsatz | KG 9 U 1098/20

  1. Eine Notarhaftung wegen einer Verletzung der Amtspflichten aus § 40 Abs. 2 S. 1 GmbHG gegenüber der GmbH ist nicht gegeben. Die Amtspflicht des § 40 Abs. 2 S. 1 GmbHG besteht nicht gegenüber der GmbH.
  2. Nach § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 ZPO muss eine Berufungsbegründung konkrete Anhaltspunkte bezeichnen, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen in dem angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt.
  3. Beschwerdefähig ist jede Amtsweigerung des Notars, auch ein bloßes Unterlassen einer Amtshandlung.
  4. Die Verschwiegenheitspflicht des Notars dient allein dem Schutz der Beteiligten, die der Notar betreut hat. Die Schweigepflicht tritt jedoch hinter die Pflicht zurück, dem Unrecht zu wehren. Ein Notar muss deshalb ein unter seine Schweigepflicht fallendes Wissen preisgeben, wenn er dadurch strafbare Handlungen verhindern kann.

Sachverhalt | KG 9 U 1098/20

Der beklagte Notar beurkundete die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer GmbH, die die Einziehung eines Gesellschaftsanteils enthielten. Obwohl er Zweifel an der Wirksamkeit der von ihm beurkundeten Beschlüsse und den sich hieraus ergebenden Veränderungen im Bestand der Gesellschafter hatte, reichte er eine neue Gesellschafterliste zum Handelsregister ein.

Die GmbH klagte auf Feststellung, dass der Notar ihr für alle Schäden Ersatz zu leisten habe, die ihr aus der Einreichung und/oder der Handelsregisteraufnahme der Gesellschafterliste entstanden sind oder noch entstehen werden.

Entscheidung | KG 9 U 1098/20

Die form- und fristgerecht eingereichte Berufung blieb erfolglos. Das KG stellte fest, dass die Berufung teilweise unzulässig und teilweise unbegründet war. Das KG setzt sich ausführlich mit der – unzureichenden - Begründung der Berufung auseinander. Im Übrigen sei die Berufung der Klägerin, soweit sie Ansprüche gegen den Notar verfolge, unbegründet, denn es stünden ihr keine Ansprüche gegen den Beklagten aus der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 19 Abs. 1 BNotO zu.

Verletze ein Notar vorsätzlich oder fahrlässig eine ihm anderen gegenüber obliegende Amtspflicht, so habe er nach § 19 Abs. 1 BNotO den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Das KG bejaht zwar, dass ein Notar seine Amtspflicht schuldhaft verletze, wenn er eine Gesellschafterliste nach § 40 Abs. 2 S.1 GmbHG zum Handelsregister einreiche, obwohl er Zweifel an der Wirksamkeit der von ihm beurkundeten Beschlüsse und den sich hieraus ergebenden Veränderungen im Bestand der Gesellschafter habe. Er dürfe die aktualisierte Gesellschafterliste erst einreichen, wenn er sich vom Eintritt der Veränderungen sicher überzeugt habe. Dies begründe aber keine Schadensersatzverpflichtung gegenüber der Gesellschaft, denn die durch den Notar verletzte Amtspflicht aus § 40 Abs. 2 S. 1 GmbHG obliege dem Notar nicht gegenüber der Gesellschaft und diene auch deren ihrem Schutz.

Das KG begründet dies mit einer gesetzessystematischen Auslegung mit Blick auf die Haftungsnorm des § 40 Abs. 3 GmbHG, die den Schutzzweck der Vorschrift verdeutliche. Nach dieser Vorschrift hafteten die Geschäftsführer, die die ihnen nach Abs. 1 obliegende Pflicht verletzen, denjenigen, deren Beteiligung sich geändert habe, und den Gläubigern der Gesellschaft für den daraus entstandenen Schaden. Da aus einer Verletzung der Pflicht nach Abs. 1 nur denjenigen, deren Beteiligung sich geändert habe, und den Gläubigern gegenüber gehaftet werde, seien auch nur diese Personen in den Schutzkreis der Pflicht einbezogen. Die Gesellschaft sei gerade nicht genannt. Im Umkehrschluss sei daher zu folgern, dass weder ihr gegenüber gehaftet werde noch sie in den Schutzkreis einbezogen sei. Gleiches gelte für den Notar, dessen Haftung sich hier aus § 19 Abs. 1 BNotO ergebe.

Das KG führt weiter aus, dass diese Schutzzielrichtung auch Niederschlag in den Gesetzesmaterialien gefunden habe. § 40 Abs. 2 S. 1 GmbHG sei durch das MoMiG eingeführt worden, das als Ziel gehabt habe, die Attraktivität der GmbH als Rechtsform im Europäischen Vergleich zu erhöhen und ihr internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verleihen. Durch die Einfügung des § 40 Abs. 2 GmbHG hätte das Verfahren besonders einfach und unbürokratisch gestaltet werden sollen und insbesondere ermöglicht werden, dass die Änderung der Gesellschafterliste während der Abtretungsbeurkundung gleich miterledigt werden könne.

Die Gesellschaft selbst benötige auch keines Schutzes durch die Pflichten nach § 40 Abs. 1 und 2 GmbHG noch einer Haftung ihr gegenüber aus der Verletzung dieser Pflichten. Der GmbH sei der Bestand ihrer Gesellschafter stets umfassend bekannt und sie sei zur Fehlerbehebung befähigt. Sie könne jederzeit eine Berichtigung der Liste veranlassen, eine berichtigte Liste selbst einreichen oder einreichen lassen. Auf Grund ihrer eigenen Kenntnisse über ihren Bestand sei sie auch nicht schutzbedürftig in dem Vertrauen auf die Richtigkeit einer beim Handelsregister eingereichten Liste.

Praxishinweis | KG 9 U 1098/20

Es ist festzuhalten, dass der Schadensersatzanspruch aus § 19 Abs. 1 S. 1 BNotO auch deswegen ausgeschlossen war, weil die Gesellschaft keine Notarbeschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO erhoben hatte. § 19 Abs. 1 S. 3 BNotO i.V.m. § 839 Abs. 3 BGB regelt, dass wenn es der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlässt, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsbehelfs abzuwenden, keine Ersatzpflicht eintrete. Im zu entscheidenden Fall ist der richtige Rechtsbehelf die Notarbeschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO. Hiermit kann ein Notar angewiesen werden, die Einreichung der Gesellschafterliste zu unterlassen.