BFH II R 40/19
Keine freigebige Zuwendung bei sogenannter Bedarfsabfindung für den Scheidungsfall

06.07.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BFH
01.09.2021
II R 40/19
DStR 2022, 148

Leitsatz | BFH II R 40/19

Regeln zukünftige Eheleute die Rechtsfolgen ihrer Eheschließung umfassend individuell und sehen sie für den Fall der Beendigung der Ehe Zahlungen eines Ehepartners in einer bestimmten Höhe vor, die erst zum Zeitpunkt der Ehescheidung zu leisten sind („Bedarfsabfindung“), liegt keine freigebige Zuwendung vor.

Sachverhalt | BFH II R 40/19

In dem zwischen der Klägerin und ihrem früheren Ehemann geschlossenen notariell beurkundeten Ehevertrag wurde der Güterstand der Ehetrennung vereinbart. Außerdem wurde der gesetzliche Versorgungsausgleich zugunsten einer Kapitalversicherung mit Rentenwahlrecht ausgeschlossen und der nacheheliche Unterhalt begrenzt. Zudem wurde der Klägerin ein indexierter Zahlungsanspruch „im Falle der Scheidung“ eingeräumt, welcher bei einem Bestand der Ehe von vollen 15 Jahren einen bestimmten Betrag betragen und welcher sich bei Ablauf vor dieser Frist „pro rata temporis“ vermindern soll. Nachdem die Ehe der beiden nach ca. 16 Jahren geschieden wurde, zahlte der Ehemann der Klägerin zum 16.10.2014 einen Betrag von x Euro.

Am 14.09.2015 erließ das Finanzamt (Beklagter) einen Schenkungssteuerbescheid für die Zuwendung vom 16.10.2014, welcher den erhaltenen Betrag neben weiteren Vorschenkungen als freigebige Geldzuwendung erfasste. Mit Einspruchsentscheidung vom 25.10.2016 wies der Beklagte den hiergegen eingelegten Einspruch ab. Auch die von der Klägerin erhobene Klage wurde abgelehnt. Daraufhin legt die Klägerin Revision ein, mit welcher sie eine Verletzung von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG geltend macht.

Entscheidung | BFH II R 40/19

Die Revision der Klägerin ist begründet und hat mithin Erfolg, weshalb das FG-Urteil, die Einspruchsentscheidung und der Schenkungssteuerbescheid aufzuheben sind.

Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unterliegt der Steuer als Schenkung jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Eine Zuwendung erfolgt unentgeltlich, wenn auf den Erwerb des zugewendeten Gegenstandes kein Rechtsanspruch besteht und dieser auch nicht von einer den Erwerb ausgleichenden Gegenleistung des Erwerbers abhängig ist. Der subjektive Tatbestand der freigebigen Zuwendung sei erfüllt, wenn dem Leistenden bewusst ist, dass die Leistung ohne Verpflichtung und ohne rechtlichen Zusammenhang mit einer Gegenleistung oder einem Gemeinschaftszweck erbracht wird. Der subjektive Tatbestand entfalle auch, wenn der Zuwendende seine Leistung irrtümlich als entgeltlich ansieht.

Die Pauschalabfindung für einen (möglicherweise) künftig entstehenden Zugewinnausgleichsanspruch vor Eingehung der Ehe sei eine freigebige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Davon zu unterscheiden sei die „Bedarfsabfindung“. Dabei handelt es sich um eine Zahlung eines Ehepartners an den anderen in einer bestimmten Höhe, welche erst im Fall der Beendigung der Ehe geleistet werden soll und was durch die Eheleute individuell vereinbart wird. Die Vereinbarung wird dann im Falle der Beendigung der Ehe mit Zahlung des vereinbarten Betrages erfüllt. Sofern die Eheleute die gesamten Scheidungsfolgen nach Art eines Gesamtpakets regeln, können die jeweiligen Einzelleistungen nicht der Schenkungsbesteuerung unterworfen werden. Vielmehr würde bei einer solchen Besteuerung der Umstand verkannt, dass ein solcher Vertrag einen umfassenden Ausgleich aller Interessengegensätze anstrebe. Neben einer fehlenden Erfüllung des objektiven Tatbestands einer freigebigen Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, ist auch der subjektive Tatbestand nicht erfüllt. Der Ehemann habe nicht in dem Bewusstsein einer (objektiven) Unentgeltlichkeit seiner Zuwendung gehandelt.

Praxishinweis | BFH II R 40/19

Die Entscheidung des BFH hebt die relevante Unterscheidung zwischen der Pauschalabfindung, welche steuerbar ist, und der steuerfreien Bedarfsabfindung vor. Sollte eine steuerfreie Bedarfsabfindung gewollt sein, sollten die Ehepartner die Zahlung eines bestimmten Betrages deutlich an die Erfüllung einer aufschiebenden Bedingung, nämlich die Beendigung der Ehe, knüpfen. Durch den Vertrag muss somit deutlich werden, dass der eine Ehepartner die spätere Zahlung durchführt, um seinen Vertragsverpflichtungen nachzukommen und somit die Zahlung zur Erfüllung der Vereinbarung leistet. Als Gegenleistung der Zahlung werden verschiedene Leistungen des Ehegatten während der Ehezeit wie z.B. Haushaltsführung, Kindererziehung usw. angesehen.