KG 23 U 41/23
Kein Widerspruchseintrag gem. § 16 III 4 GmbHG bei Einziehung und Aufstockung der Geschäftsanteile

17.04.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

KG
28.06.2023
23 U 41/23
NZG 2023, 1560

Leitsatz | KG 23 U 41/23

  1. Amtlicher Leitsatz: Im Fall einer Einziehung und Aufstockung ist § 16 Abs. 3 S. 4 GmbHG nicht anwendbar.
  2. Redaktioneller Leitsatz: Ist die Einziehung von Geschäftsanteilen unwirksam, werden die verbleibenden Gesellschafter nicht im Umfang des aufgestockten Anteils zu Nichtberechtigten i.S.d. § 16 Abs. 3 GmbHG. Die Unrichtigkeit der Gesellschafterliste betrifft dann nicht die Berechtigung der verbleibenden Gesellschafter, sondern den Nennwert ihrer Anteile. Diese Angabe wird jedoch nicht von dem Gutglaubensschutz umfasst, der sich lediglich auf die Verfügungsbefugnis erstreckt.

Sachverhalt | KG 23 U 41/23

Im Januar 2020 beschloss die Gesellschafterversammlung der V-GmbH, die Geschäftsanteile des Verfügungsklägers einzuziehen und die verbleibenden Geschäftsanteile aufzustocken. Infolge der Einziehung wurde der Geschäftsteil des Verfügungsklägers aus der Gesellschafterliste entfernt. Der Verfügungskläger erachtet die Einziehung für unwirksam, weswegen die aktuelle Gesellschafterliste unrichtig sei, da sie seinen Geschäftsanteil nicht mehr ausweist. Daher begehrt er im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Zuordnung eines Widerspruches zur Gesellschafterliste gem. § 16 Abs. 3 S. 4 GmbHG.

Entscheidung | KG 23 U 41/23

Die Berufung vor dem KG Berlin hat keine Aussicht auf Erfolg. Das LG Berlin hat den Antrag zu Recht abgewiesen. Der Verfügungskläger hat keinen Anspruch auf Zuordnung eines Widerspruchs gem. § 16 Abs. 3 S. 4 GmbHG.

Sollte die Einziehung unwirksam sein, wäre die aktuelle Gesellschafterliste zwar unrichtig, da sie den Anteil des Verfügungsklägers nicht mehr berücksichtigt. Der Zweck des Widerspruchs gemäß § 16 Abs. 3 S. 4 bestehe jedoch darin, den rechtmäßigen Inhaber eines Geschäftsanteils vor dem gutgläubigen Erwerb desselben durch einen Dritten vom Nichtberechtigten zu schützen. Voraussetzung für einen Anspruch auf Eintragung des Widerspruchs sei somit die theoretische Gefahr eines solchen gutgläubigen Erwerbs. Selbst wenn gemäß § 16 Abs. 3 S. 5 GmbHG keine unmittelbare Gefahr bestehe, der Erwerb durch einen gutgläubigen Dritten also nicht unmittelbar bevorsteht, sehe das Gesetz den Widerspruch nur vor, sofern die grundsätzliche Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs besteht.

Dies sei vorliegend allerdings nicht der Fall.

Aufgrund des (wirksamen) Einziehungsbeschlusses sei der Geschäftsanteil des Klägers aus der Gesellschafterliste entfernt worden, was dazu geführt habe, dass der betroffene Anteil unterging und aufhörte zu existieren. Dem Geschäftsanteil sei kein neuer Inhaber zugewiesen worden. Dem Widerspruch fehle es also an einem Bezugsobjekt, da der Geschäftsanteil nicht mehr von der Gesellschafterliste ausgewiesen wird und es somit keinen anhand der Liste gutgläubig zu erwerbenden Anteil gebe. Mithin komme ein gutgläubiger Erwerb des Geschäftsanteils nicht in Betracht. An diesem Ergebnis ändere auch die Tatsache nichts, dass der Anteil durch die Aufstockung auf die übrigen Geschäftsanteile verteilt wurde. Der Beschluss über die Aufstockung bewirke nur die Korrektur der zuvor als Rechtsfolge der (wirksamen) Einziehung kraft Gesetzes eingetretenen Veränderung der Beteiligung am Stammkapital.

Im Falle einer unwirksamen Einziehung, bliebe der fortbestehende Anteil des Verfügungsklägers durch eine Veräußerung der Anteile der verbleibenden Gesellschafter unbeeinträchtigt.

Wenn sich die Einziehung als unwirksam erweise, werden die verbliebenen Gesellschafter aber nicht im Umfang des aufgestockten Anteils zu Nichtberechtigten. Die Unrichtigkeit der Gesellschafterliste betreffe dann nicht die Berechtigung der verbleibenden Gesellschafter, sondern den Nennwert ihrer Anteile. Diese Angabe falle hingegen nicht unter den Schutz des guten Glaubens, der sich lediglich auf die Verfügungsbefugnis erstrecke. Der Nennbetrag kennzeichne die Beteiligungshöhe und stellt etwas gänzlich anderes dar.

Zwar erkenne der Senat, dass für einen möglicher Erwerber der Nennwert der Anteile bedeutend ist (vgl. z.B. § 29 Abs. 3 und § 47 II GmbHG). Doch sei der gutgläubige Erwerb des § 16 Abs. 3 GmbHG als Ausnahmetatbestand restriktiv auszulegen und – entsprechend dem gesetzgeberischen Willen – auf die Fälle fehlender Verfügungsbefugnis zu beschränken.

Praxishinweis | KG 23 U 41/23

Durch den Beschluss hat der Senat des Kammergerichts Berlin seine frühere Rechtsprechung aufgegeben. Der Senat hat in seinem Beschluss klargestellt, dass im Falle einer Einziehung eines GmbH-Geschäftsanteils und der Aufstockung der verbleibenden Geschäftsanteile kein Anspruch auf Zuordnung eines Widerspruchs zur Gesellschafterliste besteht.

Es verbleibt für einen Gesellschafter, der von einer gegebenenfalls unwirksamen Einziehung seines Geschäftsanteils betroffen ist, die Möglichkeit (bei Vorliegen der sonstigen Erfordernisse) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Gesellschaft das Verbot zu erwirken, bei dem Registergericht eine neue Gesellschafterliste einzureichen, in der er nicht aufgeführt ist (BGH, NZG 2019, 979 Rn. 39).