OLG Düsseldorf 12 W 17/22
Kein Gesamtschaden bei existenzvernichtendem Eingriff einer treuhändisch gegründeten GmbH

11.09.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Düsseldorf
14.11.2022
12 W 17/22
NZI 2023, 80

Leitsatz | OLG Düsseldorf 12 W 17/22

  1. Allein die Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, bei der der Gesellschafter die Geschäftsanteile gegen ein Entgelt treuhänderisch für eine andere, nicht genannte Person hält, und auf deren Weisung einen Geschäftsführer einsetzt, dessen Qualifikation er nicht überprüft hat, stellt keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung zulasten der Gesellschaft oder (künftiger) Gesellschaftsgläubiger dar.
  2. § 6 V GmbHG enthält einen eigenen Haftungstatbestand für Auswahlverschulden der Gesellschafter, wenn diese vorsätzlich oder grob fahrlässig einer inhabilen Person (§ 6 II GmbHG) die Führung der Geschäfte überlassen. Abgesehen von § 6 V GmbHG haften die Gesellschafter – bis zur Grenze des § 826 BGB – auch nicht, wenn sie einen unzuverlässigen und/oder fachlich nicht geeigneten Geschäftsführer bestellen, dieser seine Leitungspflichten verletzt und der Gesellschaft hierdurch Schaden entstanden ist.
  3. Ein vom Insolvenzverwalter geltend zu machender Gesamtschaden iSd § 92 InsO setzt voraus, dass der Schaden auf einer Verkürzung der Insolvenzmasse beruht und der einzelne Gläubiger ausschließlich aufgrund seiner Gläubigerstellung und damit als Teil der Gesamtheit der Gläubiger geschädigt worden ist. Eine Gläubigerbenachteiligung durch Verkürzung der (potenziellen) Insolvenzmasse liegt bei der treuhänderischen Gründung einer GmbH für einen nicht genannten Treugeber nicht deshalb vor, weil im Insolvenzfall Haftungsansprüche gegen den „Hintermann“ erschwert oder verhindert werden.
  4. Ein der Gesellschaft zum Schadensersatz nach § 826 BGB verpflichtender existenzvernichtender Eingriff des Gesellschafters setzt den planmäßigen Entzug von Gesellschaftsvermögen zum eigenen Vorteil des Gesellschafters oder unmittelbar oder mittelbar zugunsten eines Dritten und die Verursachung oder Vertiefung der Insolvenz durch den Vermögensentzug voraus.

 

Sachverhalt | OLG Düsseldorf 12 W 17/22

Die Antragsgegnerin bietet Dienstleistungen derart an, dass aufgrund eines Treuhandvertrags eine Kapitalgesellschaft gegründet wird und die Geschäftsanteile treuhänderisch für den Treugeber gehalten werden. Hierfür erhält die Antragsgegnerin eine Vergütung. Die Antragsgegnerin war alleinige Gesellschafterin der R-GmbH. Der Antragsteller machte als Insolvenzverwalter der R-GmbH einen Anspruch auf Schadensersatz gem. § 826 BGB geltend. Er geht davon aus, dass die Antragsgegnerin sittenwidrig gehandelt habe, da es ihr allein darum ging, die Identität des eigentlich Handelnden zu verschleiern und so seine Haftung zu verhindern. Der Schaden würde in den fälligen und unbezahlten Forderungen gegen die R-GmbH bestehen. Auch sei der eingesetzte Geschäftsführer untauglich gewesen und habe lediglich auf Weisung des H gehandelt. H wiederum sei ein Hintermann der Antragsgegnerin und habe das Unternehmen als faktischer Geschäftsführer geleitet.

Das LG hat einen Antrag auf Prozesskostenhilfe abgewiesen, da ein Anspruch aus § 826 BGB nicht ersichtlich sei. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.

Entscheidung | OLG Düsseldorf 12 W 17/22

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das LG ist zutreffend davon ausgegangen, dass kein Gesamtschaden i.S.d. § 92 InsO ersichtlich ist. Dieser wäre ein Schaden, den der einzelne Gläubiger ausschließlich aufgrund seiner Gläubigerstellung und damit als Teil der Gesamtheit der Gläubiger erlitten hat. Das schädigende Verhalten muss durch die Verminderung der Insolvenzmasse zu einer geringeren Quote für die Gläubiger geführt haben.

Daher lag vorliegend bereits kein schädigendes Verhalten i.S.d. § 826 BGB vor. Zunächst wurde nicht dargelegt, inwieweit schädigendes Verhalten vorlag, dass zur Kürzung der Insolvenzmasse führte. Sowohl, dass jemand eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung gründet und dabei die Geschäftsanteile treuhänderisch für eine andere Person hält, als auch die Zahlung einer Vergütung hierfür, ist nicht unüblich und rechtlich unbedenklich.

Hinsichtlich der Einsetzung eines untauglichen Geschäftsführers besteht eine Haftungsgrundlage der Gesellschafter in § 6 V GmbHG. Demnach haften Gesellschafter, wenn sie vorsätzlich oder grob fahrlässig jemand ungeeigneten auswählen. Allerdings wurde weder hinsichtlich des eingesetzten Geschäftsführers noch des von dem Insolvenzverwalter behaupteten faktisch handelnden Geschäftsführer H dargelegt, dass sie allgemeine Anforderungen nicht erfüllt hätten oder Ausschlussgründe für sie vorgelegen hätten. Abgesehen von dieser Norm haften die Gesellschafter auch bei Auswahl eines fachlich nicht geeigneten Geschäftsführer und Entstehen eines Schadens durch diesen nicht. Auch ist nicht sittenwidrig, dass die Antragsgegnerin die Auswahl des Geschäftsführers dem Treugeber überlassen hat. Denn bei einer Treuhand ist es üblich, dass der Treuhänder die ihm als Gesellschafter nach außen zustehenden Rechte nur nach den Weisungen des Treugebers ausübt.

Des Weiteren liegt weder in der Gründung der GmbH noch in der Bestellung des Geschäftsführers eine Verkürzung der Insolvenzmasse. Zunächst stand der Schuldnerin das gesetzliche Haftungskapital zur Verfügung. Zwar kann die Gesellschaft grundsätzlich auch Ansprüche gegen den Geschäftsführer haben. Diese entstehen aber erst mit dem haftungsbegründenden Verhalten. Außerdem besteht bei künftigem Vermögen eine Verkürzung der Insolvenzmasse nur dann, wenn der Gläubiger bereits eine gesicherte Rechtsposition hatte. Eine ungesicherte Erwerbsaussicht reicht nicht. Auch hat ein Gläubiger keinen Anspruch darauf, dass ein solventer Geschäftsführer bestellt wird, der im Falle einer schuldhaften Pflichtverletzung oder Insolvenzverschleppung die Verkürzung der Insolvenzmassefinanziell ausgleichen kann. Selbst im Hinblick auf H ist zu beachten, dass Ansprüche gegen einen faktischen Geschäftsführer zwar möglich sind. Solange das Stammkapital aber eingezahlt wurde, können Gläubiger nicht davon ausgehen, dass für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft notfalls ein solventer Gesellschafter oder Geschäftsführer eintritt.

Schließlich liegt auch kein existenzvernichtender Eingriff i.S.d. § 826 BGB vor. Ein solcher wird angenommen, wenn die Gesellschafter der Gesellschaft sittenwidrig das Vermögen zur Schuldentilgung entziehen und so eine Insolvenz verursachen oder vertiefen. Hinsichtlich der Sittenwidrigkeit ist erforderlich, dass das Gesellschaftsvermögen zum eigenen Vorteil oder dem eines Dritten geschädigt wird. Allerdings wurde nicht hinreichend geltend gemacht, dass durch die „Verhinderung der Haftung der wahren Akteure“ Vermögen der Schuldnerin auf die Antragsgegner oder andere übertragen wurde.

 

Praxishinweis | OLG Düsseldorf 12 W 17/22

Treuhandverträge sind in der Praxis üblich und werden häufig genutzt, damit der Treugeber im Rechtsverkehr unerkannt bleiben kann. Um jedoch Geldwäsche zu vermeiden, wurden in den letzten Jahren die gesetzlichen Vorgaben verschärft und der Treugeber muss nun gegenüber dem Finanzamt offengelegt und auch in ein elektronisches Transparenzregister eingetragen werden, wenn er mehr als 25 % der Geschäftsanteile an einer GmbH kontrolliert. Da der Treuhandvertrag über Geschäftsanteile an einer GmbH nur bei der Gründung formfrei geschlossen werden kann und bei späterer Vereinbarung der notariellen Beurkundung bedarf (BGH II ZR 365/97), ist es sinnvoll, Treuhandverträge genau zu überprüfen und auch zu beachten, dass die geltenden Formvorschriften beachtet werden, damit der Vertrag nicht zivil- und steuerrechtlich unwirksam ist.