OLG Celle 2 U 64/21
Hochzeitsfeier kann gegen Ausgleichszahlung abgesagt werden

06.03.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Celle
02.12.2021
2 U 64/21
COVuR 2022, 73

Leitsatz | OLG Celle 2 U 64/21

Wenn Räume zur Durchführung einer Hochzeitsfeier mit bis zu 120 Personen angemietet werden, die wegen der Corona-Pandemie nur mit einer beschränkten Personenzahl (50 Personen) durchgeführt werden könnte, kommt grundsätzlich ein Kündigungsrecht der Mieter nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Betracht, bei dessen berechtigter Ausübung dem Vermieter jedoch eine Ausgleichszahlung zu leisten ist.

Sachverhalt | OLG Celle 2 U 64/21

Die Klägerin macht gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung für die Anmietung von Räumlichkeiten für die Durchführung einer für den 8. August 2020 geplanten und später von den Beklagten wegen der Corona-Pandemie abgesagten Hochzeitsfeier geltend. Mit Abschluss des Vertrages über die Anmietung hätten sich die Parteien zur Bereitstellung der Räume für eine Feier mit bis zu 120 Personen und zur Erbringung des Mietzinses verpflichtet.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 10.05.2021 abgewiesen. Ein Schadensersatzanspruch ergäbe sich nicht aus § 5 Nr. 1 der verwendeten AGB , da die Klausel der Inhaltskontrolle nach § 309 Nr. 5 lit. b BGB nicht standhalte. Auch sonst lag kein Anspruch vor, da die Beklagten gem. § 326 Abs. 5 BGB von dem Vertrag zurücktreten konnten. Die Beklagten seien von ihrer Leistungspflicht nach § 275 I BGB freigeworden. Die charakteristische Hauptleistung sei das zur Verfügung-Stellen des Schlosses für 120 Personen am 8. August 2020. Dabei sei die angegebene Personenzahl bei Auslegung nach §§ 133,157 BGB nicht als „absolute Obergrenze“ zu verstehen, sondern Ausdruck des Anliegens, tatsächlich Räume zur Verfügung gestellt zu bekommen, die eine Feier mit 120 Personen zulassen würden. Der Klägerin sei es rechtlich unmöglich gewesen, eine Feier für bis zu 120 Personen umzusetzen, da aufgrund von § 1 V Nr. 1 der in Niedersachsen geltenden Corona-Verordnung Hochzeitsfeiern nur bis zu 50 Personen zulässig gewesen sein. Dass die Beklagten „kleiner“ hätten feiern können, stehe der Annahme der Unmöglichkeit nicht entgegen. Selbst wenn keine Unmöglichkeit vorgelegen hätte, wären die Beklagten bei Abwägung der vorstehend genannten Gesamtumstände aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage berechtigt gewesen, nach § 313 III S. 1 BGB von dem Vertrag zurückzutreten.

Entscheidung | OLG Celle 2 U 64/21

Die zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet.

Der Senat teilt zumindest im Ergebnis die Auffassung des Landgerichts, dass die Klägerin ihren Zahlungsanspruch nicht auf § 5 Nr. 1 ihrer AGB stützen kann, weil diese Klausel wegen Verstoßes gegen AGB-Vorschriften (§§ 308 Nr. 7 bzw. 309 Nr. 5 BGB) unwirksam ist.

Eine Berechtigung der Beklagten zum Rücktritt gem. § 326 V BGB lag nicht vor. Gemäß § 326 V BGB kann der Gläubiger zurücktreten, wenn der Schuldner nach § 275 I-III BGB nicht leisten muss. Die Durchführung der Hochzeitsfeier war für die Beklagten aber trotz der Corona-Pandemie nicht unmöglich (im Rechtssinne). Nach dem Inhalt des Auftrags schuldete die Klägerin die Überlassung des Schlosses für eine Feier für 120 Personen. Die Durchführung der Hochzeitsfeier schuldete die Klägerin hingegen nicht. Diese oblag allein den Beklagten. Die Hochzeitsfeier hätte – wenn auch mit geringerer Personenanzahl – durchaus stattfinden können.

Auch ein außerordentliches Kündigungsrecht gem. § 543 I ggf. i.V.m. § 543 II S. 1 Nr. 1 BGB ist zu verneinen, da es an einem Vorenthalten des vertragsgemäßen Gebrauches fehlt. Die behördlichen Auflagen haben nicht zu einem Sachmangel der angemieteten Fläche geführt. Ebenfalls liegt kein Kündigungsrecht gem. § 543 I BGB vor. Hierfür bedürfte es eines wichtigen Grundes, der vorläge, wenn unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen, die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zumutbar wäre. Eine außerordentliche Kündigung kann meist nur auf Umstände gestützt werden, die in der Person oder zumindest im Risikobereich des Kündigungsgegners begründet sind. Ansonsten bedarf es einer konkreten Verletzung einer vertraglichen Haupt- oder Nebenpflicht. Vorliegend lag jedoch keine relevante Vertragsverletzung der Klägerin vor.

Allerdings ist ein Kündigungsrecht wegen Wegfall der Geschäftsgrundlage zu bejahen. Auch wenn für Dauerschuldverhältnisse grundsätzlich § 314 BGB einschlägig ist, ist dadurch ein Rückgriff auf § 313 BGB nicht ausgeschlossen. Denn § 313 Abs. 3 BGB sieht ausdrücklich vor, dass der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten bzw. kündigen kann, wenn eine Anpassung des Vertrages nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar ist. Das Gesetzgebungsverfahren lässt den Schluss zu, dass § 314 BGB nicht lex specialis sein soll, da bewusst der zunächst vorgesehenen Verweis auf § 314 BGB gestrichen wurde, um auszuschließen, dass für die Kündigung auf Grundlage von § 313 BGB zusätzlich die Tatbestandsvoraussetzungen des § 314 BGB vorliegen müssen. Ein Rückgriff scheidet auch nicht aus, weil Art. 240 § 7 Abs. 1 EGBGB nicht anwendbar ist. Auch schon vor Inkrafttreten des Gesetzes war allgemeine Meinung, dass ein Kündigungsrecht auch bei Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht kommt. Auch das sog. verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot steht dem nicht entgegen. Denn das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gehört zu den allgemein in Rechtsprechung und Literatur anerkannten Grundsätzen, auf die auch ohne Rücksicht auf die Corona-Gesetzgebung zurückgegriffen werden konnte und musste.

Die Voraussetzungen für eine Kündigung wegen Wegfall der Geschäftsgrundlage liegen vor. Aufgrund des Infektionsgeschehens bestand zumindest ein signifikantes medizinisches Risiko für die Anwesenden und ihre Kontaktpersonen. Die Durchführung einer Hochzeitsveranstaltung stellt sich aus Sicht der Heiratenden erkennbar als ein besonderes, einmaliges Ereignis dar, welches nicht ohne Weiteres verlegbar ist. Daher bejaht der Senat ein Kündigungsrecht der Beklagten unabhängig davon, ob sich die Beklagten einer Verlegung der Hochzeitsfeier verweigert haben. Gleichwohl führt dies nicht dazu, dass damit ein Anspruch der Klägerin in vollem Umfang zu verneinen wäre. Bei einem Wegfall der Geschäftsgrundlage ist eine Anpassung der Rechtsbeziehung der Vertragsparteien an die veränderten Verhältnisse geboten, wobei das richterliche Ermessen maßgebend ist. Die in Ausübung dieses Ermessens vorzunehmende Anpassung der Vertragsbeziehungen kann dahin führen, dass die vorzeitig kündigende Partei der anderen Vertragspartei wegen fehlgeschlagener Investitionen oder anderer Nachteile eine Ausgleichsleistung zu erbringen hat. Dies war hier der Fall.

Praxishinweis | OLG Celle 2 U 64/21

Eine Unmöglichkeit einer Hochzeitsfeier nach § 275 I-III BGB liegt nicht vor, wenn sie rein faktisch durchgeführt werden kann. Die Vermieterin schuldet allein die Überlassung der Mietsache, nicht aber die Durchführung der Hochzeitsfeier. Der Senat nimmt hier Bezug auf die Entscheidung des LG München (v. 29.04.2021 – 29 U 8772/20), nach der das Verwendungsrisiko der Mietsache beim Mieter liege und die durch die Corona-Krise bedingten Einschränkungen das Verwendungsrisiko und nicht die Gebrauchsgewährungspflicht des Vermieters betreffen.

Allerdings ist eine Kündigung wegen Wegfall der Geschäftsgrundlage möglich. Weder ist §314 lex specialis ggü. § 313 BGB, noch ist ein Rückgriff auf §313 BGB ausgeschlossen, weil Art. 240 § 7 Abs. 1 EGBGB nicht anwendbar ist. Denn das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ist ein allgemeiner Grundsatz, der auch ohne Rücksicht auf die Corona-Gesetzgebung gilt.

Allerdings kann in einem solchen Fall die vorzeitig kündigende Partei verpflichtet sein, der anderen Vertragspartei (z.B. wegen fehlgeschlagener Investitionen oder anderer Nachteile) einen Ausgleich zu leisten.