OLG Celle 9 W 62/22
Gleichwertigkeit von Online-Beglaubigungen nach österreichischem Recht

08.04.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Celle
01.08.2023
9 W 62/22
GWR 2023, 316

Leitsatz | OLG Celle 9 W 62/22

  1. Eine in Österreich erfolgte Beglaubigung nach Überprüfung der Unterschriftsleistung im Wege elektronischer Kommunikation gem. § 79 IX österr. NO ist einer Unterschriftsbeglaubigung durch einen deutschen Notar gemäß den aktuell geltenden Vorschriften des Beurkundungsgesetzes gleichwertig.
  2. Für die Annahme einer solchen Gleichwertigkeit spricht, dass der deutsche Gesetzgeber eine mit § 79 Abs. 9 österr. NO vergleichbare Anpassung des Beurkundungsgesetzes zum 1. August 2022 mit § 40a BeurkG vorgenommen hat und § 79 Abs. 9 österr. NO die ununterbrochene Nutzung einer elektronischen Kommunikationsmöglichkeit durch optische und akustische Z.weg-Verbindung, mithin (wie bei einer Unterschriftsbeglaubigung mit persönlicher Anwesenheit) die lückenlose Mitverfolgung des Unterschriftsvorgangs erfordert.

Sachverhalt | OLG Celle 9 W 62/22

Die Entscheidung erfolgte aufgrund der Anmeldung einer Neugründung einer deutschen GmbH beim Handelsregister vor dem 01.08.2022. Ein Alleingesellschafter gründete die GmbH unter Verwendung einer in Österreich mittels Online-Verfahren beglaubigten Vollmacht. Das Handelsregister lehnte im Juli 2022 die Eintragung ab, da es die österreichische Unterschriftsbeglaubigung als nicht gleichwertig ansah und somit die Gründung der GmbH als formunwirksam erfolgt sei.

Der Beschwerde war zu entnehmen, dass die österreichische Beglaubigung, die eine optische und akustische Verbindung gemäß § 79 IX österr. NO beinhalte, in Deutschland als gleichwertig anzusehen sei. Letztlich sieht auch das deutsche Beurkundungsgesetz (§ 40a BeurkG) eine entsprechende Beglaubigung vor, die auf derselben EU-Richtlinie basiert. Die Beschwerde war erfolgreich.

Entscheidung | OLG Celle 9 W 62/22

Das OLG Celle widersprach der Ansicht des Handelsregisters. Es wird zunächst darauf hingewiesen, dass der deutsche Gesetzgeber eine vergleichbare Änderung des Beurkundungsgesetzes durchgeführt hat, deren Wirksamkeit zum 01.08.2022 unmittelbar bevorsteht und auf derselben EU-Richtlinie basiert.

Zudem wird darauf aufmerksam gemacht, dass § 79 IX österr. NO nicht nur einen einfachen Vergleich der Unterschriftsprobe ohne einer Identitätsfeststellung vorsieht, sondern durch eine optische und akustische Verbindung eine lückenlose Mitverfolgung des Unterschriftvorgangs gewährt wird, was einem Verfahren mit persönlicher Anwesenheit entspricht.

Abschließend betont das OLG Celle, dass zudem keine weitere „Rechtsfortbildung“ notwendig ist, da sich die Frage, ob eine Unterschriftsbeglaubigung durch einen österreichischen Notar gemäß § 79 IX österr. NO gleichwertig ist, nach dem 01.08.2022 ohnehin nicht mehr stellen werde.

 

Praxishinweis | OLG Celle 9 W 62/22

Die Entscheidung des OLG Celle verdeutlicht die wachsende Bedeutung von Online-Verfahren im Kontext notarieller Tätigkeiten. Hierbei hat vor allem Österreich mit der raschen Einführung des Online-Beglaubigungsverfahrens eine führende Rolle in Europa eingenommen.

Der Beschluss des 9. Senats scheint auf den ersten Blick überzeugend, da es inkonsistent wäre, das notarielle Online-Verfahren in Deutschland gesetzlich zu ermöglichen und gleichzeitig die Gleichwertigkeit ausländischer Urkunden zu verneinen. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht das österreichische Online-Verfahren nicht im Hinblick auf die Gleichwertigkeit sowie § 40a BeurkG überprüft hat. Kritikpunkt ist unter anderem der geringe Sicherheitsstandard sowie die Durchführung eines nur einstufigen Identifikationsverfahrens. Folglich bleibt offen, ob zukünftig die Gleichwertigkeit von ausländischen Online-Verfahren bestätigt werden kann.