OLG Brandenburg 7 U 63/21
Genussrechte bei der Verschmelzung einer deutschen AG mit einer österreichischen AG

28.10.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Brandenburg
27.04.2022
7 U 63/21
AG 2022, 666

Leitsatz | OLG Brandenburg 7 U 63/21

Genussrechte, die auf Verträgen mit einer deutschen AG beruhen, können nach Verschmelzung der deutschen Gesellschaft über die Grenze hinweg mit einer österreichischen AG nicht einseitig von der österreichischen AG in Aktien umgewandelt werden, sondern sind nach Kündigung der Genussrechte zurückzuzahlen.

Sachverhalt | OLG Brandenburg 7 U 63/21

Die Klägerin vereinbarte mit der X-AG mit Vertrag vom 22.11.2006 den Erwerb von Genussscheinen mit Gewinn- und Verlustbeteiligung im Wert von insg. 18.000,00 €. Nach dem Vertrag sollten Genussscheine zum X Fund erworben werden.

Nachdem sich die X-AG in die Y-AG umbenannte, erklärte die Klägerin schriftlich im Jahr 2007, dass sie sich mit der Änderung der auf ihre Beteiligung anwendbaren Genussrechtsbedingungen dahin einverstanden erklärt, dass die Bedingungen für den Y Fund 450 Anwendung finden sollen. Sie erhielt ein Zertifikat über Genussscheine im Wert von 18.000,00 € am Y Fonds 450.

Die Klägerin kündigte im Jahr 2016 ihre Beteiligung und erklärte zugleich vorsorglich den Widerruf und die Anfechtung gegenüber der Y-AG. Die Prozessbevollmächtigten der Y-AG teilten mit, dass diese nunmehr Y-GmbH heiße und wiesen die Erklärungen der Klägerin zurück.

Ausweislich einer Registerauskunft der Republik Österreich ist die Y-GmbH aufgrund eines Beschlusses vom 25.09.2018 mit der Beklagten verschmolzen. Die Y-GmbH wurde am 15.02.2019 aus dem Register gelöscht. Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Auszahlung ihres angelegten Betrags nebst Überschussdividende sowie einer Sonderdividende.

Entscheidung | OLG Brandenburg 7 U 63/21

Die zulässige Berufung hat in geringem Umfang Erfolg. Sie führt zur Abwandlung des angefochtenen Urteils und Klageabweisung, soweit die Beklagte zur Zahlung einer Sonderdividende verurteilt worden ist.
Die internationale Zuständigkeit ist gegeben nach Art. 66 Abs. 1, 17 Abs. 1, 18 Abs. 1 EuGVVO. Die Klägerin war berechtigt, die Klage in der Verbrauchersache nach Art. 18 Abs. 1 EuGVVO vor dem Gericht des Ortes zu erheben, wo sie ihren Wohnsitz hat.

Der Anspruch auf Auszahlung richtet sich nach den zwischen den Parteien vereinbarten Bedingungen. Die Genussrechtsbeteiligung ist infolge der Verschmelzung auf die Beklagte übergegangen.  Die Beklagte war nicht berechtigt, die Beteiligung ohne Zustimmung der Klägerin in eine Aktienbeteiligung umzuwandeln. § 11 Abs. 1 der Genussrechtsbedingungen (GB) sieht vor, dass die Teilnahme am Verlust und der Rang der Genussrechte nachvertraglich nicht verändert werden dürfen. Eine einseitige Änderung ist nur unter bestimmten, in § 11 Abs. 2 GB genannten Bedingungen zulässig. Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor.

Die Umwandlung in Aktien ist auch nicht kraft Gesetzes eingetreten. Auf die rechtliche Beurteilung ist hier österreichisches Recht anwendbar nach Art. 27 Abs. 1 EGBGB a.F., da die Beteiligten gem. § 13 Abs. 1 GB österreichisches Recht wählten. Bei der hier eingetretenen Umwandlung handelt es sich um eine grenzüberschreitende Verschmelzung durch Aufnahme, da die Y-GmbH ihr Vermögen auf die Beklagte übertragen hat.

Eine Berechtigung der Beklagten zur Umwandlung der Genussrechte in Aktien ergibt sich nicht aus § 225a Abs. 3 des österreichischen Aktiengesetzes (öAktG). § 225a Abs. 3 öAktG lautet: „Die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft werden Aktionäre der übernehmenden Gesellschaft, soweit sich aus § 224 AktG nichts Anderes ergibt. „Es fehlt schon an der Anwendbarkeit der Vorschrift, da § 225a öAktG die Umwandlung einer AG durch Verschmelzung mit einer anderen AG betrifft. Hier handelt es sich jedoch nicht um die Verschmelzung von Aktiengesellschaften.

Der „Untergang“ der Genussrechte ergibt sich auch nicht aus § 226 Abs. 3 öÄktG. § 226 Abs. 3 öÄktG lautet: „Den Inhabern von Schuldverschreibungen und Genussrechten und gleichwertige Rechte zu gewähren oder die Änderung der Rechte oder das Recht angemessen abzugelten.“ Unter Berücksichtigung europarechtlicher Vorgaben kann die Vorschrift nicht dahingehend ausgelegt werden, dass den Inhabern von Schuldverschreibungen oder Genussrechten nach Wahl der Emittentin andere Rechte angeboten oder sie ausbezahlt werden können.

Das wirksam gekündigte Genussrecht ist infolge der Verschmelzung auf die Beklagte übergegangen und muss von dieser entsprechend der vereinbarten Bedingungen abgegolten werden.

Darüber hinaus hat die Beklagte nicht dargelegt, dass die Kapitalherabsetzung auf „0“ den Regelungen des § 5 Abs. 1 und 2 GB entsprach. Nach § 5 Abs. 1 GB nehmen die Genussrechte bis zum Laufzeitende am jeweils ausgewiesenen Jahresfehlbetrag teil, soweit kraft vertraglicher Regelung nicht anderes freies Eigenkapital durch eine Verlustbeteiligung vorrangig herabzusetzen ist. Die Beklagte ist dahingehend ihrer Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen.

Hinsichtlich der Höhe der erstinstanzlich zugesprochenen Sonderdividende ist die Berufung jedoch begründet. Nach der neueren, von der Klägerin akzeptierten vertraglichen Regelung ist eine Sonderdividende im Falle der Kündigung nicht zu zahlen.

Praxishinweis | OLG Brandenburg 7 U 63/21

Das OLG Brandenburg stellt klar, dass auch nach österreichischem Recht keine Umwandlung der Genussrechte in Aktien einseitig seitens der AG erfolgen kann.