FG Mecklenburg-Vorpommern 3 K 273/20
Gemischte Schenkung auch bei niedrig verzinsten Darlehen

03.01.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

FG Mecklenburg-Vorpommern
27.04.2022
3 K 273/20
DStRE 2023, 800

Leitsatz | FG Mecklenburg-Vorpommern 3 K 273/20

  1. Eine freigebige Zuwendung liegt vor, wenn ein Darlehen mit einem unüblich niedrigen Zinssatz gewährt wird. Der Jahreswert des Nutzungsvorteils ist mit 5,5 % abzgl. des vereinbarten Zinssatzes zu berechnen, wenn kein anderer Wert feststeht.
  2. Ein anderer Jahreswert des Nutzungsvorteils steht nicht bereits dann fest, wenn der Darlehensgeber oder der Darlehensnehmer bei einer verzinslichen Anlage des Darlehensbetrags bei einem Kreditinstitut zu marktüblichen Bedingungen lediglich eine niedrigere Rendite als 5,5 % im Jahr hätten erzielen können.
  3. Zur Verwirklichung des subjektiven Tatbestandes der freigebigen Zuwendung genügt das Bewusstsein des Zuwendenden von der Teilentgeltlichkeit seiner Leistung, wofür regelmäßig das Bewusstsein über den Mehrwert seiner Leistung ausreicht. Auf die Kenntnis des genauen Ausmaßes des Wertunterschiedes kommt es nicht an.
  4. Hinsichtlich der Anwendung des Zinssatzes von 5,5 % bestehen keine verfassungsrechtlichen Zweifel, die eine Vorlage an das BVerfG rechtfertigen würden. Die Erwägungen, mit denen das BVerfG die Zinsen nach §§ 233a, 238 AO für verfassungswidrig erklärt hat, lassen sich auf § 15 Abs. 1 BewG nicht übertragen. (nichtamtliche Leitsätze)

 

Sachverhalt | FG Mecklenburg-Vorpommern 3 K 273/20

Am 06.11.2007 verstarb der Erblasser. Er wurde beerbt durch Frau B, seiner Schwester, als nicht befreiter Vorerbin und dem Kläger und Sohn des Erblassers als Nacherbe. Die Nacherbfolge sollte mit der Volljährigkeit des Klägers eintreten. Die Vorerbin hat das Erbe angetreten. Der Kläger hat nach dem Eintritt seiner Volljährigkeit am 14.09.2012 die Nacherbschaft angetreten. Die leibliche Tochter des Erblassers und Schwester des Klägers, Frau C, wurde testamentarisch nicht bedacht und war pflichtteilsberechtigt. Der Wert des Pflichtteilsanspruches wurde mit 2.031.395,88 EUR ermittelt. Frau B, der Kläger und Frau C schlossen einen Prozessvergleich. Der Kläger und Frau C schlossen einen „Darlehensvertrag mit Bestellung einer Grundschuld“ ab. Abgeschlossen wurde ein Darlehensvertrag über 2.031.395,88 EUR mit einem Zinssatz iHv 1 %, verzinst seit dem 14.09.2012 und ein weiterer Darlehensvertrag über 100.000,00 EUR mit einem Zinssatz von 1 % ab dem 12.04.2014 geschlossen. Der Kläger zahlte 318.000,00 EUR an Frau C. Über die verbleibenden 1.875.768,05 EUR wurde ein weiterer schriftlicher Darlehensvertrag abgeschlossen und die Darlehenssumme am 01.01.2016 ausgezahlt. Es wurde ein Festzinssatz von 1 % p.a. auf den Darlehensnennbetrag rückwirkend ab dem 01.01.2016 vereinbart. Das Darlehen wurde gemäß § 5 Abs. 1 auf unbestimmte Zeit gewährt und konnte mit einer Frist von 12 Monaten erstmals zum 31.12.2019 gekündigt werden. Die Darlehensgeberin war gemäß § 5 Abs. 3 berechtigt, jederzeit mit einer Ankündigungsfrist von drei Monaten monatliche Tilgungsleistungen i.H.v. maximal 5.000,00 EUR zu verlangen.

Der Kläger gab keine Schenkungssteuererklärung ab. Mit Bescheid v. 29.11.2017 setzte der Beklagte eine Schenkungsteuer gegen den Kläger fest. Gemäß den Erläuterungen zum Bescheid betraf dieser eine Zuwendung von Frau C durch einen Darlehensvertrag mit Wirkung zum 01.01.2016. Der Steuerwert der Zuwendung wurde mit 785.008,00 EUR angesetzt und ergab abzgl. des Freibetrages gemäß § 16 Abs. 1 ErbStG i.H.v. 20.000,00 EUR einen steuerpflichtigen Erwerb i.H.v. 765.000,00 EUR. Somit ergab sich unter Berücksichtigung der Steuerklasse II eine Schenkungsteuer i.H.v. 229.500,00 EUR. Der Kläger legte am 28.12.2017 dagegen form- und fristgerecht Einspruch ein. Zur Begründung trug er vor, dass keine Schenkung vorliege, da die im Darlehensvertrag vereinbarte Verzinsung wegen der erstklassigen Besicherung der Darlehensschuld marktüblich sei und somit einem Fremdvergleich standhalte. Der Beklagte wies den Einspruch mit der Einspruchsentscheidung vom 13.07.2020 als unbegründet zurück, wogegen der Steuerpflichtige Klage erhob.

 

Entscheidung | FG Mecklenburg-Vorpommern 3 K 273/20

Das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern wies die zulässige Klage als unbegründet zurück, weil die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen der Schenkungssteuer dem Grunde und der Höhe nach gegeben waren.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Eine freigebige Zuwendung unter Lebenden liegt vor, wenn in objektiver Hinsicht der Bedachte auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird, und in subjektiver Hinsicht, der Zuwendende in dem Bewusstsein handelt, die Zuwendung unentgeltlich oder teilentgeltlich vorzunehmen. Das Finanzamt sei zu Recht von einer freigebigen Zuwendung ausgegangen.

Auch gemischte Schenkungen können eine freigebige Zuwendung darstellen, wenn einer höherwertigen Leistung eine Leistung von geringerem Wert gegenübersteht und die höherwertige Zuwendung neben Elementen der Freigebigkeit auch Elemente eines Austauschvertrages enthält, ohne dass sich die höherwertige Leistung in zwei selbständige Leistungen aufteilen lässt (vgl. BFH v. 14.07.1982, BStBl. II 1982, 714). Besteht hingegen eine äquivalente Gegenleistung oder dienen die Leistungen ihrerseits der Erfüllung einer Verpflichtung, ist eine freigebige Zuwendung zu verneinen.

Auch die Gewährung eines zinslosen Darlehens, kann eine freigebige Zuwendung darstellen. Ihre Bewertung richtet sich nach den §§ 12 Abs. 1 ErbStG iVm § 13 Absatz 2 Hs. 2, § 15 Abs. 1 BewG. Auch bei einem niedrigen Zinssatz kann eine freigebige Zuwendung vorliegen. Dafür ist der Jahreswert des Nutzungsvorteils abzüglich des vereinbarten Zinssatzes heranzuziehen, es sei denn ein anderer Wert steht fest (BFH v. 27.10.2010 –II R 37/09, DStRE 2011, 163 m. Anm. Schm). Der so ermittelte Wert ist mit dem marktüblichen Zinssatz, der bei der Gewährung oder Aufnahme eines Darlehens zu abgesehen von der Zinslosigkeit vergleichbaren Bedingungen zu entrichten gewesen wäre (BFH v. 27.11.2013 –II R 25/12, BFH/NV 2014, 537). Nach den dargelegten Grundsätzen sah das FG Mecklenburg-Vorpommern eine freigebige Zuwendung hier als gegeben an, weil der Kläger nur 36 % der Zinsen zahlen musste, die er am freien Markt für ein vergleichbares Darlehen hätte entrichten müssen.

Die Schenkungssteuer war nach Überzeugung des Finanzgerichts auch gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG auch zum 01.06.2016 mit Auszahlung des Kapitals entstanden.

Das FG Mecklenburg-Vorpommern sah auch die subjektive Komponente als gegeben an. Für die zutreffende Vorstellung des Zuwendenden von dem Begriff der Unentgeltlichkeit genüge es, wenn er dessen Bedeutungsgehalt nach Laienart zutreffend erfasse. Bei Unausgewogenheit gegenseitiger Verträge reiche das Bewusstsein über den Mehrwert seiner Leistung aus. Auf die Kenntnis des genauen Ausmaßes des Wertunterschiedes komme es hingegen nicht an. Ein offenbares oder erhebliches Missverhältnis liege regelmäßig vor, wenn die tatsächliche Gegenleistung die sonst übliche angemessene Gegenleistung um 20 bis 25 % unterschreite. Bei einem Auseinanderfallen zwischen Verkehrswert von Leistung und Gegenleistung über 51 % sei davon auszugehen, dass die Zuwendung im Umfang der Bereicherung unentgeltlich ist und der Wertunterschied dem Zuwendenden bewusst sei. Abzustellen sei dabei auf den für Frau C eingesetzten Ergänzungspfleger abzustellen, dem die Teilentgeltlichkeit bewusst gewesen sei. Dafür spräche die allein schon die Höhe des vereinbarten Zinssatzes. Irrelevant sei hingegen die ordnungsgemäße zivilrechtliche Genehmigung durch den Ergänzungspfleger. Diese habe aus steuerrechtlicher Sicht keine Auswirkung.

Auch eine etwaige Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 1 GG verneinte das FG Mecklenburg-Vorpommern. Eine Vergleichbarkeit zur Vollverzinsung gemäß § 233a AO iVm § 238 AO i.H.v. 6 % ab dem 01.01.2014 (BVerfG v. 08.07.2021 –1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17, DStR 2021, 1934) mit dem Zinssatz des § 15 Abs. 1 BewG bestünde nicht. Es sei hier nicht sachgerecht, einen Vergleich zu den potenziell vom Steuerpflichtigen am Kapitalmarkt erzielten Zinsen oder zu den potenziellen Refinanzierungskosten des Steuergläubigers herzustellen. Die Beurteilung richte sich bei § 15 Abs. 1 BewG allein danach, welchen Zinssatz der Steuerpflichtige für eine Darlehensaufnahme zu vergleichbaren Konditionen unter fremden Dritten hätte aufbringen müssen. Er könne jederzeit darlegen, dass ein niedrigerer Zinssatz als nach § 15 Abs. 1 BewG anzusetzen sei.

 

Praxishinweis | FG Mecklenburg-Vorpommern 3 K 273/20

Darlehen zu einem vergünstigten Zinssatz zwischen engen Familienangehörigen sind in der Praxis weit verbreitet. Zwischen Eltern und Kindern besteht hier aufgrund des hohen Freibetrages oft keine Steuerpflicht. In allen anderen Fällen, ist jedoch nun Vorsicht geboten, damit vermeintlich günstige Zinssätze nicht nachträglich zu einer Schenkungssteuerpflicht führen (Scheel/Glatz, DStRK 2023, 41). Das Urteil des FG Mecklenburg-Vorpommern ist noch nicht rechtskräftig. Unter dem Aktenzeichen II R 20/22 ist derzeit die Revision des Steuerpflichtigen vor dem BFH anhängig.