BGH VII ZR 895/21
– Für den Zugang einer E-Mail genügt innerhalb der üblichen Geschäftszeiten die Abrufbarkeit

06.09.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
06.10.2022
VII ZR 895/21
GWR 2023, 27

Leitsatz | BGH VII ZR 895/21

Wird eine E-Mail im unternehmerischen Geschäftsverkehr innerhalb der üblichen Geschäftszeiten auf dem Mailserver des Empfängers abrufbereit zur Verfügung gestellt, ist sie dem Empfänger grundsätzlich in diesem Zeitpunkt zugegangen. Dass die E-Mail tatsächlich abgerufen und zur Kenntnis genommen wird, ist für den Zugang nicht erforderlich.

Sachverhalt | BGH VII ZR 895/21

Die Beklagte hatte die Klägerin mit Begrünungsarbeiten beauftragt, wofür die Klägerin nun eine Vergütung verlangt. Nach einer ersten Zahlung forderte die Klägerin die Beklagte zu einer weiteren Zahlung von ca. 15.000€ auf. Die Beklagte bot der Klägerin eine Zahlung in dieser Höhe ohne Anerkennung einer Rechtspflicht zur Erledigung der Angelegenheit an. Daraufhin antwortete die Klägerin durch ihren anwaltlichen Vertreter, die Schlussrechnung belaufe sich auf 15.000€. Die Anwaltskosten seien als Verzugsschaden fällig, jedoch werde keine weitere Forderung erhoben. Diese E-Mail ging der Beklagten um 9:19 Uhr zu. Um 9:54 Uhr desselben Tages, erklärten dieselben anwaltlichen Vertreter, dass eine abschließende Prüfung der Forderungshöhe durch die Klägerin noch nicht erfolgt sei und die E-Mail von 9:19 Uhr unberücksichtigt bleiben müsse. Einige Tage später legte die Klägerin eine Schlussrechnung i.H.v. 22.000€ vor, die Beklagte zahlte jedoch nur 15.000€ sowie Anwaltskosten. Die Klägerin verlangt den Differenzbetrag.

Entscheidung | BGH VII ZR 895/21

Der BGH hat die Klage abgewiesen, da die Parteien einen wirksamen Vergleich geschlossen haben, § 779 BGB.

Mit der E-Mail vom 14.12.2018 um 9:19 Uhr hat die Klägerin ein Vergleichsangebot abgegeben. Für den Zugang des Angebots ist es ausreichend, dass dieses in dem Mailserver der Beklagten abrufbar gewesen ist. Irrelevant ist hingegen, ob die E-Mail auch tatsächlich zu diesem Zeitpunkt abgerufen wurde. Dies ist zumindest dann der Fall, wenn die E-Mail im unternehmerischen Geschäftsverkehr innerhalb der üblichen Geschäftszeiten abrufbar ist. E-Mails auf dem Server des Empfängers werden diesem zugeleitet und er wird von ihnen unterrichtet. Ab diesem Zeitpunkt kann der Empfänger die E-Mail abrufen und sie auf seinem Endgerät anzeigen. Damit ist die E-Mail mit ihrer entsprechenden Willenserklärung in den Machtbereich des Empfängers gelangt.

Da im vorliegenden Fall die E-Mail der Klägerin der Beklagten bereits um 9:19 zugegangen ist, ist der Widerruf am selben Tag durch die E-Mail um 9:54 verspätet nach § 130 Abs. 1 S. 1 BGB. Indem die Beklagte dann den vollen Betrag an die Klägerin gezahlt hat, hat sie den Vergleich konkludent angenommen.

 

Praxishinweis | BGH VII ZR 895/21

Vertragsschlüsse über E-Mails sind im Geschäftsverkehr schon seit einigen Jahren verbreitet. Der BGH beschäftigt sich nun in dem vorliegenden Urteil mit dem Zugang solcher E-Mails im Rechtsverkehr. Zumindest innerhalb der üblichen Geschäftszeiten kommt es allein auf den Eingang der E-Mail im Postfach des Empfängers an – ob die E-Mail tatsächlich abgerufen wurde, ist dann egal. Damit ist davon auszugehen, dass selbst bei einem sofortigen Erkennen des Fehlers, nach Versenden der E-Mail ein Widerruf nicht mehr möglich ist. Für die „üblichen Geschäftszeiten“ scheint es sinnvoll, auf den Empfänger abzustellen, da es auch um den Zugang bei ihm geht.