OLG Karlsruhe 1 W 4/21 (Wx)
Formerfordernis bei Eintragung einer Verschmelzung ins Genossenschaftsregister

23.06.2021

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Karlsruhe
26.03.2021
1 W 4/21 (Wx)
NZG 2021, 696

Leitsatz | OLG Karlsruhe 1 W 4/21 (Wx)

  1. Die Beschlussfassung über einen Verschmelzungsvertrag kann nur in einer notariell zu beurkundenden Versammlung gefasst werden. Dies gilt rechtsformübergreifend, so dass eine Beschlussfassung in anderer Form ausgeschlossen ist.
  2. Die Vorschrift des § 3 Abs. I S. 1 CovMG kann nicht dahin interpretiert werden, dass eine Generalversammlung – und damit auch eine Vertreterversammlung – ohne physische Präsenz der Teilnehmer möglich ist.

(amtlicher Leitsatz)

Sachverhalt | OLG Karlsruhe 1 W 4/21 (Wx)

Die Beschwerdeführerin ist eine Genossenschaft. Sie schloss am 02.12.2020 mit der Antragstellerin, die die Eintragung der Verschmelzung ins Genossenschaftsregister begehrt, einen notariell beurkundeten Verschmelzungsvertrag nachdem die Beschwerdeführerin auf die Antragstellerin verschmolzen werden sollte. Auf einer virtuellen Vertreterversammlung am 30.11.2020 hatte die Beschwerdeführerin bereits die Verschmelzung auf Grundlage des Entwurfs des Verschmelzungsvertrages beschlossen. Die Antragstellerin beschloss am 02.12.2020 die Verschmelzung auf einer außerordentlichen Hauptversammlung. Taggleich meldete der Vorstand der Antragstellerin die Verschmelzung der Beschwerdeführerin auf die Antragstellerin zur Eintragung ins Genossenschaftsregister an.

Das Registergericht wies die Anmeldung zurück, da die Vertreterversammlung der Beschwerde-führerin nicht in Form einer Präsenzveranstaltung stattgefunden hatte.

 

Entscheidung | OLG Karlsruhe 1 W 4/21 (Wx)

Die zuläsige Beschwerde ist unbegründet. Das Registergericht hat den Antrag auf Eintragung der Verschmelzung zu Recht zurückgewiesen.

Der Beschluss auf einer virtuellen Vertreterversammlung ist nicht ausreichend. Erforderlich ist eine notariell zu beurkundende Versammlung (§ 13 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 1 UmwG). Die Vorschrift gilt rechtsformübergreifend und schließt die Beschlussfassung in einer anderen Form aus. Die Sonderregelungen zur Verschmelzung unter Beteiligung von Genossenschaften (§§ 79 ff. UmwG) enthalten keine Regelungen, die die Versammlung an sich entbehrlich oder verzichtbar machen, sondern lediglich weitere Vorschriften zum Verfahren. Auch das CovMG enthält in § 4 CovMG keine Regelungen zur Entbehrlichkeit der Vertreterversammlung bei Verschmelzung.

Die virtuelle Vollversammlung ist hier konkret weder durch Gesetz noch Satzung der Beschwerdeführerin vorgesehen. Vorliegend sieht die Satzung die Stimmabgabe bei Beschlüssen in § 24 Abs. 2 der Satzung durch Handzeichen oder durch Stimmzettel vor. Eine elektronische Abgabe der Stimme ist nicht vorgesehen.

Auch § 3 Abs. 1 S. 1 CovMG kann nicht dahingehend interpretiert werden, dass eine Generalversammlung oder Vertreterversammlung ohne physische Präsenz möglich sein muss. § 3 Abs. 1 S. 1 CovMG sehe nach Ansicht des Senats bereits im Wortlaut lediglich vor, dass Beschlüsse in elektronischer Form außerhalb der Generalversammlung getätigt werden könnten. Eine Beschlussfassung ohne Versammlung ist jedoch für den Beschluss über die Verschmelzung gemäß § 13 Abs. 1 S. 2 UmwG ausgeschlossen. Es stünden aber auch systematische Erwägungen entgegen. Aus einer erleichterten Beschlussfassung könne nicht auf eine Erleichterung der Generalversammlung geschlossen werden, weil durch Gesetz oder Satzung vorgesehen werden kann, dass Beschlüsse nicht zwingend in einer Versammlung zu treffen sind (vgl. § 118 Abs. 2 AktG, § 48 Abs. 2 GmbHG). Zudem differenziere der Gesetzgeber im CovMG bei anderen Gesellschaftsformen z.B. der AG zwischen der der elektronischen Teilnahme an der Hauptversammlung und der elektronischen Stimmenabgabe. Zudem weist § 1 Abs. 2 CovMG dem Vorstand eine explizite Entscheidungsbefugnis hinsichtlich dieser beiden Aspekte zu. Auch für den Verein ist eine ähnliche und differenzierende Regelung getroffen worden (§ 5 CovMG). Für die GmbH und die Genossenschaft sind solche Regelungen hingegen nicht getroffen worden (§§ 2, 3 CovMG).

Eine Auslegung über den Wortlaut hinaus komme hier nicht in Betracht. Der Gesetzgeber hat bewusst differenzierend zwischen den einzelnen Gesellschaftsformen die Erleichterungen zur weiteren Beschlussfassung und Abhaltung von Versammlungen während der Covid-19-Pandemie ausgestaltet. Ausweislich des Wortlautes und der Gesetzessystematik sei zwischen Beschlussfassung (auch außerhalb einer Versammlung) und der eigentlichen Versammlung zu unterscheiden. Auch dass der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung zum CovMG davon ausgegangen ist, eine Sonderregelung zu § 43 Abs. 7 GenG zu schaffen, rechtfertigt nicht die Annahme eine Generalversammlung sei virtuell durch das CovMG zulässig, denn § 43 Abs. 7 GenG beinhaltete selbst schon keine virtuelle Generalversammlung, sondern lediglich die Möglichkeit statuarisch eine elektronische Beschlussfassung zu regeln. § 43 Abs. 7 GenG selbst bietet keine Grundlage für eine virtuelle Generalversammlung, sondern regelt lediglich die Möglichkeit elektronischer Beschlussfassung und die Teilnahme einzelner Aufsichtsratsmitglieder durch Bild- und Tonübertragung. Der Gesetzgeber habe vorliegend einfach übersehen, dass Beschlussfassungen auch außerhalb von Generalversammlungen möglich und gesetzlich vorgesehen sind.

Eine planwidrige Regelungslücke läge nicht vor. Die Gesetzesbegründung enthalte keine Erklärungen, dass virtuelle Generalversammlungen zugelassen werden sollen oder dass § 13 Abs. 1 S. 2 UmwG in seiner Strenge nicht mehr durchgreifen solle. Zu vermuten sei, dass die Regelung in Fortführung einer gesetzgeberischen Fehlvorstellung über die Reichweite von § 43 Abs. 7 CovMG getroffen worden seien und entsprechend nicht den erklärten Willen enthielten, durch § 3 CovMG die Möglichkeit einer virtuellen Generalversammlung zuzulassen. Somit besteht das Erfordernis einer Präsenzversammlung in § 13 Abs. 1 UmwG fort.

Praxishinweis | OLG Karlsruhe 1 W 4/21 (Wx)

In der Praxis herrscht derzeit große Unsicherheit hinsichtlich der Frage, ob Zustimmungsbeschlüsse zu Umwandlungen auch in virtuellen Hauptversammlungen / Mitgliederversammlungen / Gesellschafterversammlungen gefasst werden können. Während man bei der Aktiengesellschaft ganz überwiegend der Auffassung ist, dass dies möglich ist und wir das in der Praxis auch schon umgesetzt haben, ist bei der GmbH und der Personengesellschaft schon bisher die h.M., dass eine derartige virtuelle Beschlussfassung nicht möglich ist. Das OLG Karlsruhe deutet an, dass es den Zustimmungsbeschluss einer Hauptversammlung bei der Aktiengesellschaft ebenso wie bei einem Verein auch in virtueller Form für zulässig hält, ohne dass das OLG Karlsruhe dies zu entscheiden hatte. Bei Vereinen raten wir grundsätzlich noch zur Vorsicht und schlagen vor, Präsenzversammlungen mit Vollmacht zu machen, soweit Umwandlungsbeschlüsse zur Beschlussfassung anstehen. Für Genossenschaften ist bis zu dem Zeitpunkt, in dem der BGH über das Verfahren entschieden hat, zur Vorsicht zu mahnen. Jedenfalls soweit die Genossenschaft in ihrer Satzung die virtuelle Beschlussfassung nicht vorsieht, sollte von einer derartigen virtuellen Beschlussfassung abgesehen werden. In den engen Grenzen des Genossenschaftsgesetzes kann mit Vollmachten gearbeitet werden und diese Vollmachten müssen dann im Rahmen von Präsenzversammlungen ausgeübt werden.

Ganz generell gilt, dass die Pandemie gezeigt hat, dass ganz grundsätzlich alle Gesellschaftsverträge / Satzungen darauf überprüft werden sollten, ob in weitest möglichem Umfang Bevollmächtigungen zulässig sind. Den Gesellschaftern und Anteilseignern sollte angeraten werden, zu überprüfen, ob evtl. erteilte Vollmachten in Einklang mit den Gesellschaftsverträgen stehen und ob nicht zum Beispiel die Gesellschaftsverträge für die Personen der Bevollmächtigten Einschränkungen vorsehen, die in den Generalvollmachten, die der Gesellschafter erteilt hat, nicht berücksichtigt sind.