BGH II ZB 11/21
Erfordernis eines berechtigten Interesses für weitere Abwicklungsmaßnahmen einer vermögenslosen GmbH

31.10.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
17.05.2022
II ZB 11/21
ZIP 2022, 1594

Leitsatz | BGH II ZB 11/21

Sonstige im Interesse eines Dritten liegende Abwicklungsmaßnahmen ohne Vermögensbezug können bei einer vermögenslosen Gesellschaft der Beendigung der Liquidation nur dann entgegenstehen, wenn dieses Interesse berechtigt ist.

Sachverhalt | BGH II ZB 11/21

Im Verfahren geht es um die Eintragung der Löschung einer GmbH (Antragstellerin), deren Auflösung bereits 2016 im März ins Handelsregister eingetragen worden war und kurz darauf im Bundesanzeiger bekannt gemacht worden war. Im Juni 2020 meldet die Liquidatorin den Schluss der Liquidation in das Handelsregister an Das Finanzamt verweigerte jedoch die Zustimmung zur Löschung, da ein Einspruchsverfahren der Liquidatorin anhängig ist, gegen einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Werts ihres Anteils an der Antragstellerin. Im Fall der Löschung der Antragstellerin könnten die Entscheidungen über die entsprechenden Einsprüche dann nicht zugestellt werden Die Antragstellerin verfolgt ihren Löschungsantrag weiter.

Entscheidung | BGH II ZB 11/21

Der BGH entschied im Sinne der Antragstellerin, das Registergericht wird angewiesen neu zu entscheiden. Einer Löschung nach § 74 I 2 GmbHG stehe eine Beteiligung der Antragstellerin in dem o.g. Steuerverfahren nicht entgegen, so der BGH. Für die Löschung sei entscheidend, dass kein verteilbares Vermögen mehr vorhanden sei. Dies ist dann der Fall, wenn die Antragstellerin über keine Vermögenswerte mehr verfügt, die für eine Gläubigerbefriedigung oder Gesellschafterverteilung in Betracht kommen. Die Beteiligung am Steuerverfahren stehe der Löschung nicht entgegen, das Verfahren habe keine Auswirkungen auf die Liquidation – die Antragstellerin sei in diesem Verfahren weder Steuerschuldnerin, noch könne sie aus anderen Gründen für etwaige Steuererstattungen oder -nachforderungen haftbar gemacht werden. Es wird lediglich nach § 151 BewG der Anteilswert festgestellt – die rein passive Beteiligung der Antragstellerin am Steuerverfahren stelle keinen Hinderungsgrund für die Löschung dar . Dass das Finanzamt ein Interesse an der Zustellung der Bescheide habe, genüge weiterhin nicht als berechtigtes Interesse an einem Fortbestehen der Gesellschaft. Nach der Löschung bliebe die Antragstellerin weiterhin beteiligtenfähig im Steuerverfahren und die Bekanntgabe des Feststellungsbescheids and die Antragstellerin sei weiterhin auch keine Voraussetzung für die Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit ggü. der Liquidatorin. Diese habe kein Recht darauf, dass der Bescheid der Antragstellerin bekannt gemacht werde.

Praxishinweis | BGH II ZB 11/21

Die grundlegende Frage der Wirksamkeit von Abwicklungsmaßnahmen ohne Vermögensbezug bei Löschungsanträgen bleibt weiterhin ungeklärt. Hinsichtlich eines berechtigten Interesses des Finanzamts wurde jedoch Folgendes festgestellt:

Rein passive Beteiligungen an Steuerverfahren stehen einer Löschung der Gesellschaft nicht entgegen. Dabei bedeutet rein passiv, dass die löschungswillige Kapitalgesellschaft alle notwendigen Erklärungen ggü. dem Finanzamt/-gericht abgegeben hat und das Steuerverfahren keine Auswirkungen auf das Vermögen der Kapitalgesellschaft hat. Auf Seiten des Finanzamtes genügt die reine Zustellung eines Bescheids nicht als berechtigtes Interesse, zudem hat die Gesellschaft ihrerseits dem entgegenstehend ein Interesse an der Durchführung der Löschung. Dies bedeutet für die Praxis, dass alle Erklärungen der Kapitalgesellschaft abgegeben worden sein müssen, die für die Löschung notwendig sind – dies ist frühzeitig sicherzustellen. Zudem muss rechtzeitig geprüft werden ob die Kapitalgesellschaft auch wirklich bloß passiv Beteiligte in dem anderen anhängigen Verfahren ist.