BFH II B 25/21
Erbschaftsteuer: Höhe eines gesellschaftsvertraglich festgelegten Abfindungsanspruchs

05.04.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BFH
14.03.2022
II B 25/21
GmbHR 2022, 1167

Leitsatz | BFH II B 25/21

Ergibt sich die Höhe eines Abfindungsanspruchs aus der Satzungsregelung einer GmbH, ist diese korporationsrechtliche Bestimmung nach objektiven Gesichtspunkten einheitlich aus sich heraus auszulegen. Subjektive Vorstellungen der beim Erstellen der betreffenden Klausel beteiligten Personen sind unbeachtlich (Anschluss an I. und IV. Senat des BFH). (amtl. Leitsatz)

Sachverhalt | BFH II B 25/21

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist neben seinem Bruder Miterbe zu 1/2 nach seiner 2017 verstorbenen Mutter. Zum Nachlass gehörte eine Beteiligung von 30 % an einer GmbH. Die aus dem Jahre 1989 stammende Satzung der GmbH enthielt für den Fall des Todes der Mutter Regeln, nach denen die GmbH unter bestimmten Voraussetzungen den ererbten Anteil gegen „Zahlung eines Abfindungsentgeltes, das dem realen Wert seines Anteils entspricht, bewertet nach den steuerrechtlichen Bewertungsrichtlinien in der jeweils gültigen Fassung (sogenannte „Anteilsbewertung nach dem Stuttgarter Verfahren“)“ erwerben oder einziehen konnte. Die GmbH erwarb 2018 den dem Kläger aus dem Nachlass zustehenden Anteil von 15 % für 523.000 EUR. Dieser Wert war nach dem Stuttgarter Verfahren ermittelt worden.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (FA) ging nach BewG von einem Anteilswert von 703.931 EUR aus und setzte hieraus die Erbschaftsteuer fest. Die Satzung der GmbH enthielte nach Ansicht des FA die Bewertung des Anteils nicht nach dem Stuttgarter Verfahren, sondern mit dem gemeinen Wert. Dies zeige die Bezugnahme auf den „realen“ Wert. Diesen abzubilden sei Ziel der aktuellen Bewertungsregeln.

Der Kläger trägt vor, es hätte sich dem FG aufdrängen müssen, seinen Bruder als Gründungsgesellschafter dazu zu befragen, was seinerzeit mit der Abfindungsregelung bezweckt gewesen sei. Das FA vertritt die Auffassung, die Vorstellungen der damaligen Gesellschafter seien unerheblich, da die Satzung der GmbH als körperschaftsrechtliche Bestimmung allein objektiv auszulegen sei.

Entscheidung | BFH II B 25/21

Der BFH wies die Beschwerde ab. Es sei vom FG im Ergebnis richtig gewesen, die Klage abzuweisen, ohne den Bruder zu hören. Welchen Sinngehalt die Gesellschafter seinerzeit der streitigen Formulierung beilegen wollten, sei aus Rechtsgründen unerheblich.

Die Satzung der GmbH sei korporationsrechtlicher Natur. Ihre Vorschriften seien nach objektiven Gesichtspunkten einheitlich aus sich heraus nach Wortlaut, Sinn und Zweck der Regelung sowie ihrem systematischen Bezug zu anderen Satzungsvorschriften auszulegen. Umstände außerhalb der Satzung könnten grundsätzlich auch dann nicht herangezogen werden, wenn sie allen Mitgliedern und Organen bekannt seien.

Die streitgegenständliche Klausel könne nicht anders ausgelegt werden als es das FG getan habe. Die Formulierung „… realen Wert …“ sei juristisch nicht klar, wenn sie auch nach üblichem Sprachgebrauch den gemeinen Wert meinen dürfte. Die Wendung jedoch, die Bewertung nach den steuerrechtlichen Bewertungsrichtlinien in der jeweils gültigen Fassung vorzunehmen, sei eindeutig und unmissverständlich eine dynamische Verweisung. Es sei nicht eine bestimmte Bewertungsmethode zu wählen, sondern diejenige, die den steuerrechtlichen Bewertungsrichtlinien zu dem Zeitpunkt entspricht, zu dem die Bewertung vorzunehmen sei. Der Klammerzusatz - Stuttgarter Verfahren - sei nur als Erläuterung der Bewertungsmethoden zum Entstehungszeitpunkt der Satzung zu verstehen.

Daran ändere sich nichts, falls die Parteien des Vertrags vom 2018 die Klausel übereinstimmend anders ausgelegt haben sollten. § 10 Abs. 10 S. 2 ErbStG knüpfe ausdrücklich an den gesellschaftsvertraglich festgelegten Abfindungsanspruch, nicht an einen nach dem Erbfall abgeschlossenen abweichenden Vertrag und erst recht nicht an die tatsächlich gezahlte Abfindung an.

Praxishinweis | BFH II B 25/21

Diese Entscheidung schließt sich die Rechtsprechung des I. und IV. Senats des BFH an.

Für die Gestaltungspraxis zeigt diese Entscheidung noch einmal deutlich, dass ältere Gesellschaftsverträge – und natürlich auch neuere – regelmäßig überprüft werden sollten. Schlagworte wie „Stuttgarter Verfahren“ bedingen nicht unbedingt auch ihre Anwendung.