OLG Rostock 3 W 13/23
Eintragung einer Erbengemeinschaft im Grundbuch bei Tod eines eingetragenen GbR-Gesellschafters

25.08.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Rostock
02.05.2023
3 W 13/23
ZIP 2023, 1241

Leitsatz | OLG Rostock 3 W 13/23

  1. Ist das Grundbuch nachträglich unrichtig geworden und wird ein Berichtigungsantrag der Berechtigten durch das Grundbuchamt zurückgewiesen, ist eine hiergegen gerichtete Beschwerde nicht gemäß § 71 Abs. 2 GBO unzulässig.
  2. Die Buchposition eines verstorbenen Gesellschafters einer GbR ist als solche nicht gesondert vererbbar, vielmehr ist die Rechtsnachfolge in die Gesellschafterstellung nach Maßgabe des Gesellschaftervertrages materiell-rechtlich zu prüfen.
  3. Nach den gesetzlichen Regelungen des BGB erlischt eine Gesellschafft bürgerlichen Rechts im Falle der Kündigung (§ 723 BGB) und des Todes eines Gesellschafters (§ 727 BGB) nicht, sondern wandelt sich zwecks Auflösung identitätswahrend in eine Abwicklungsgesellschaft um; an die Stelle eines verstorbenen Gesellschafters treten seine Erben. Eine Anwachsung des Gesellschaftsvermögens beim verbliebenen Gesellschafter findet nur statt, wenn der Gesellschaftsvertrag eine entsprechende Fortsetzungsklausel oder ein Eintrittsrecht enthält.
  4. Zum Nachweis der Rechtsnachfolge des Erben in die Gesellschafterstellung des Erblassers reicht es bei Fehlen eines schriftlichen Gesellschaftsvertrages aus, wenn eine Erklärung des verbliebenen Gesellschafters in der Form des § 29 GBO beigebracht wird, wonach ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag nicht besteht und besondere Vereinbarungen für den Kündigungs- bzw. Todesfall nicht getroffen wurden, und wenn die Erben ebenfalls in der Form des § 29 GBO erklären, dass ihnen ein entsprechender abweichender Inhalt des Gesellschaftsvertrages nicht bekannt sei.

(amtliche Leitsätze)

 

Sachverhalt | OLG Rostock 3 W 13/23

Eine GbR bestehend aus zwei Gesellschaftern, ist aufgrund Auflassung vom 28.08.2013 seit dem 04.11.2015 als Eigentümerin von Grundstücken im Grundbuch eingetragen. Ein Gesellschafter kündigte am 27.09.2019 die Gesellschaft. Der andere Gesellschafter verstarb am 20.11.2019. Er wurde ausweislich des Erbscheins von seinen fünf Kindern beerbt.

Die Erben als Antragssteller beantragen eine Berichtigung des Grundbuchs dahin gehend, dass sie statt des verstorbenen Gesellschafters als Gesellschafter der GbR eingetragen werden. Sie verweisen im Verfahren auf das Urteil des LG Potsdam vom 23.10.2020 - 8 O 186/20 sowie die Beschlüsse des OLG Brandenburg vom 07.07.2021 - 11 U 249/20 und des BGH vom 30.06.2022 - III ZR 106/21, wonach die GbR als Abwicklungsgesellschaft fortbestehe und durch die Erbengemeinschaft vertreten werde. Im lediglich mündlich abgeschlossenen Gesellschaftsvertrag der GbR war keine Regelungen für das Ausscheiden eines Gesellschafters getroffen worden.

Der überlebende Gesellschafter verkaufte im Grundbuch eingetragene Grundstücke der GBR. Im notariellen Grundstückskaufvertrag vom 18.05.2021 versichert er an Eides statt, dass für das Gesellschaftsverhältnis der GbR keine von den gesetzlichen Bestimmungen abweichenden Vereinbarungen getroffen worden seien. Da im Grundstückskaufvertrag vom 18.05.2021 aber sinngemäß davon ausgegangen wird, dass der Gesellschaftsanteil des verstorbenen Gesellschafters ihm angewachsen wäre, prüft das Finanzamt den Anfall von Grunderwerbssteuer. Die Erbengemeinschaft genehmigte den Grundstückskaufvertrag nicht, so dass dieser nicht vollzogen wird.

Das Grundbuchamt hat den Berichtigungsantrag zurückgewiesen. Der Unrichtigkeitsnachweis sei mangels Vorlage des Gesellschaftsvertrags nicht in der Form des § 29 GBO geführt worden. Eine Berichtigung könne nur aufgrund Berichtigungsbewilligung erfolgen; ferner fehle die erforderliche Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts.

Die Antragsteller haben Beschwerde eingelegt, der das Grundbuchamt nicht abgeholfen hat. Im Beschwerdeverfahren haben die Erben notariell beglaubigte Erklärungen vorgelegt, dass nach ihrer Kenntnis kein schriftlicher Gesellschaftsvertrag der GbR geschlossen und keine besondere Vereinbarung für den Kündigungs- oder Todesfall getroffen worden sei. Das Amtsgericht Stralsund hatte dem Antrag mit Beschluss vom 10.11.2022 – Az. TRNUT-10021-6 zurückgewiesen.

 

Entscheidung | OLG Rostock 3 W 13/23

Das OLG Rostock hat auf die Beschwerde der Antragssteller hin den Beschluss des Amtsgericht Stralsund aufgehoben und das Amtsgericht Stralsund angewiesen, als Gesellschafter der im Grundbuch eingetragenen GbR statt des verstorbenen Gesellschafters dessen Erben in (ungeteilter) Erbengemeinschaft einzutragen.

Die Beschwerde ist zunächst nach § 71 Abs.1 GBO begründet. Dem steht auch § 72 Abs. 2 Satz 1GBO nicht entgegen, weil die Antragsteller nur eine nachträgliche Unrichtigkeit des Grundbuchs geltend machen.

Der Bewilligung nach § 19 GBO bedarf es nicht, wenn gemäß § 22 Abs. 1 GBO die Unrichtigkeit des Grundbuchs nachgewiesen wird. Der Nachweis bedarf der Form des § 29 GBO. Das OLG Rostock beruft sich zunächst auf den Beschluss des BGH vom 10.02.2022 – V ZB 87/ 20, DNotZ 2022, 530. Dort hatte der BGH ausgeführt, dass es für die Rechtsnachfolge auf die Gesellschafterstellung nach dem Gesellschaftsvertrag ankomme. Kündigt oder verstirbt ein Gesellschafter der GbR, erlischt die GbR gemäß § 723 Abs.1 BGB nicht, sondern wandelt sich in eine Abwicklungsgesellschaft um. Eine Anwachsung der Gesellschaftsanteile auf den verbliebenen Gesellschafter findet nur statt, wenn der Gesellschaftsvertrag eine Fortsetzungsklausel oder ein Eintrittsrecht enthält.

Fehlt nun ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag, so reicht es aus, wenn der verbliebene Gesellschafter in der Form des § 29 GBO erklärt, dass ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag nicht besteht und keine besonderen Vereinbarungen für den Todesfall getroffen wurden. Auch die Erben müssen in der Form des § 29 GBO erklären, dass ihnen ein entsprechender Inhalt des Gesellschaftsvertrags nicht bekannt ist.

Diesen Voraussetzungen genügten die Darlegungen der Antragsteller, weswegen das OLG Rostocks den Unrichtigkeitsnachweis als geführt ansah und der Beschwerde der Antragsteller stattgab.

In nur einem Satz vermerkt das OLG Rostock zudem, dass bei einem allein erbrechtlichen Erwerb der Gesellschafterstellung keine Grunderwerbsteuer anfalle.

 

Praxishinweis | OLG Rostock 3 W 13/23

Der Beschluss des OLG Rostock fügt sich in die Rechtsprechung des BGH vom 10.02.2022 – V ZB 87/ 20 = DNotZ 2022, 530 zur Vererbbarkeit von Gesellschafteranteilen und der Berichtigung des Grundbuchs beim Tod eines Gesellschafters ein. Dort hatte der BGH festgelegt, dass die Buchposition als solche nicht vererbbar ist. Die Rechtsnachfolge in die Gesellschafterstellung ist allein nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrags materiell-rechtlich zu prüfen. Der BGH schuf damit Klarheit in der bis dato umstrittenen Frage der Berichtigungsbewilligung, ihrer Rechtsnatur und Vererbbarkeit sowie den Anforderungen an ihren Nachweis. Der BGH hatte dort dem Erfordernis einer eidesstattlichen Versicherung eine Absage erteilt (Redeker, NZG 2022, 1454). Offen blieb aber die Frage, ob Nachweiserleichterungen dann greifen, wenn ein Gesellschaftsvertrag nicht in der Form des § 29 GBO vorgelegt werden kann. Diese Frage wurde durch die Oberlandesgerichte zuletzt unterschiedlich beurteilt (Mayer, DNotZ 2022, 540). Das OLG Rostock beantwortet diese Frage erstmals seit der Entscheidung des BGH und lässt dabei erkennen, dass es der Ansicht des BGH zu den Formanforderungen der Berichtigungsbewilligung zuneigt und für den hier entschiedenen Fall ebenfalls einen einfachen Nachweis ausreichen lässt. Für die Praxis bleibt es – aller spannenden ungeklärten Rechtsfragen zum Trotz – dabei: eine entsprechende Nachfolgeklausel im Gesellschaftsvertrag bleibt unerlässlich.