BGH III ZR 183/17
Digitaler Nachlass vererblich - Erben bekommen Zugriff auf den Facebook-Account

12.07.2018

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
12.07.2018
III ZR 183/17
Pressemitteilung des BGH v. 12.07.2018 Nr. 115/2018

Leitsatz | BGH III ZR 183/17

Der Vertrag über ein Benutzerkonto bei einem sozialen Netzwerk geht grundsätzlich im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben des ursprünglichen Kontoberechtigten über. Damit haben die Erben einen Anspruch gegen den Netzwerkbetreiber auf Zugang zu dem Konto einschließlich der darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalte.

Sachverhalt | BGH III ZR 183/17

Klägerin ist die Mutter eines im Alter von 15 Jahren verstorbenen Kindes, dessen Todesumstände ungeklärt sind. Die Verstorbene hatte einen Facebook-Account. Die Klägerin begehrte von der Beklagten, der Betreiberin des sozialen Netzwerkes, Zugang zu dem Benutzerkonto und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten. Nach dem Tod hatte die Beklagte das Benutzerkonto in den sog. Gedenkzustand versetzt, wodurch ein Zugriff auf das Konto nicht mehr möglich war. Die Klägerin war gesetzliche Vertreterin und ist neben dem Vater Erbe der Verstorbenen.

Das LG Berlin hatte die Beklagte verurteilt, der Erbengemeinschaft Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten der Verstorbenen zu gewähren.

Das Kammergericht Berlin hob auf die Berufung der Beklagten das Urteil auf. Es könnte zwar grundsätzlich ein Anspruch aus § 1922 BGB bestehen, diesem stehe allerdings § 88 Abs. 3 TKG (Telekommunikationsgeheimnis) entgegen.

Entscheidung | BGH III ZR 183/17

Der BGH hob wiederum die Entscheidung des Kammergerichts Berlin auf und stellte das erstinstanzliche Urteil wieder her.

Die Erben haben aus dem Nutzungsvertrag zwischen der Erblasserin und der Beklagten, der im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gem. § 1922 Abs. 1 BGB auf sie übergegangen ist, gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zugang zum Benutzerkonto der Erblasserin und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten. Vertraglich sei der Übergang nicht ausgeschlossen worden. Außerdem seien Klauseln zum Gedenkzustand unwirksam nach §§ 305 Abs. 2, 307 Abs. 1 und 2 BGB.

Des Weiteren ergebe sich auch nicht aus dem Wesen des Vertrages eine Unvererblichkeit. Dieser sei nämlich nicht höchstpersönlicher Natur, denn die Beklagte sei lediglich verpflichtet, Nachrichten und sonstige Inhalte an das angegebene Benutzerkonto und nicht etwa eine bestimmte Person zu übermitteln. Dritte müssten damit rechnen, dass auch andere, außer dem Kontoinhaber, Kenntnis vom Kontoinhalt erlangen. Da auch analoge höchstpersönliche Dokumente nach dem Gesetz vererbt (§§ 2047 Abs. 2, 2373 Satz 2 BGB) werden, sei kein Grund dafür ersichtlich, digitalen Nachlass anders zu behandeln. Ebenso hat der BGH einen Ausschluss der Vererblichkeit aufgrund des postmortalen Persönlichkeitsrechts der Erblasserin verneint.

Das Fernmeldegeheimnis gem. § 88 Abs. 3 TKG sei entgegen der Auffassung des Kammergerichts Berlin nicht verletzt, da der Erbe jedenfalls nicht "anderer" i. S. d. Vorschrift sei.

Zuletzt kollidiere der Anspruch nicht mit der vor kurzem in Kraft getretenen Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO), weil diese zum einen nur lebende Personen schütze. Zum anderen sei die der Übermittlung und Bereitstellung von Nachrichten und sonstigen Inhalten immanente Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Kommunikationspartner der Erblasserin nach Art. 6 Abs. 1 DS-GVO zulässig.

Praxishinweis | BGH III ZR 183/17

Hinsichtlich des digitalen Nachlasses bestanden viele Rechtsunsicherheiten, die der BGH nun zur Freude der Praxis geklärt hat. In der Literatur fand schon das erstinstanzliche Urteil deutlichen Zuspruch (Deusch, ZEV 2016, 189; Gloser, DNotZ 2016, 537; Knoop, NZFam 2016, 966). Es ist dennoch sinnvoll, sich bei Abfassung eines Testaments oder Erbvertrages Gedanken darüber zu machen, wer den digitalen Nachlass erbt.