OLG Brandenburg 7 W 44/22
Die Grenzen der Satzungsautonomie eines Vereins

21.11.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Brandenburg
20.04.2022
7 W 44/22
NJW-RR 2022, 974 = NotBZ 2022, 300

Leitsatz | OLG Brandenburg 7 W 44/22

  1. Betraut die Satzung statt der Mitgliederversammlung ein anderes Vereinsorgan mit der Kompetenz zur Bestellung des Vorstandes, so ist es zulässig, aber nicht erforderlich, das Verfahren, mit dem das Organ die Bestellungsentscheidung treffen soll, durch die Satzung zu regeln. Die Satzung kann dem bestellenden Organ eine Binnenorganisationskompetenz zuweisen, die auch die Regelung des Verfahrens der Vorstandsbestellung umfasst.
  2. Die satzungswidrige Bestellung eines Vorstandsmitgliedes bleibt wirksam vom Beginn der tatsächlichen Amtsausübung bis zur Geltendmachung des Mangels, zu der ein Widerruf der Bestellung oder eine Amtsniederlegung durch das Vorstandsmitglied erforderlich ist.

Sachverhalt | OLG Brandenburg 7 W 44/22

Vorliegend beschäftigte sich das OLG Brandenburg mit einem Fall in dem ein Verein eine Satzungsregelung beschloss nach der der „erweiterte Vorstand“ des Vereins von der Mitgliederversammlung gewählt wird. Dieser „erweiterte Vorstand“ kann dann in seiner Geschäftsordnung (die er sich selbst gibt) festlegen, wie er die geschäftsführenden und vertretungsberechtigten Personen auswählt, die den Vorstand des Vereins § 26 BGB bilden. Die Satzung des Vereins sah vor, dass ein Mitglied des Vorstands von den natürlichen Personen unten den Mitgliedern gewählt werden solle und die weiteren durch die Vereine und Kommissionen die Mitglieder des Vereins sind entsandt werden. Die Gründungsversammlung wählte jedoch entgegen dieser Regelung drei Vorstandsmitglieder selbst, die dann einen Antrag auf Eintragung in das Vereinsregister stellten. Dies wies das AG Potsdam zurück mit der Begründung, dass das Verfahren der delegierten Bestellung des Vorstands in der Satzung nicht bestimmt genug sei gem. § 58 Nr. 3 BGB. Weiterhin seien die anzumeldenden Vorstandsmitglieder nicht satzungsgemäß bestimmt worden. Die Bestellung sei demnach nichtig.

Entscheidung | OLG Brandenburg 7 W 44/22

Das OLG Brandenburg hielt die Beschwerde gegen den Zurückweisungsbeschluss des Vereinsregisters für begründet und wies an, über den Eintragungsantrag erneut zu entscheiden.

Die Satzungsautonomie sei weiter gefasst als vom Vereinsregister angenommen. Nach § 40 S. 1 BGB könne die Bestellungskompetenz der Mitglieder sogar vollständig ausgeschlossen werden, sodass die Zuständigkeit zur Vorstandsbestellung auf ein anderes Vereinsorgan/Mitglieder/Dritte übertragen werden könne. Demnach sei es unbedenklich, dass die Satzung vorliegend dem Vorstand die Kompetenz zur Bestimmung des Bestellungsverfahren überlasse.

Den Einwand der unwirksamen Bestellung des aktuellen Vorstands hielt das OLG für berechtigt. Die Bestellung der Vorstandsmitglieder im Rahmen der Gründungsversammlung sei unwirksam, allerdings wirke sich dies nicht auf die Anmeldung des Vereins im Vereinsregister aus. Zudem sei nach der Lehre von der fehlerhaften Organbestellung die satzungswidrige Vorstandsbestellung so lange wirksam, bis der Mangel geltend gemacht werde mit einem Widerruf oder einer Amtsniederlegung.

Etwaige Rechtshandlungen für und gegen den Verein durch den fehlerhaft bestellten Vorstand seien wirksam, so auch die Anmeldung des Vereins.

Praxishinweis | OLG Brandenburg 7 W 44/22

Die Satzungsautonomie ist weitreichend und darf nicht zu sehr beschnitten werden. Insbesondere was das Bestellungsverfahren angeht, kann kein zu detailliertes Verfahren erwartet werden um die Bestimmtheit nach § 58 Nr. 3 BGB zu garantieren, dies wäre wohl in der Praxis auch nicht umsetzbar.

Das OLG Brandenburg lies in seinem Urteil die Frage offen, ob die Mitgliederversammlung zumindest die Kompetenz haben müsse, die Vorstandsbestellung wieder an sich zu ziehen. Ist diese Rückholkompetenz nicht in der Vereinssatzung sichergestellt, so könnte die Vereinsautonomie beeinträchtigt sein. Zumindest, dann wenn die Mitgliederversammlung dauerhaft keine Kompetenz mehr hätte den Vorstand zu wählen und abzuberufen.