BGH V ZB 5/22
Der Berechtigte eines dinglichen Vorkaufsrechts an einem Wohnungseigentum wird durch die reale Teilung des Grundstücks vor Eintritt des Vorkaufsfalls in seiner dinglichen Rechtsstellung nicht berührt

05.01.2024

Leitsatz | BGH V ZB 5/22

  1. Der Berechtigte eines dinglichen Vorkaufsrechts an einem Wohnungseigentum wird durch die reale Teilung des Grundstücks vor Eintritt des Vorkaufsfalls in seiner dinglichen Rechtsstellung nicht berührt, da sich das Vorkaufsrecht an dem abgeschriebenen, neuen Grundstück fortsetzt. Infolgedessen erfordert die Realteilung für sich genommen nicht die Zustimmung des dinglich Vorkaufsberechtigten.
  2. Die Aufhebung des Sondereigentums vor Eintritt des Vorkaufsfalls bedarf nicht der Zustimmung des dinglich Vorkaufsberechtigten.
  3. Die Änderung einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer (hier: Aufhebung des Sondernutzungsrechts) bedarf ebenfalls nicht der Zustimmung des Berechtigten eines dinglichen Vorkaufsrechts an einem Wohnungseigentum.

 

Sachverhalt | BGH V ZB 5/22

H., G. und K. sind Teileigentümer des Flurstücks 3/12, bestehend aus Gebäude und Freifläche. Zudem sind sie jeweils Eigentümer einer der drei Eigentumswohnungen. Die Gebäude und Freifläche ist verbunden mit Sondereigentum an Kellerräumen und Garage, sowie einer in der Urkunde eingezeichneten Gartenfläche, an welcher ein Sondernutzungsrecht besteht. Des Weiteren ist in den Wohnungsgrundbüchern jeweils ein Vorkaufsrecht für E. eingetragen. H., G. und K. veräußern nun mit notariellem Kaufvertrag an L. und L., die Beschwerdeführerin, zum hälftigen Miteigentum einen Teil der Gartenfläche. Bei dieser handelt es sich um einen Teil der der Teileigentumseinheit zugeordneten Sondernutzungsfläche. Zum Vollzug der Veräußerung beantragen die Beteiligten die Aufhebung des Sondereigentums samt den dazugehörigen Rechten an dem vertragsgegenständlichen Grundbesitz. Das Grundbuchamt teilte daraufhin den Beteiligten mit Zwischenverfügung mit, dass zur Aufhebung des Sondereigentums die Zustimmung des Vorkaufsberechtigten erforderlich sei. Gegen diese Zwischenverfügung richtet sich die Beschwerdeführerin mit einer Beschwerde, welche jedoch erfolglos blieb. Nun möchte sie mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde weiterhin die Aufhebung der Zwischenverfügung erreichen.

Entscheidung | BGH V ZB 5/22

Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

Es bedarf vorliegend neben der bereits erklärten Einigung der unmittelbar betroffenen Wohnungseigentümer keiner Zustimmung des dinglich Vorkaufsberechtigten E. gem. § 9 II WEG, §§877, 876 S. 1 BGB
Grundsätzlich kann eine Aufhebung des Sondereigentums nach §19 GBO nur mit der Bewilligung desjenigen erfolgen, dessen Recht von ihr betroffen ist. Dies kann auch in einer Eintragungsbewilligung eines zustimmungsbedürftigen Dritten liegen.

Bei der Eintragung der Grundstücksteilung wird vorliegend an dem abzuschreibenden Teil die bisherige Verbindung der Miteigentumsanteile mit dem Sondereigentum (§1 II und III WEG) aufgehoben und Bruchteilseigentum begründet. Zutreffend ist daher, dass zur Aufhebung des Sondereigentums wegen der darin liegenden Inhaltsänderung des Miteigentums gem. §9 II WEG, §§ 877, 876 S. 1 die Zustimmung des dinglich Berechtigten bedarf. Zugleich schützen die Bestimmungen der §§ 876, 877 BGB auch den Inhaber eines Rechts an einem Grundstück (Zweigrecht), welcher ein anderes an diesem Grundstück bestehendes Recht (Hauptrecht) belastet, indem es die rechtsgeschäftliche Aufhebung und Änderung des Hauptrechts von seiner Zustimmung abhängig macht.

Vorliegend liegt eine Inhaltsänderung des Eigentums darin, dass die an der Teilfläche bisher bestehende Verbindung der Miteigentumsanteile mit dem Sondereigentum aufgehoben und das Wohnungsgrundbuch geschlossen wird. Ein dem Wohnungseigentümer zustehendes Sondernutzungsrecht erlischt kraft Gesetzes. Zudem kommt es bei dem Stammgrundstück durch dessen Verkleinerung zu einer Inhaltsänderung (obwohl die bisherige Verbindung des Sondereigentums mit dem entsprechenden Miteigentumsanteil unverändert erhalten bleibt, liegt die Änderung des Inhalts eines Rechts bereits darin, dass der Gegenstand – hier das Grundstück- auf den sich das Recht bezieht, verändert wird).
Dennoch ist eine Zustimmung des dinglich Vorkaufsberechtigten vorliegend nicht notwendig, weil seine dingliche Rechtsstellung – iSd. §876 S. 2- durch die Änderung nicht berührt würde.
Weder reale Teilung noch Aufhebung des Sondereigentums nach § 9 II WEG, §§ 877, 876 BGB benötige die Zustimmung des dinglich Vorkaufsberechtigten.
Zum einen, weil sich das Vorkaufsrecht an dem abgeschriebenen, neuen Grundstück auch nach der realen Teilung des Grundstücks -vor Eintritt des Vorkaufsfalls- fortsetzt, womit im Umkehrschluss die dingliche Rechtsstellung des Berechtigten eines dinglichen Vorkaufsrechts -an einem Wohnungseigentum- nicht beeinträchtigt wird. Zusammengefasst ändert die Aufteilung des Grundstücks nichts an dem Vorkaufsrecht, es kommt zu keiner rechtlichen Beeinträchtigung.

Des Weiteren sei von der Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass bestimmte dingliche Belastungen des aufgeteilten Grundstücks als Ganzes und einheitliche Belastungen aller Wohnungseigentumsrechte bei der Beendigung des Sondereigentums inhaltsgleich am ungeteilten Grundstück fortgesetzt werden würden. Daher sind die dinglich Berechtigten durch die Beendigung des Sondereigentums rechtlich auch nicht betroffen, eine Zustimmung ist nicht erforderlich.

Obwohl in diesem Fall die individuellen Wohnungseigentumsrechte mit dinglichen Vorkaufsrechten belastet sind, bleiben diese Belastungen weiterhin an dem neuen, abgeschriebenen Grundstück bestehen, obwohl die Grundbucheintragung die Verbindung der Miteigentumsanteile mit dem Sondereigentum aufhebt. Grund dafür ist, dass die Miteigentumsanteile, die mit Sondereigentum verbunden sind, eine besondere rechtliche Struktur haben. Die Rechte, die das aufgeteilte Grundstück belasten, bestehen im Grundsatz als Gesamtrecht an den einzelnen Teilen weiter, die durch die Aufteilung zu eigenständigen Grundstücken geworden sind.

Zudem steht §1095 BGB der Entstehung von Einzelvorkaufsrechten nicht entgegen, weil diese Vorschrift lediglich die Bedingungen zum Zeitpunkt der Bestellung des Vorkaufsrechts regelt und spätere Veränderungen nicht verhindert.

Zum anderen bedürfe auch die Aufhebung des Sondereigentums vor Eintritt des Vorkaufsfalls nicht der Zustimmung des dinglich Vorkaufsberechtigten. Grund dafür ist, dass das Vorkaufsrecht nur die Erwerbsmöglichkeit schützt, hinsichtlich tatsächlicher Einwirkungen auf die Sache stünden dem Vorkaufsberechtigten keine Ansprüche zu. Bis zum Eintritt des Vorkaufsfalls bedarf es seiner Zustimmung zur Änderung des Inhalts des Sondereigentum weder bei Aufhebung des Sondereigentums auf den unbebauten Teil des Grundstücks noch bei insgesamter Aufhebung des Sondereigentums. Folglich habe der Vorkaufsberechtigte E. Änderungen des Inhalts des Sondereigentums hinzunehmen.

Gleichsam bedarf es nicht der Zustimmung zur Aufhebung des Sondernutzungsrechtes, da sich das Vorkaufsrecht nur auf den Zustand des Wohnungs- und Teileigentums bezieht, in dem es sich zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags befindet, der den Vorkaufsfall auslöst.

Praxishinweis | BGH V ZB 5/22

Die Entstehung von Einzelvorkaufsrechten wird nicht durch § 1095 BGB behindert, da diese Vorschrift lediglich die Bedingungen zum Zeitpunkt der Bestellung des Vorkaufsrechts regelt und spätere Veränderungen nicht verhindert. Empfehlenswert ist es, solche Änderungen im Grundbuch klar zu vermerken, um Zweifel auszuschließen.

Das Vorkaufsrecht schützt lediglich die Erwerbsmöglichkeit, wegen tatsächlicher Einwirkungen auf die Sache hat der Berechtigte bis zum Eintritt des Vorkaufsfalls keine Ansprüche, auch eine Zustimmung ist nicht notwendig.