BFH X R 17/16
BFH begrenzt Bemessungsgrundlage beim Abzugsverbot für Schuldzinsen

14.08.2018

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BFH
14.03.2018
X R 17/16
DStR 2018, 1545

Leitsatz | BFH X R 17/16

1. Für die Berechnung der Überentnahme nach § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG ist zunächst vom einkommensteuerrechtlichen Gewinn auszugehen. Dieser Begriff umfasst auch Verluste.

2. Verluste führen für sich genommen nicht zu Überentnahmen. Die Bemessungsgrundlage für die nicht abziehbaren Schuldzinsen ist im Wege teleologischer Reduktion zu begrenzen.

3. Die Bemessungsgrundlage für die nicht abziehbaren Schuldzinsen ist begrenzt auf den Entnahmenüberschuss des Zeitraums von 1999 bis zum aktuellen Wirtschaftsjahr (entgegen Rz 11 f. des BMF-Schreibens vom 17. November 2005 IV B 2 -S 2144- 50/05, BStBl I 2005, 1019).

Sachverhalt | BFH X R 17/16

Der Kläger erzielt seit 1999 Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus dem Handel mit neuen und gebrauchten Fahrzeugen. Seine Gewinnermittlung erfolgte durch Bestandsvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG). Dabei erzielte er in den Jahren sowohl Gewinne als auch Verluste, er leistete Einlagen und tätigte Entnahmen in sehr stark schwankenden Höhen. Es waren ebenfalls Schuldzinsen angefallen. In den Streitjahren 2007 (Gewinn 80.376 €) und 2008 (Gewinn 91.543,74 €) versagte das Finanzamt den Klägern, aufgrund von Überentnahmen nach § 4 Abs. 4a EStG ein Teil der Schuldzinsen als Betriebsausgeben abzuziehen. Diese seien dann dem Gewinn mit zuzurechnen und mittels einer formlosen Verlustfortschreibung mit den bisher unberücksichtigt gebliebenen Verlusten aus den Vorjahren zu verrechnen.

Entscheidung | BFH X R 17/16

Gemäß § 4 Abs. 4a EStG sind Schuldzinsen aus den Streitjahren nicht abziehbar und somit dem Gewinn hinzuzurechnen. Voraussetzung für die Abziehbarkeit der betrieblich veranlassten Schuldzinsen ist, dass die Summe aus Einlagen und Gewinn nicht höher sein darf als die getätigten Entnahmen, andernfalls liegen Überentnahmen nach § 4 Abs. 4a EStG vor. Für die Berechnung eines Abzugsverbotes werden Über- und Unterentnahmen während der Totalperiode zusammengerechnet. Der Unternehmer darf seinem Unternehmen bei negativem Eigenkapital nicht mehr Mittel entziehen, als er ihm zuführt. Die Formulierung des § 4 Abs. 4a EStG ist allerdings so weit gefasst, dass auch ohne jegliche Entnahmen durch den Unternehmer, allein durch betrieblichen Verlust, schon das Schuldzinsabzugsverbot greifen kann. Es bedarf einer teleologischen Reduktion insoweit, als dass bei Betrachtung des Verlustjahres die Überentnahme die Entnahme nicht übersteigen darf und ebenfalls nicht höher sein darf als die Differenz zwischen Entnahme und Einlage. Sind die Entnahmen niedriger als die Einlagen, wird der Einlagenüberschuss mit dem Verlust verrechnet. So muss auf den Einnahmeüberschuss der Totalperiode abgestellt werden. Ein in dieser Phase erwirtschafteter Verlust soll die Bemessungsgrundlage des § 4 Abs. 4a EStG nicht erhöhen. Verluste, gleich ob aus dem aktuellen Jahr oder aus Vorjahren, werden nicht unterschiedlich behandelt, für eine solche Differenzierung bestehen keine ausreichend wesentlichen Unterschiede.

Die kumulierten Überentnahmen betrugen zwischen dem Jahr der Geschäftsaufnahme und dem Streitjahr 2007 696.931 €, zum Streitjahr 2008 630.908 €. Zum Streitjahr 2007 hatte der Kläger aber nur 391.467 € mehr eingelegt, als er entnommen hatte (im Zeitraum bis 2008 419.913 €). Diese Werte unterschreiten die Beiträge der kumulierten Überentnahmen und sind somit die Bemessungsgrundlage für die nicht abzugsfähigen Schuldzinsen. Es liegen durch die entstandenen Verluste keine Überentnahmen vor.

Praxishinweis | BFH X R 17/16

Da es nach der Auffassung des Bundesfinanzhofes keinen Unterschied macht, in welchem Jahr die Entnahme oder Einlage getätigt wurde und es ebenfalls ohne Bedeutung ist, in welchem Jahr innerhalb der Totalperiode, Gewinne oder Verluste erwirtschaftet wurden, ist besonders Einzelunternehmen und Personengesellschaften als Steuerpflichtigen zu einer umfangreichen und auch auf die Zukunft ausgerichteten Planung zu raten. Auch erst später eintretende Verluste nach erfolgreichen Geschäftsjahren sind in der Lage, Entnahmen aus früheren Gewinnjahren in steuerschädliche Überentnahmen umzuwandeln.