BGH IX ZB 28/22
Beschwerderecht gegen Vergütungsfestsetzungsbeschluss im Gesamtvollstreckungsverfahren

28.02.2024

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
16.03.2023
IX ZB 28/22
juris

Leitsatz | BGH IX ZB 28/22

  1. Die von oder gegenüber einem Insolvenz- oder Gesamtvollstreckungsverwalter vorgenommenen Rechtshandlungen bleiben nach seiner Abberufung auch gegenüber dem neu bestellten Verwalter wirksam. Das gilt namentlich für gerichtliche Zustellungen und damit in Lauf gesetzte Fristen.  
  2. Lehnt das Gericht es ab, einen Vergütungsfestsetzungsbeschluss von Amts wegen zu ändern, eröffnet dies kein Rechtsmittel zugunsten eines Beteiligten, für den die Beschwerdefrist gegen diesen Beschluss bereits abgelaufen ist.

 

Sachverhalt | BGH IX ZB 28/22

Am 1. Oktober 1997 begann das Gesamtvollstreckungsverfahren für die Schuldnerin und der Beteiligte zu 2 wurde zum Gesamtvollstreckungsverwalter ernannt. Am 30. Juli 2008 stimmte die Gläubigerversammlung einem Vergleich zu, der von dem zuständigen Gericht bestätigt wurde. Mit Beschluss vom 11.09.2009 wurde die Vergütung des Beteiligten zu 2 auf 17.493.000 € festgesetzt.

Im April 2017 wurde der Beteiligte zu 2 abberufen und durch einen neuen Verwalter ersetzt. Nach dessen Tod im Jahr 2019 ernannte das Gericht den Beteiligten zu 1 zum neuen Verwalter. Dieser beantragte die Aufhebung des Vergütungsbeschlusses von 2009 und legte sofortige Beschwerde gegen den Beschluss ein. Das Gericht hat im Februar 2021 den Beschluss geändert und die Vergütung des Beteiligten zu 2 auf 6.500.000 € festgesetzt. Das Landgericht hat diesen Änderungsbeschluss aufgehoben. Im Rahmen einer Rechtsbeschwerde verfolgt der Beteiligte zu 1 sein ursprüngliches Begehren weiter.

 

Entscheidung | BGH IX ZB 28/22

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO zulässig, da Entscheidungen des Gesamtvollstreckungsgerichts nach § 20 GesO mittels sofortiger Beschwerde anfechtbar sind und das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zugelassen hat. Allerding ist sie unbegründet. Das Beschwerdegericht argumentierte, dass Gesetz erlaube dem Gericht eine Abänderung der Entscheidung nur bis zum Ablauf der Beschwerdefrist. Diese sei vorliegend nicht in Kraft gesetzt worden, allerdings hätten die Beteiligten ihr Beschwerderecht verwirkt. Denn die Bekanntmachung sei zwar unvollständig, aber hinreichend genug gewesen, um eine Obliegenheit der Beteiligten zu begründen, sich über den Inhalt des Vergütungsfestsetzungsbeschlusses selbst zu informieren.

Der BGH hält dies im Ergebnis richtig. Der Beteiligte zu 1 hatte kein Beschwerderecht gegen den zugunsten seines Vorgängers ergangenen Vergütungsbeschluss, da die Beschwerdefrist bereits abgelaufen war. Der Gesamtvollstreckungsverwalter ist Inhaber eines privaten Amtes, weshalb die bisher von ihm vorgenommenen Rechtshandlungen und Verfügungen in ihrer Wirksamkeit auch unberührt bleiben, wenn ein neuer Verwalter bestellt wird. Aus demselben Grund sind auch gegenüber dem Amtsvorgänger in der Vergangenheit vorgenommene Rechtshandlungen, wie eine Zustellung, im Verhältnis zum neuen Gesamtvollstreckungsverwalter wirksam. Das zuständige Gericht hat den Beschluss vom 11.09.2009 dem Beteiligten zu 2 als damaligen Gesamtvollstreckungsverwalter zustellen lassen. Hiergegen bestehen auch keine Bedenken. Der Ablauf der an die Zustellung an den Beteiligten zu 2 geknüpften Beschwerdefrist gem. § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO gilt somit auch für den Beteiligten zu 1 als Nachfolger im Amt.

Zwar besteht grundsätzlich die Möglichkeit, einen mit der sofortigen Beschwerde anfechtbaren Beschluss von Amts wegen zu ändern, wenn die Beschwerdefrist noch läuft. Wird dies jedoch abgelehnt, ist dadurch kein Rechtsmittel zugunsten eines Beteiligten eröffnet, für den die Beschwerdefrist bereits abgelaufen ist. Anderenfalls würde § 569 Abs. 1 ZPO umgangen.

 

Praxishinweis | BGH IX ZB 28/22

Der BGH hat im vorliegenden Fall auch darauf hingewiesen, dass der Vergütungsbeschluss nicht nichtig ist. Dies wird nur bei schwersten Verfahrensfehlern angenommen, welche hier nicht ersichtlich waren.