OLG Köln 18 U 139/21
Beschlussfeststellungskompetenz in einer GmbH durch einfachen Gesellschafterbeschluss

28.04.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Köln
21.07.2022
18 U 139/21
NJW-Spezial 2022, 561

Leitsatz | OLG Köln 18 U 139/21

Die Befugnis zur Feststellung des Zustandekommens eines Beschlusses der Gesellschafter kann durch Mehrheitsbeschluss dem Leiter der Gesellschafterversammlung oder einem Gesellschafter zugewiesen werden.

Sachverhalt | OLG Köln 18 U 139/21

Die Beklagte ist eine GmbH mit drei Gesellschafter-Geschäftsführern, wovon einer der Kläger ist. Laut Satzung der GmbH muss die Gesellschafterversammlung von einem Versammlungsleiter, der aus deren Mitte gewählt wird, geleitet werden. Grundsätzlich war das Mehrheitsprinzip für Gesellschafterbeschlüsse vorgesehen, soweit nicht im Gesetz oder dem Gesellschaftsvertrag anders geregelt.

Mitte 2019 legte der Kläger sein Amt als Geschäftsführer aus wichtigem Grund nieder, sein Geschäftsführerdienstvertrag wurde mit Wirkung zu Ende Juni 2019 aufgehoben. Am 17.12.2019 wurden dann gegen den Widerspruch des Klägers die Gehälter der beiden verbleibenden Geschäftsführer rückwirkend zum 01.01.2019 erhöht und die Feststellung des Jahresabschlusses für 2018 beschlossen. Am 05.06.2020 wurde durch diese beiden Geschäftsführer, entgegen der Stimme des Klägers, die Feststellung des Jahresabschlusses für 2018 ein weiteres Mal festgestellt und die Beschlussfeststellungskompetenz des Gesellschafters 1 beschlossen, sowie festgestellt.

Der Kläger erklärte am 25.06.2020 seinen Austritt aus der GmbH zum 31.12.2020. Er erhob gegen die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung vom 17.12.2019, sowie vom 05.06.2020 Beschlussfeststellungsklage. Die rückwirkende Erhöhung der Geschäftsführervergütung sei ein unberechtigter Vorteil für die beiden Mitgesellschafter und ihm seien weiterhin Informationen vor der Feststellung des Jahresabschlusses für das Jahr 2018 verwehrt worden. Ohne Satzungsregelung und einstimmigen Beschluss habe dem Versammlungsleiter zudem keine Beschlussfeststellungskompetenz verliehen werden können.

Entscheidung | OLG Köln 18 U 139/21

Das OLG gab der Klage insoweit statt, als dass sie die Beschlüsse vom 17.12.2019 betraf. Hinsichtlich der Beschlüsse vom 05.06.2020 wurde die Klage abgewiesen.

Die Anfechtungsbefugnis des Klägers entfalle erst dann, wenn dieser nicht mehr in der Gesellschafterliste eingetragen gewesen sei. Auch verstießen die Beschlüsse vom 17.12.2019 durch die rückwirkende Erhöhung der Gehälter der Mitgesellschafter gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und die Informationsrechte hinsichtlich des Jahresabschlusses seien verletzt worden. Demnach seien die Beschlüsse anfechtbar.

Einem Gesellschafter oder Versammlungsleiter könne weiterhin durch einen einfachen Gesellschafterbeschluss die Beschlussfeststellungskompetenz zugewiesen werden. Dies war in der Vergangenheit sehr umstritten und Gegenstand diverser Verfahren (OLG Frankfurt v. 06.11.2008; OLG Brandenburg v. 05.01.2017). Die Beschlussfeststellungskompetenz könne nicht nur durch Satzungsänderung oder einstimmigen Gesellschafterbeschluss zugewiesen werden. Während die Beschlussfeststellung durch den Versammlungsleiter nur deklaratorische Bedeutung habe, müsse das tatsächliche Ergebnis im Rahmen von Beschlussanfechtungsklage oder -feststellungsklage geklärt werden. Dabei sei es maßgeblich Rechtssicherheit im Hinblick auf die Beschlusslage zu schaffen – für alle Gesellschafter. Es entstünden keine Nachteile oder signifikanten Risiken für die Gesellschafterminderheiten, weil sie rein vorsorglich eine Beschlussanfechtungsklage oder positive Beschlussfeststellungsklage erheben würden und dabei von Beginn an klar sei, dass nur eine der Klagen erfolgreich sein würde.

Praxishinweis | OLG Köln 18 U 139/21

Die Mehrheit der Gesellschafterversammlung kann einen Versammlungsleiter mit Feststellungskompetenz wählen. Dieser kann die Beschlussergebnisse mit vorläufiger Verbindlichkeit feststellen. Damit bleibt die Entscheidungshoheit über die Belange der Gesellschaft bei der Mehrheit der Gesellschafter. Dementsprechend muss durch die Minderheit der Gesellschafter auf die Feststellung des Versammlungsleiters und die Zuweisung der Beschlussfeststellungskompetenz bei Erstellung der Satzung bereits im Vornherein ein besonderes Augenmerk gelegt werden.