OLG Bremen 3 W 22/21
Belastung eines Grundstücks mit einer Finanzierungsgrundschuld aufgrund transmortaler Vollmacht

03.03.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Bremen
29.11.2021
3 W 22/21
ZEV 2022, 157

Leitsatz | OLG Bremen 3 W 22/21

Die Voreintragung des Berechtigten ist nicht entsprechend § 40 Abs. 1 GBO entbehrlich, wenn ein Bevollmächtigter aufgrund einer von dem noch als Eigentümer eingetragenen Erblasser erteilten transmortalen Vollmacht nach dem Ableben des Vollmachtgebers eine Finanzierungsgrundschuld an einem Nachlassgrundstück eintragen lassen will (entgegen OLG Celle v. 15.08.2019 – 18 W 33/19, ZEV 2019, 712; OLG Köln v. 16.03.2018 – 2 Wx 123/18, ZEV 2018, 418; OLG Stuttgart v. 17.10.2018 – 8 W 311/18, BeckRS 2018, 27397, ZEV 2019, 109 Ls.; OLG Frankfurt v. 27.06.2017 – 20 W 179/17, ZEV 2017, 719; KG v. 22.10.2020 – 1 W 1357/20, FGPrax 2021, 4, ZEV 2021, 62 Ls.). (amtl. Ls.)

Sachverhalt | OLG Bremen 3 W 22/21

Im Grundbuch sind die Antragstellerin 1 und ihr verstorbener Ehemann je zu einer Hälfte als Miteigentümer eingetragen. Mit notarieller Urkunde hatten die beiden ihren Kindern eine Vorsorgevollmacht in allen persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten eingeräumt, die auch über den Tod der Vollmachtgeber wirksam bleiben sollte (sog. transmortale Vollmacht). Mit notariellem Kaufvertrag veräußerten die Bevollmächtigten unter Berufung auf die ihnen erteilten Vollmachten den Grundbesitz an die Antragstellerin 3 und bewilligten die Auflassungsvormerkung. Des Weiteren räumten sie ihr das Recht ein, das Grundstück bereits vor Eigentumsumschreibung mit einem Grundpfandrecht zu belasten. Daraufhin bestellte Antragstellerin 3 eine Grundschuld zugunsten ihrer Bank. Der Notar beantragte die Eintragung der Grundschuld, sowie die Eintragung der Auflassungsvormerkung. Das Grundbuchamt teilte mit, dass aufgrund des Versterbens des Ehemanns zunächst eine Grundbuchberichtigung zugunsten der Erben durchzuführen wäre. Die Ausnahme des § 40 GBO greife nicht, weshalb eine Voreintragung nach § 39 GBO erforderlich ist. Nach Beschwerde der Antragsteller hat das Grundbuchamt dieser nicht abgeholfen, sondern sie dem OLG Bremen zur Entscheidung vorgelegt.

Entscheidung | OLG Bremen 3 W 22/21

Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Legt der Notar als Verfahrensbevollmächtigter eine Beschwerde ein, sind grundsätzlich alle Antragsberechtigte als Beschwerdeführer anzusehen. Zwar ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob die Voreintragung der Erben nach §§ 39, 40 GBO auch erforderlich ist, wenn ein transmortal Bevollmächtigter über ein Grundstück verfügt und es mit einer Finanzierungsgrundschuld belastet. Dieses Erfordernis bejaht das OLG Bremen hier.

Zunächst ist § 40 GBO nach seinem Wortlaut im Falle der Belastung eines Grundstücks mit einem Grundpfandrecht durch einen transmortal Bevollmächtigten nicht unmittelbar einschlägig. Weder handelt es sich bei einer Grundschuld um die Übertragung eines Rechts, noch erfolgt der Antrag durch den Nachlasspfleger oder den Erblasser selbst. Die transmortale Vollmacht führt nach dem Tod des Vollmachtgebers jedoch zu einer Vertretererklärung für den an die Stelle des Verstorbenen getretenen Erben; sie ist rechtlich nicht als Erklärung des Erblassers anzusehen.

Jedoch ist auch eine entsprechende Anwendung des § 40 I GBO vorliegend nach Ansicht des Senats nicht möglich. Hierfür müsste zunächst eine planwidrige Regelungslücke vorliegen. Bereits dies ist fraglich, da die Problematik bereits seit 105 Jahren bekannt ist, ohne dass der Gesetzgeber eingeschritten wäre. In jedem Fall fehlt es dem Senat nach aber an einer vergleichbaren Interessenslage. Denn die Bestellung einer Grundschuld könne nicht mit der Übertragung eines Rechts gleichgesetzt werden. Auch eine Vergleichbarkeit zur Auflassungsvormerkung bestehe nicht, da die Grundschuld nicht akzessorisch ist und somit gerade unabhängig von dem Übertragungsanspruch besteht. Die Grundschuld würde also auch dann weiter eingetragen bleiben, wenn die Berechtigung des Bewilligenden aus dem Grundbuch nicht ersichtlich wäre. Des Weiteren ist das Handeln eines transmortal Bevollmächtigten nicht mit dem eines Nachlasspflegers vergleichbar. Die Ausnahme des § 40 I GBO wird dadurch gerechtfertigt, dass der Erbe noch nicht feststeht, die Eintragung eines unbekannten Erben aber nur in sehr engen Ausnahmefällen zulässig ist. Hingegen gilt die transmortale Vollmacht gerade auch gegenüber bekannten Erben. Hinzu kommt, dass es die Aufgabe des Nachlasspflegers ist, den Nachlass für den wirklichen Erben als treuhänderische Amtsperson zu sichern und zu erhalten. Ein transmortal Bevollmächtigter hat gegenüber den Erben keine entsprechende Fürsorgepflicht und kann daher auch eigene, den Interessen der Erben durchaus zuwiderlaufende Interessen verfolgen.

Zwar ist durchaus ein praktisches Bedürfnis zu erkennen, die kostenpflichtige und zeitaufwändige Grundbuchberichtigung in solchen Fällen zu vermeiden. Dies kann jedoch nicht über die Aufgabe des Grundbuchs gestellt werden, die eintretenden dinglichen Rechtsänderungen unter Geltung des Voreintragungsgrundsatzes möglichst lückenlos und Schritt für Schritt für den Rechtsverkehr zu dokumentieren. Ansonsten wäre es hier Aufgabe des Gesetzgebers tätig zu werden.

Praxishinweis | OLG Bremen 3 W 22/21

Die dargestellte Entscheidung nimmt Bezug auf die Meinung des OLG Oldenburg (v. 23.03.2021 – 12 W 38/21). Das Gericht führt aus, dass eine analoge Anwendung des § 40 GBO eine vergleichbare Interessenlage voraussetzt, welche im Falle der Finanzierungsgrundschuld nicht gegeben sei. Eine Norm soll insbesondere dann nicht analog auf abweichende Rechtskonstellationen anwendbar sein, wenn dadurch der Sinn und Zweck der Vorschrift unterlaufen würde. Für die Erben bzw. die Käufer eines Nachlassgrundstücks sollte daher grundsätzlich eine Voreintragung der Erben bewirkt werden.

Es bleibt zu beachten, dass der dargestellte Entscheid nicht einer allgemein geltenden Meinung entspricht. Insbesondere die OLGs Celle (Beschluss vom 16.08.2019 – 18 W 33/19), Frankfurt (Beschluss vom 27.06.2017 – 20 W 179/17), Köln (Beschluss vom 16.03.2018 – 2 Wx 123/18), und Stuttgart (Beschluss vom 17.10.2018 – 8 W 311/18) nehmen eine analoge Anwendung des § 40 I GBO an. Dies wird mit der rechtskonstruktiven Vergleichbarkeit des Handelns von transmortal Bevollmächtigten und Nachlasspflegern begründet. Außerdem soll § 40 GBO den Erben die Kosten einer unnötigen Eintragung ersparen, wenn diese durch Übertragung des ererbten Rechts ohnehin alsbald wieder aus dem Grundbuch ausscheiden würden. Schließlich besteht auch der Sache nach eine Vergleichbarkeit zwischen der Eintragung der Auflassungsvormerkung, bei der nach allgemeiner Meinung keine Voreintragung der Erben erforderlich sein soll, und der Eintragung von Finanzierungsbelastungen. Denn in beiden Konstellationen steht von vornherein fest, dass eine Eintragung des Käufers im Grundbuch innerhalb verhältnismäßig kurzer Zeit nachfolgen werde.

Da eine Rechtsbeschwerde zugelassen wurde, bleibt abzuwarten, ob sich der BGH in nächster Zeit mit der skizierten Problemstellung befassen wird.