KG 22 W 61/19
Bedeutung der „einfachen Mehrheit“ in Vereinssatzungen und Gesellschaftsverträgen

28.10.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

KG
23.05.2020
22 W 61/19
RNotZ 2020, 475

Leitsatz | KG 22 W 61/19

Ist für einen Beschluss nach der Satzung eines Vereins eine einfache Mehrheit erforderlich, ist diese erreicht, wenn für den Beschlussgegenstand mehr Stimmen abgegeben werden als gegen ihn. Dabei kommt es auf die abgegebenen Stimmen an. Stimmenthaltungen werden nicht mitgezählt.

Sachverhalt | KG 22 W 61/19

Ein Verein führt eine Mitgliederversammlung durch, bei der per Brief abgestimmt wird und der Versammlungsleiter bei einer Gesamtzahl von 172 abgegebenen Stimmen feststellt, dass ein Vorstandsmitglied mit 79 Ja-Stimmen gewählt sei und ein anderes mit 74. Angaben zu Gegenstimmen und Stimmenthaltungen enthält das Protokoll nicht. Auf den Hinweis des Vereinsregisters, dass bei 172 abgegebenen Stimmen für die Wahl mindestens 87 Ja-Stimmen erforderlich seien, sofern sich kein Mitglied der Stimme enthalten habe, weist der Verein darauf hin, dass das Vereinsregister den Begriff der relativen Mehrheit verkenne. Die Satzung des Vereins habe nämlich die Bestimmung enthalten, dass die Mitgliederversammlung ihre Beschlüsse mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen fasse und dies sei als relative Mehrheit zu verstehen. Das Amtsgericht, Vereinsregister, wies die Anmeldung zurück.

Entscheidung | KG 22 W 61/19

Die Beschwerde hatte keinen Erfolg. Aus dem Protokoll der Mitgliederversammlung sei nicht ersichtlich, dass die neu angemeldeten Vorstände wirksam gewählt worden seien. Das Protokoll gebe nicht wieder, wie diejenigen abgestimmt haben, die nicht mit Ja gestimmt haben. Theoretisch sei es möglich, dass diese allesamt mit Nein abgestimmt hätten. Sehe aber die Satzung eine sog. einfache Mehrheit vor, so sei die nur erreicht, wenn die für den Wahlvorschlag votierenden Vereinsmitglieder die Mehrheit gegenüber den übrigen abgegebenen Stimmen ausmachen (absolute Mehrheit). Es sei also für eine wirksame Wahl erforderlich, dass mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen mit Ja gestimmt habe, wobei Stimmenthaltungen und ungültige Stimmen bei der Festlegung nicht mitgezählt werden. Insoweit verweist das Kammergericht auf die gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. z.B. BGH v. 12.01.1987 – II ZR 152/86). Nur wenn die Satzung eine relative Mehrheit habe ausreichen lassen wollen, seien die Kandidaten gewählt, die die meisten Stimmen hätten auf sich vereinigen können. Aus dem Begriff der einfachen Mehrheit folge aber eben nicht, dass die relative Mehrheit ausreiche. Insofern hätte es einer anderen Satzungsformulierung bedurft.

Praxishinweis | KG 22 W 61/19

Die Entscheidung ist nicht nur für Vereine, sondern auch für GmbHs von großer Bedeutung, da der Unterschied zwischen einfacher und relativer Mehrheit häufig nicht sauber in Gesellschaftsverträgen und Vereinssatzungen herausgearbeitet wird. Auch die Frage, wie Nein-Stimmen und unwirksam abgegebene Stimmen zu werten sind, ist häufig unklar. Soll die relative Mehrheit ausreichen, was nicht selten gewünscht ist, so ist dies in der Satzung bzw. dem Gesellschaftsvertrag klarzustellen.