BayObLG 101 SchH 46/22
Auslegung einer Schiedsklausel in einem GmbH-Gesellschaftsvertrag

24.04.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BayObLG
10.10.2022
101 SchH 46/22
NJW-Spezial 2022, 687

Leitsatz | BayObLG 101 SchH 46/22

  1. Bestimmt eine Schiedsklausel als maßgebliche Verfahrensordnung die Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e. V., so besteht ein Schiedsgericht für die jeweilige Streitsache erst mit der Konstituierung.
  2. Ein Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens nach § 1032 Abs. 2 ZPO ist rechtzeitig gestellt, wenn er vor diesem Zeitpunkt bei Gericht anhängig gemacht worden ist.
  3. Die Einreichung einer Schiedsklage bei der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e. V. (DIS) ist nicht vergleichbar mit der Anrufung eines ständigen Schiedsgerichts, das als dauerhafte Einrichtung vorgehalten wird, sodass es keiner fallweisen Konstituierung bedarf.
  4. Eine Schiedsklausel, die korporativer Bestandteil des Gesellschaftsvertrags einer GmbH ist, ist gemäß den für solche Satzungsbestimmungen geltenden Grundsätzen nach objektiven Gesichtspunkten auszulegen.
  5. Eine nach objektivem Verständnis auszulegende Schiedsklausel in der Satzung einer GmbH, die ausdrücklich alle Streitigkeiten, Ansprüche und Meinungsverschiedenheiten der Gesellschafter in ihrem Verhältnis untereinander und zur Gesellschaft erfasst, wenn die Differenzen den Gesellschaftsvertrag betreffen oder mit ihm in Zusammenhang stehen, ist grundsätzlich weit auszulegen.
  6. Eine weite Schiedsklausel im Gesellschaftsvertrag einer GmbH bildet eine materiellrechtlich wirksame Grundlage für eine schiedsgerichtliche Zuständigkeit in Beschlussmängelstreitigkeiten (nur) dann, wenn sie die in höchstrichterlicher Rechtsprechung aufgestellten Mindestanforderungen erfüllt (hier bejaht).

Sachverhalt | BayObLG 101 SchH 46/22

Vorliegend ist die Zulässigkeit schiedsgerichtlicher Verfahren strittig.

Die Antragstellerin seit der Gründung der Antragsgegnerin, einer GmbH, an dieser mit einem Anteil von 8% am Stammkapital beteiligt. Die Nebenintervenientin ist laut Antragstellerin mit 51% am Stammkapital der GmbH beteiligt, laut der Nebenintervenientin mit 50%. Zwischen den Gesellschafterinnen bestehen seit Mitte 2021 Differenzen, welche sich auch in verschiedenen Beschlussanträgen in mehreren Gesellschafterversammlungen zeigten.

§ 8 Ziff. 4 des Gesellschaftsvertrags der GmbH bestimmt, dass sämtliche Beschlüsse die von den Gesellschaftern gefasst wurden, von einem Protokollführer schriftlich zu protokollieren sind. Dieser wird von der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gewählt. Der Inhalt des Protokolls gilt dann als zutreffend, wenn er nicht innerhalb von zwei Wochen nach Empfang einer Kopie des Protokolls, schriftlich und unter Angabe von Gründen, Einwendungen gegenüber der Gesellschaft gemacht werden.

Für die „gerichtliche Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen“ ist im § 9 Ziff. 5 des Gesellschaftsvertrags eine Ausschlussfrist von einem Monat nach Empfang des Beschlussprotokolls vorgesehen.
In § 17, der Schiedsgerichtsklausel des Gesellschaftsvertrags, heißt es dann weiter:

„17.1 Über alle Streitigkeiten, Ansprüche und Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gesellschaftern untereinander bzw. in ihrem Verhältnis zur Gesellschaft, welche diesen Gesellschaftsvertrag betreffen oder damit im Zusammenhang stehen, entscheidet unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges – soweit dem nicht zwingendes Recht entgegensteht – abschließend ein Schiedsgericht nach der Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit eV (DIS). Dies gilt auch für Streitigkeiten über die Wirksamkeit, die Durchführung und die Beendigung dieses Gesellschaftsvertrages, einzelner seiner Vertragsbestimmungen oder etwaiger Nachträge hierzu sowie auch für Ansprüche, die im Wege des Urkunden- oder Wechselprozesses gemäß §§ 592 ff. ZPO geltend gemacht werden können. Die Vorschriften des 5. Buches der ZPO zum Urkunden- und Wechselprozess finden auf das Verfahren vor dem Schiedsgericht keine Anwendung.
17.2 Das Schiedsgericht ist auch zuständig für Streitigkeiten zwischen einem bereits ausgeschiedenen Gesellschafter und der Gesellschaft oder einem anderen Gesellschafter, sofern und soweit der Streit diesen Gesellschaftsvertrag betrifft. Das Schiedsgericht ist ferner zuständig für Gestaltungsklagen aus dem Gesellschaftsvertrag sowie zur Feststellung der Änderung oder Ergänzung des Wortlautes des Gesellschaftsvertrages. Das Schiedsgericht ist demgemäß auch dazu berufen, in streitigen Fällen, die im Gesellschaftsvertrag nicht geregelt sind, die dem Sinn des Gesellschaftsvertrages entsprechende rechtsgestaltende Entscheidung zu treffen. Dies gilt insbesondere bei Meinungsverschiedenheiten über die Abgrenzung der Rechte und Pflichten der Gesellschafter.
17.3 Das Schiedsgericht besteht aus drei Schiedsrichtern. Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens ist Regensburg, es sei denn, dass sich die am Verfahren beteiligten Parteien einvernehmlich auf einen anderen Ort verständigen.“

Die Antragstellerin hat in Bezug auf die Beschlussfassungen in den Gesellschafterversammlungen am 12.07.2021, 16.12.2021, 21.1.2022 und 31.1.2022 bei der Deuten Institution für Schiedsgerichtsbarkeit eV (DIS) mit mehreren Schriftsätzen gegen die Antragsgegnerin wegen „Beschlussanfechtung“ und „Beschlussanfechtung und Beschlussfeststellung“ erhoben.

In dem ersten schiedsgerichtlichen Verfahren strebt die Antragstellerin das folgende Urteil an: „„Der nachfolgende, auf der Gesellschafterversammlung der Schiedsbeklagten vom Juli 2021 gefasste Gesellschafterbeschluss wird für nichtig erklärt. (…)“.

Das zweite schiedsgerichtliche Verfahren betrifft Beschlussfassungen der Gesellschafterversammlung vom 16.12.2021 und im Wege der „Beschlussanfechtung und Beschlussfeststellung“ verfolgt die Antragstellerin dabei folgendes Urteil: „Es wird festgestellt, dass nachfolgende, in der Gesellschafterversammlung der Schiedsbeklagten vom 16.12.2021 gefasste Ablehnungsbeschlüsse, das heißt Beschlüsse, mit denen das Nichtzustandekommen eines Beschlusses festgestellt wird, nichtig sind, hilfsweise werden diese etwaigen Ablehnungsbeschlüsse für nichtig erklärt. (…) Es wird festgestellt, dass in der Gesellschafterversammlung der Schiedsbekl. vom 16.12.2021 folgende Beschlüsse gefasst worden sind: (…)“.

In dem dritten schiedsgerichtlichen Verfahren geht es um die Beschlussfassungen in den Gesellschafterversammlungen vom 21.1.2022 und 31.1.2022 und die Anträge hierzu lauten: „Es wird festgestellt, dass nachfolgende, in der Gesellschafterversammlung der Schiedsbeklagten vom 21.1.2022 gefasste Ablehnungsbeschlüsse, dh Beschlüsse, mit denen das Nichtzustandekommen eines Beschlusses festgestellt wird, nichtig sind, hilfsweise werden diese etwaigen Ablehnungsbeschlüsse für nichtig erklärt: (…) Es wird festgestellt, dass in der Gesellschafterversammlung der Schiedsbekl. vom 21.1.2022 folgende Beschlüsse gefasst wurden und zustande gekommen sind: (…) Es wird festgestellt, dass der in der Gesellschafterversammlung der Schiedsbekl. vom 31.1.2022 gefasste Beschluss über (…) nichtig ist, hilfsweise wird dieser Beschluss für nichtig erklärt.“

Das DIS besitzt eine Schiedsgerichtsordnung, in deren Art. 1 es heißt:

„Diese Schiedsgerichtsordnung gilt für … schiedsrichterliche Verfahren („Schiedsverfahren“), in denen Streitigkeiten gemäß der Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e. V. („DIS“) beigelegt werden sollen (…). Bestandteil dieser Schiedsgerichtsordnung sind folgende Anlagen: (…)“.

In der dazugehörigen Anlage 5 sind die ergänzenden Regeln für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten festgelegt. In Ziff. 1.4 heißt es: „Haben die Parteien vereinbart, dass das Beschleunigte Verfahren gemäß Anlage 4 oder die Ergänzenden Regeln für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten gemäß Anlage 5 anzuwenden sind, gilt diese Schiedsgerichtsordnung mit den Änderungen, die sich aus der jeweiligen Anlage ergeben.“

Weiterhin besagt Art. 1 Art. 1 Ziff. 1.1 der Ergänzenden Regeln für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten (DIS-ERGeS): „Die Ergänzenden Regeln für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten (DIS-ERGeS) werden angewendet, wenn die Parteien in der im Gesellschaftsvertrag oder außerhalb des Gesellschaftsvertrages getroffenen Schiedsvereinbarung auf sie Bezug genommen oder sich sonst auf ihre Anwendung geeinigt haben.“

Hinsichtlich des ersten schiedsgerichtlichen Verfahrens hielt das Schiedsgericht Mitte März 2022 eine Verfahrenskonferenz ab und wies darauf hin, dass es Zweifel bezüglich seiner eigenen Zuständigkeit habe. Es sei fraglich, ob die Parteien sich überhaupt auf die Anwendbarkeit der DIS-ERGeS geeinigt haben und demnach ebenso fraglich, ob eine wirksame Schiedsklausel bestünde, welche den Gegenstand der Schiedsklage umfasse.

Daraufhin stellte die Antragstellerin am 08.04.2022 bei dem BayIbLG einen Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit der schiedsrichterlichen Verfahren und das Gericht erteilte am 08.06.2022 und 13.06.2022 hierzu Hinweise.

Die Antragstellerin erweiterte daraufhin am 25.08.2022 ihren Antrag und erhob mit Schriftsatz vom 15.8.2022 eine weitere Schiedsklage wegen Beschlussmängelstreitigkeiten bei der DIS wegen der Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung vom 11.7.2022. Der Antrag lautet wie folgt: „Es wird festgestellt, dass der in der Gesellschafterversammlung der Schiedsbekl. (Ag.) vom 11.07.2022 unter TOP 6 gefasste Beschluss mit dem Inhalt (…) nichtig ist, hilfsweise wird dieser Beschluss für nichtig erklärt.“

Die Antragstellerin beantragte im gerichtlichen Verfahren zuletzt unter Wiedergabe der bereits gestellten schiedsgerichtlichen Anträge, die Zuständigkeit des Schiedsgerichtes festzustellen. Sie trug zur Zulässigkeit ihres Antrags vor, dass das Schiedsgericht nur im ersten Verfahren konstituiert sei, sich aber auch in diesem Verfahren noch nicht mit der Sache befasst habe. Weiterhin sei sie der Meinung, dass die Schiedsklausel so auszulegen sei, dass sie auch die Beschlussmängelstreitigkeiten sowie die Anwendbarkeit der DIS-ERGeS umfasse. Hierzu äußerte sich die Antragsgegnerin nicht.

Die Mehrheitsgesellschafterin der GmbH trag dem Verfahren am 25.04.2022 auf der Seite der Antragsgegnerin bei, da sie gem. § 1032 II ZPO als Gesellschafterin vom Ausgang des Verfahrens betroffen sei. Zudem, so die Nebenintervenientin, würde die Antragsgegnerin sich im Verfahren nicht selbst verteidigen können, da die Antragstellerin einem der beiden eingetragenen Geschäftsführer der GmbH im Wege einer einstweiligen Verfügung jegliche Geschäftsführungsmaßnahmen untersagen lassen hat. Die Nebenintervenientin beantragt weiterhin, dass die Anträge der Antragstellerin zurückzuweisen seien, eine wirksame Schiedsvereinbarung für die Beschlussmängelstreitigkeiten bestünde bereits nicht.

Entscheidung | BayObLG 101 SchH 46/22

Das BayObLG entschied, dass der Antrag der Antragstellerin unzulässig ist, soweit er sich auf den Gegenstand der ersten Schiedsgerichtsklage (11.8.2021 bezieht). In Bezug auf die übrigen Begehren der Antragstellerin sei der Antrag jedoch zulässig und auch im Umfang begründet. Für die darin beklagten gesellschaftsrechtlichen Beschlussmängelstreitigkeiten sei das Schiedsgericht zuständig.

Gem. §§ 1062 I Nr. 2; V S. 1 ZPO iVm § 7 BayGZVJu ist das Bayerische Oberlandesgericht zuständig für die Entscheidung über den Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit der schiedsgerichtlichen Verfahren § 1032 II ZPO iVm § 1043 I S. 1 ZPO.

Jedoch ist der Antrag insofern nicht zulässig, als dass er sich auf das erste schiedsgerichtliche Verfahren bezieht, da er nicht rechtzeitig gestellt worden sei. § 1032 II ZPO besagt, dass bis zur Bildung des Schiedsgerichts die Feststellung der (Un-)Zulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens festgestellt werden kann. Dabei komme es nicht auf den Zeitpunkt der Bildung des Schiedsgerichts selbst an, sondern maßgeblich darauf, ob sich das ständige Schiedsgericht zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits mit der Sache befasst hat (BGH NJW-RR 2018, 1402, Rn. 8 mwN).

Im vorliegenden Fall sei auf den Zeitpunkt der Konstituierung des Schiedsgerichts abzustellen. Die Antragstellering hat, die gesellschaftsvertragliche Schiedsklausel befolgend, ein institutionelles Schiedsgericht angerufen. Institutionelle Schiedsgerichte zeichnen sich dadurch aus, dass sie über eine eigene Verwaltung verfügen und ihre Mitarbeiter die administrativen Aufgaben, wie zum Beispiel die Bestellung des Schiedsgerichts übernehmen, damit demnach auch die personelle Zusammensetzung für das jeweilige Verfahren bestimmen. Die DIS ist in eben jener Weise strukturiert. Sind die Schiedsrichter für das ein Verfahren bestellt, so ist das Schiedsgericht konstituiert Art. 13.4 DIS-SchO 2018. Das bedeutet, dass die Einleitung des Schiedsverfahrens durch Einreichen der Schiedsklage und die Bestellung der Schiedsrichter zeitlich auseinanderfallen. Das Schiedsgericht besteht in solchen Fällen für die jeweilige Streitsache dann erst mit seiner Konstituierung.

Dies müsse deutlich unterschieden werden mit dem Fall der Anrufung eines ständigen Schiedsgerichts, bei dem die Schiedsrichter eben gerade nicht pro Fall bestellt werden und das Schiedsgericht demnach nicht fallweise konstituiert wird. In solchen Fällen käme es dann auf den Zeitpunkt der Befassung des Schiedsgerichts mit der Sache des Antrags an (siehe auch BGH NJW-RR 2018, 1402, Rn. 8).

Weiterhin, so das BayObLG, habe sich das Schiedsgericht vorliegend bereits mit der Sache des Antrags befasst, als die Antragstellerin ihren Antrag an das staatliche Gericht stellte. In der Sache des ersten schiedsgerichtlichen Verfahrens hatte das Schiedsgericht am 17.3.2022 eine Verfahrenskonferenz mit den Parteien abgehalten und dabei den Hinweis auf die Zweifel hinsichtlich seiner Zuständigkeit gegeben. Bereits zu diesem Zeitpunkt kündigte das Schiedsgericht an, dass es seine Entscheidung hinsichtlich der Frage seiner Zuständigkeit Mitte/Ende Juni 2022 mitteilen würde. Zwar ist diese angekündigte Entscheidung bislang noch nicht ergangen, jedoch sei für einen Antrag nach § 1032 II ZPO in einer solchen Verfahrenslage kein Raum mehr.

In Bezug auf die weiteren Anträge der Antragstellerin sei der Antrag vor dem staatlichen Gericht jedoch zulässig und auch seinem Inhalt nach statthaft. Die Feststellung, ob die Beschlussmängelstreitigkeiten, über welche vor dem Schiedsgericht entschieden werden soll, von einer wirksamen Schiedsvereinbarung gedeckt sind, ist ein statthaftes Antragsziel. In diesem Fall sei der Antrag auch rechtzeitig gestellt worden. Auch im Umfang seiner Zulässigkeit sei der Antrag begründet, da das Schiedsgericht für die übrigen Anträge auch für die Beschlussmängelstreitigkeiten zuständig sei.

Das Begehren der Antragstellerin ist von § 17 des Gesellschaftsvertrags der GmbH erfasst. Satzungsbestimmungen, welche das Verhältnis zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern so maßgeblich regeln, auch nach einem Wechsel des Gesellschafterkreises, müssen nach objektiven Gesichtspunkten einheitlich aus sich heraus ausgelegt werden. Dabei komme es neben Wortlaut, Sinn und Zweck der Regelung auch auf den systematischen Bezug der Klausel zu den anderen Satzungsvorschriften an. Die individuellen Vorstellungen der Gesellschafter seien dabei jedoch irrelevant, auch wenn im Einzelfall Umstände, für die sich keine ausreichenden Anhaltspunkte in der Satzung finden, zur Auslegung herangezogen werden können.

Eine objektiv auszulegende Schiedsklausel in der Satzung einer GmbH sei generell weit auszulegen. Vorliegend sei besonders auf den Wortlaut der Klausel abzustellen, darin heißt es „alle“ „Streitigkeiten, Ansprüche und Meinungsverschiedenheiten“ – die Klausel sei demnach bewusst besonders weit gefasst worden. Dem sei zu entnehmen, dass umfassend die Streitigkeiten, die dem Gesellschaftsverhältnis entspringen, unter den Gesellschaftern, sowie zwischen Gesellschaftern und der Gesellschaft, der Schiedsgerichtsbarkeit zu unterstellen seien. Nach objektivem Verständnis bezöge sich damit die Kompetenzzuweisung an das Schiedsgericht auch auf Beschlussmängelstreitigkeiten zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft. Die Schiedsklausel, so das Gericht, bezieht ausdrücklich auch Gestaltungsklagen aus dem Gesellschaftsvertrag mit ein. Dass Beschlussmängelklagen nicht ausdrücklich aufgezählt seien sei irrelevant, da nach Wortlaut und Telos der Kompetenzregelung klar zu verstehen sei, dass diese konkludent mitgemeint seien. Dies sei insbesondere auch vor dem Hintergrund der restlichen Inhalte des Gesellschaftsvertrags sinnhaft. In § 9 Ziff. 5 der Satzung der GmbH ist die Ausschlussfrist für solche Klagen geregelt, seien diese nicht von der Schiedsanordnung umfasst, so wären sie an dieser Stelle wohl geregelt worden.

Die Schiedsanordnung § 1066 ZPO sei formell wirksam zustandegekommen. Zudem sei die Klausel auch nicht aus inhaltlichen Gründen ganz oder teilweise in Bezug auf die Beschlussmängelstreitigkeiten unwirksam. Weil gerichtliche Entscheidungen auch im Recht der GmbH die Wirkungen der §§ 248, 249 AktG haben und diese Wirkungen auch in analoger Anwendung der Normen durch Schiedssprüche entsteht, müssen statutorische Schiedsklauseln zum Schutz der Gesellschafter die von dem Ausgang des Verfahrens betroffen sein könnten, bestimmte Mindestanforderungen erfüllen. Nur so könne ihnen materiellrechtliche Wirksamkeit in Bezug auf die Beschlussmängelstreitigkeiten zugesprochen werden. Jene Anforderungen sind, dass die Schiedsabrede mit Zustimmung aller (Gründungs-)Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag verankert sein müssen. Zudem müsse sie gewährleisten, dass alle Gesellschafter und auch die Gesellschaftsorgane über die Einleitung und den Verlauf eines solchen Schiedsverfahrens informiert werden und damit auch in der Lage seien, zumindest als Nebenintervenient dem Verfahren beizutreten. Sofern die Auswahl der Schiedsrichter nicht durch eine neutrale Stelle erfolgt, muss die Klausel des Gesellschaftsvertrags auch sicherstellen, dass sämtliche Gesellschafter daran mitwirken können. Schließlich müsse gewährleistet sein, dass alle denselben Streitgegenstand betreffenden Beschlussmängelstreitigkeiten bei einem Schiedsgericht entsprechend den Mechanismen des § 246 Abs. 3 AktG konzentriert werden. Vorliegend sind alle diese Anforderungen erfüllt. Insbesondere ist der Verweis auf die Verfahrensregeln der DIS in die Umschreibung der Streitigkeiten, welche dem institutionellen Schiedsgericht zugewiesen werden sollen. Es sei also konkludent auch die Anlage 5 zu den Verfahrensregeln der DIS mitgemeint. Die Verankerung der statutorischen Schiedsgerichtsklausel im Gesellschaftsvertrag, welche alle Wirksamkeitserfordernisse für eine Schiedsvereinbarung bzgl. Beschlussmängeln, beruhte auch auf der Zustimmung aller (Gründungs-)Gesellschafter. Die Schiedsrichter wurden vorliegend durch die DIS, also eine neutrale Schiedsinstitution bestellt. Weiterhin unterfallen auch die anderen unterbreiteten Streitigkeiten ihrem Gegenstand nach der getroffenen Schiedsanordnung.

Praxishinweis | BayObLG 101 SchH 46/22

Auch dann, wenn eine individuell gestaltete Schiedsgerichtsklausel im Gesellschaftsvertrag nicht explizit Bezug nimmt auf die verfahrensrechtlichen Regelungen der jeweils gewählten Schiedsordnung (im vorliegend Fall die der DIS), kann die Klausel wirksam sein.

In einer vorhergegangenen Entscheidung bestimmte der BGH, dass die Mindestanforderungen für solche Klauseln sei, dass:

  • neben den Gesellschaftsorganen jeder Gesellschafter über die Einleitung und den Verlauf des Schiedsverfahrens informiert und dadurch in die Lage versetzt werden muss, dem Verfahren zumindest als Nebenintervenient beizutreten,
  • sämtliche Gesellschafter an der Auswahl und Bestellung der Schiedsrichter mitwirken können müssen, sofern nicht die Auswahl durch eine neutrale Stelle erfolgt, und
  • gewährleistet sein muss, dass alle denselben Streitgegenstand betreffenden Beschlussmängelstreitigkeiten beim selben Schiedsgericht konzentriert werden (vgl. zuletzt BGH RFamU 2022, 76 mAnm Frese)

Sollen auch Beschlussmängelstreitigkeiten vor einem Schiedsgericht entschieden werden, so müssen die Gesellschafter dies eindeutig vereinbaren. In Streitigkeiten nach der DIS Schiedsordnung wird hierfür regelmäßig auf die DIS-ERGeS verwiesen, die Anlage 5. Diese findet in der Regel nur Anwendung, wenn dies ausdrücklich vereinbart worden ist im Gesellschaftsvertrag. Jedoch kann bei einer sehr weit gefassten Schiedsklausel bei Auslegung des Gesellschaftsvertrags auch die Anwendung der Anlage 5 der DIS-ERGeS zulässig sein.

In der Vertragsgestaltung von Gesellschaftsverträgen sollte daher besonders klar und auch umfassend die Schiedsgerichtsbarkeit geklärt werden. Im Streitfall kann über das Verfahren nach § 1032 II ZPO die Anwendung der in Rede stehenden Schiedsklausel geklärt werden. Jedoch sollte dabei die zeitliche Begrenzung der Zulässigkeit dieses Verfahrens berücksichtigt werden.