OLG Hamm 10 U 68/22
Aufhebung eines zwischen Eheleuten geschlossenen Erbvertrags durch ein Ehegattentestament

04.10.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Hamm
11.08.2022
10 U 68/22
BeckRS 2022, 27943

Leitsatz | OLG Hamm 10 U 68/22

  1. Ergeben sich aus den äußeren Umständen keine Besonderheiten und entspricht das Testament im Übrigen den Anforderungen an die Eigenhändigkeit gem. § 2247 BGB, ist regelmäßig von der Ernstlichkeit des Testierwillens bei der Testamentserrichtung auszugehen. (amtl. Ls.)
  2. Durch ein gem. § 2265 BGB wirksam errichtetes Ehegattentestament kann ein zuvor von den Eheleuten geschlossener Erbvertrag wirksam aufgehoben werden, § 2292 BGB. (amtl. Ls.)

 

Sachverhalt | OLG Hamm 10 U 68/22

Der Verfügungsbeklagte (K) ist der Sohn der Erblasserin (E). Die E ist im Dezember 2021 verstorben. Die Verfügungsklägerin ist die Enkelin der E. Sie ist das einzige Kind von C.B., der im November 2021 vorverstorben ist und der Bruder des Verfügungsbeklagten. E war alleinige Eigentümerin des Grundstücks und mit dem vorverstorbenen D verheiratet.

E hatte z.T. gemeinsam mit D verschiedene letztwillige Verfügungen errichtet, der letzte Erbvertrag zwischen D und E stammt von 1998. Darin setzt die E ihre beiden Söhne, den Verfügungsbeklagten und C.B. zu gleichen Teilen ein. Deren eheliche Abkömmlinge sollten Ersatzerben sein und diese Verfügungen sollten ausdrücklich vertragsmäßig sein.

2009 erteilte die E dem Verfügungsbeklagten dann eine privatschriftliche Generalvollmacht mit einer Patien- und Betreuungsverfügung. Darin wird er auch dazu berechtigt Grundstücke zu veräußern, es heißt u.a.: „… Der Bevollmächtigte ist berechtigt, in meinem Namen Rechtsgeschäfte mit sich selbst vorzunehmen, gleichviel ob er dabei für sich oder Dritte handelt (Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB). …“ Weiter ist in der Vollmacht geregelt, dass der Bevollmächtigte durch die Vollmachtgeberin E im Innenverhältnis angewiesen wird, „… von dieser Vollmacht erst Gebrauch zu machen, wenn ich aufgrund einer psychischen Erkrankung oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung meine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr selbst besorgen kann (fehlende Geschäftsfähigkeit ist durch ein ärztliches Attest nachzuweisen). …“. Er sei insbesondere nicht berechtigt, „… ohne entsprechende ärztliche Feststellung von einem der vorgenannten Umstände auszugehen…“. Am 19.07.2021 unterschrieb E die Vollmachtsurkunde noch ein weiteres Mal und diese Unterschrift wurde am selben Tag auch notariell beglaubigt.

Nachdem C.B. im November 2021 nach langer und schwerer Krankheit verstarb, stimmte der Verfügungsbeklagte danach für den 06.12.2021 einen Notartermin ab. Bei diesem Termin sollte die Übertragung der Immobilie der e auf den Verfügungsbeklagten beurkundet werden. E hatte sich jedoch mit Corona infiziert und kam am 03.12.2021 stationär ins Krankenhaus, deshalb sagte der Verfügungsbeklagte den ursprünglichen Termin mit dem Notar ab und ließ dann erst am 13.12.2021 einen Übertragungsvertrag beurkunden, durch welchen ihm die Hausimmobilie der E im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen wurde. Dabei handelte er im eigenen Namen und auch im Namen der E. Kurz darauf, am 27.12.2021 wurde der Verfügungsbeklagte dann als Alleineigentümer ins Grundbuch eingetragen.

Das LG hat antragsgemäß eine einstweilige Verfügung erlassen, auf Grund dieser wurden ein Widerspruch und ein Verfügungsverbot zugunsten der Verfügungsklägerin am 22.04.2022 ins Grundbuch eingetragen.
Wenige Tage später eröffnete das AG zwei wortgleiche Ehegatten-Testamente von E und D aus 2003. Darin heißt es: „… Der von uns vor dem Notar I. am ...1998 unterzeichnete Ehe- und Erbvertrag soll in nachfolgendem Punkt geändert werden: Die Kinder K. und C.B. sollen nicht zu gleichen Teilen erben, sondern K.B. wird zum Alleinerben bestimmt.“

Die Verfügungsklägerin trägt vor, dass die Übertragung der Immobilie im Innenverhältnis nicht vom Willen der E gedeckt gewesen sei. E habe von der Übertragung keine Kenntnis gehabt und hätte sie diese vornehmen wollen, so hätte sie diese bereits am 19.07. vornehmen lassen als die Vollmachtsurkunde unterzeichnet und beglaubigt worden ist. Weiterhin stünde die Übertragung im Widerspruch zum Inhalt des Erbvertrags, der E sei die Gleichbehandlung beider Söhne immer wichtig gewesen. Die beiden Testamente aus 2003 habe E auch nicht mit Testierwillen verfasst, dies folge aus dem Umstand, dass E und D ihre früheren letztwilligen Verfügungen immer haben notariell beurkunden und in amtliche Verwahrung haben nehmen lassen. Demnach, so die Verfügungsklägerin, bestünden bereits Zweifel an der Echtheit der Urkunden.

Der Verfügungsbeklagte trägt vor, dass die E sich im Verlauf des Jahres 2021 dazu entschieden habe, ihm die Immobilie allein zu übertragen. Darum habe sie die Vollmacht von 2009 auch am 19.07.2021 erneut unterzeichnet. Er trägt weiterhin vor, dass er der Alleinerbe der E geworden sei, aufgrund der Ehegatten Testamente von E und D aus 2003.  

Das LG hatte die einstweilige Verfügung vom 06.04.2022 bestätigt, der Verfügungsbeklagte sei zu Unrecht als alleiniger Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Hiergegen richtete sich die Berufung des Verfügungsbeklagten.

 

Entscheidung | OLG Hamm 10 U 68/22

Das OLG Hamm gab der Berufung des Verfügungsbeklagten statt.

Gem. §899 I BGB kann ein Widerspruch gegen die Richtigkeit in den Fällen des § 894 BGB in das Grundbuch eingetragen werden. Hierfür muss ein dinglicher Grundbuchberechtigungsanspruch desjenigen, zu dessen Gunsten der Widerspruch eingetragen wird, vorliegen. Dieser Grundbuchberechtigungsanspruch ist als Verfügungsanspruch zur Überzeugung des Gerichts glaubhaft zu machen §§ 936, 920 I und II ZPO. Voraussetzung hierfür ist die Unrichtigkeit des Grundbuchs in Bezug auf das Eigentum am betroffenen Grundstück § 894 BGB. Der Verfügungsbeklagte ist laut der vorgelegten Kopie des Grundbuchauszugs als Eigentümer des Grundstücks in das Grundbuch eingetragen worden, aufgrund der Auslassung vom 13.12.2021 und 27.12.2021. Im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kann nicht festgestellt werden, ob diese Eintragung unrichtig ist und somit von der wirklichen materiellen Rechtslage abweicht. Es obliegt jedoch gem. § 891 BGB der Verfügungsklägerin die Voraussetzungen eines solchen Grundbuchberichtigungsanspruchs glaubhaft zu machen. Sie hatte vorliegend jedoch weder glaubhaft gemacht, dass sie aufgrund des Erbfalls Miteigentümerin des Grundstücks geworden sei, noch dass der Verfügungsbeklagte zu Unrecht als Alleineigentümer im Grundbuch eingetragen worden sei. Somit könne es dahinstehen, ob der Verfügungsbeklagte bereits aufgrund der Auflassungserklärung vom 13.12.2021 und der darauffolgenden Eintragung in das Grundbuch Eigentümer geworden sei. Das OLG Hamm fügte hinzu, dass hier Bedenken hinsichtlich der Verpflichtungen des Verfügungsbeklagten im Innenverhältnis mit der E. Das Missachten der Erforderlichkeit eines ärztlichen Gutachtens sei hier jedoch nicht zu entscheiden.

Unabhängig von der rechtsgeschäftlichen Übertragung des Grundstücks sei der Verfügungsbeklagte nämlich bereits durch die letztwilligen Verfügungen der E und des D aus 2003 Alleinerbe geworden und zu Recht als Alleineigentümer im Grundbuch eingetragen, so das OLG.

Die Verfügungsklägerin trägt vor, dass E der Testierwille gefehlt habe. Jedoch sieht das Gericht keinen Grund, um daran zu zweifeln, dass E mit D gemeinsam eine rechtsverbindliche Anordnung für den Fall ihres Todes treffen wollte. Es sei insbesondere nicht anzunehmen, dass es sich hierbei um bloße Entwürfe gehandelt habe. Das Gesetz selbst geht von einem wirksamen Testament aus, sofern die Formanforderungen eines eigenhändigen Testaments erfüllt seien § 2247 BGB. Vorliegend seien die Testamente entsprechend den Anforderungen an die Eigenhändigkeit geschrieben worden. Sie waren auf normalem Schreibpapier geschrieben und mit Datum und Ort, sowie Unterschriften versehen und es sei ausdrücklich ein Bezug zum Erbvertrag aus 1998 hergestellt worden. Es könne somit nicht von einem fehlenden Testierwillen ausgegangen werden. Auch aus den sonstigen Umständen sei nicht klar erkenntlich, dass es sich bei den beiden Urkunden aus 2003 nicht um endgültige Testamente handeln sollte. Der bloße Umstand, dass frühere Testamente notariell beurkundet wurden genüge nicht, um einen Rückschluss auf den Testierwillen des eigenhändigen Testaments zu ziehen. Der Verfügungsbeklagte trug vor, dass er dem Schwiegervater einmal davon erzählt habe, dass man ein Testament auch eigenhändig errichten könne, es sei auch möglich, dass die E sich für diese Vorgehensweise entschied um das Geld für die notarielle Beurkundung zu sparen. Dass die E ihre beiden Söhne immer gleich behandeln habe wollen sei ebenso kein Grund gegen die Ernstlichkeit der Einsetzung des Verfügungsbeklagten als Alleinerben. Eine Änderung der Regelung des Nachlasses scheine nicht ausgeschlossen, so das OLG Hamm.

Die Echtheit der Testamentsurkunde sei ebenso nicht ausreichend glaubhaft gemacht worden. Dass der Verfügungsbeklagte die beiden Testamente erst nach Erlass der einstweiligen Verfügung durch das LG vorgelegt hat, stünde der Echtheit nicht entgegen. Er habe nachvollziehbar vorgetragen, dass er die Testamente erst am 14.04.2022 gefunden habe, als er nach Erhalt des Beschlusses die Unterlagen der E durchsucht habe. Bis dahin habe kein Grund bestanden nach Dokumenten zu suchen, dies sei plausibel, so das OLG Hamm.

Die beiden gemeinschaftlichen Ehegattentestamente von 2003 haben den Erbvertrag aus 1998 aufgehoben gem. § 2292 BGB. Diese seien wirksame gemeinschaftliche Testamente iSd § 2267 BGB und die Voraussetzungen aus § 2265 BGB seien eingehalten worden.

Die Verfügungsklägerin habe demnach nicht ausreichend die materiell-rechtliche Unrichtigkeit des Grundbuchs § 894 BGB glaubhaft gemacht, es mangele insbesondere an einer Glaubhaftmachung dass die Testamente unwirksam seien.

Die Verfügungsklägerin kann darum auch nicht die Eintragung eines Veräußerungsverbotes zu Lasten des Verfügungsbeklagten verlangen. Die Voraussetzungen des § 2287 BGB ließen sich nicht feststellen, die Verfügungsklägerin habe ihre Erbstellung nicht ausreichend glaubhaft gemacht.  

 

Praxishinweis | OLG Hamm 10 U 68/22

Ergeben sich aus den Umständen der Testamentserrichtung eines eigenhändigen Testaments keine Besonderheiten und sind auch sonst alle Erfordernisse an ein solches Testament erfüllt, so ist von dem Testierwillen auszugehen. Weiterhin kann durch ein gemeinschaftliches Ehegatten-Testament § 2265 BGB ein vorheriger Erbvertrag § 2292 BGB aufgehoben werden.