OLG München 7 U 1995/21
Anforderungen an die Wahl des Versammlungsorts für eine Gesellschafterversammlung einer GmbH

15.11.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG München
22.03.2023
7 U 1995/21
NZG 2023, 945 = GmbHR 2023, 680

Leitsatz | OLG München 7 U 1995/21

  1. Ist in einer Satzung zur Einberufung und Beschlussfähigkeit der Gesellschafterversammlung einer GmbH kein Versammlungsort enthalten, soll das Treffen grundsätzlich in Analogie zu § 121 V 1 AktG am Sitz der Gesellschaft stattfinden. Davon darf abgewichen werden, wenn am Versammlungsort kein geeignetes Lokal vorhanden ist oder die Verkehrsverbindung dorthin gestört ist.
  2. Für einen Gesellschafter ist es unzumutbar, wenn eine Versammlung, auf der unter anderem seine Abberufung als Geschäftsführer und sein Ausschluss aus der Gesellschaft aus wichtigem Grund beschlossen werden soll, in den Räumlichkeiten des mit ihm zerstrittenen Mitgesellschafters stattfindet.
  3. Der Anfechtung steht nicht entgegen, dass der fehlerhafte Versammlungsort keine Auswirkung auf das Beschlussergebnis hatte. Für die Anfechtbarkeit genügt die Relevanz des Fehlers für das Mitwirkungs- oder Partizipationsrecht entsprechend § 243 IV AktG. Der Versammlungsort ist insoweit für das Teilhaberecht eines Gesellschafters von grundsätzlicher Bedeutung.

(Leitsätze der NZG-Redaktion)

 

Sachverhalt | OLG München 7 U 1995/21

Die Geschäftsführung einer GmbH mit Satzungssitz in München hatte zu einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung eingeladen. Diese sollte in den Räumen einer Kanzlei in Frankfurt am Main stattfinden. Die Kanzlei gehörte dem Vater der, mit dem Kläger zerstrittenen Mitgesellschafterin.

Die Satzung der Gesellschaft enthält Formvorschriften zur Einberufung und zur Beschlussfähigkeit der Gesellschafterversammlung, jedoch nicht zum Ort.

In besagter Versammlung sollten Beschlüsse unter anderem zur Abberufung des Klägers als Geschäftsführer, sein Ausschluss als Gesellschafter aus wichtigem Grund und zur Geltendmachung von Schadensersatzforderungen gegen den Kläger gefasst werden.

Der Kläger rügte vor der Gesellschafterversammlung unter anderem die fehlerhafte Wahl des Versammlungsortes und wurde dann während der Versammlung von seinem Anwalt vertreten. Der Vertreter des Klägers hielt dessen Rügen aufrecht, die Beschlüsse wurden dann jedoch wie angekündigt gefasst.
Das LG München bestätigte die Entscheidung der 1. Instanz und erklärte die Beschlüsse, die in der Gesellschafterversammlung gefasst worden waren, ebenfalls für nichtig.

Entscheidung | OLG München 7 U 1995/21

Das OLG wies die Berufung zurück und bestätigte die Auffassung der vorigen Instanzen. Der gewählte Versammlungsort sei unzulässig gewesen.

Sei in der Satzung der GmbH nicht geregelt, wo der Versammlungsort der Gesellschafterversammlung sei, so seien die Regelungen des AktG heranzuziehen. Damit ist Versammlungsort der Sitz der Gesellschaft. Damit werden die Gesellschafter vor einer willkürlichen Wahl des Versammlungsortes und der damit einhergehenden möglichen Beeinträchtigung des Teilnahmerechts geschützt.

Ausnahmen seien dann zulässig, wenn kein geeignetes Versammlungslokal zur Verfügung stehe oder die Verkehrsanbindung gestört sei. Geeignete Räumlichkeiten seien München vorhanden gewesen und dass frühere Gesellschafterversammlungen auch in den Räumen der Kanzlei in Frankfurt stattgefunden haben, entfalte keine Bindungswirkung für weitere Versammlungen.

Der Ortwechsel nach Frankfurt sei daher ungerechtfertigt und somit unzulässig.

Dass der Kläger vertreten durch seinen Anwalt letztlich dennoch teilnehmen konnte führe ebenso nicht zu einer Wirksamkeit des Beschlusses. Ein solcher Beschluss sei „nur“ anfechtbar, weil keine Verhinderung der Teilnahme vorliege. Denn diese hätte direkt zu einer Nichtigkeit der Beschlüsse geführt.

Praxishinweis | OLG München 7 U 1995/21

Fehlt es an einer Regelung für einen Versammlungsort für Gesellschafterversammlungen in der GmbH Satzung, dann ist dies grundsätzlich der Sitz der Gesellschaft. Eine Einberufung an einen anderen beliebigen Ort darf nicht willkürlich sein – sonst droht die Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse. Der Sitz der Gesellschaft hat große Relevanz und sollte daher auch als Versammlungslokal gewählt werden, sofern möglich.

Also: entweder einen Versammlungsort in der Satzung festlegen, den Sitz der Gesellschaft wählen oder aber ausnahmsweise bei einer Abweichung im Einzelfall rechtlich prüfen ob der Wechsel des Ortes und auch der neue Ort zulässig sind.