KG 22 W 31/22
Abgabe einer Habilitätsversicherung bei Bestellung des ehemaligen Geschäftsführers zum Liquidator

24.03.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

KG
01.07.2022
22 W 31/22
GmbHR 2022, 1192

Leitsatz | KG 22 W 31/22

  1. Auch der, der zuvor Geschäftsführer gewesen ist und eine Versicherung nach § 39 Abs. 3 S. 1 GmbHG (Habilitätsversicherung) abgegeben hat, ist mit der Anmeldung seiner Bestellung zum Liquidator zur (erneuten) Abgabe einer entsprechenden Versicherung verpflichtet.
  2. Die öffentliche Beglaubigung nach § 12 Abs. 1 S. 1 HGB kann durch eine ausländische Urkundsperson vorgenommen werden, wenn der Beurkundungsvorgang dem der Beglaubigung nach deutschem Recht gleichwertig ist. Dies setzt eine ausreichende Identitätsprüfung des Erklärenden voraus.
  3. Im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit kann das Gericht in entsprechender Anwendung des § 142 Abs. 3 ZPO von den Beteiligten eine Übersetzung einer eingereichten ausländischen Urkunde verlangen.

Sachverhalt | KG 22 W 31/22

Die Beteiligte (Gesellschaft) ist seit 2019 im HR des AG Berlin-Charlottenburg eingetragen. Als Geschäftsführer ist V eingetragen. Am 31.5.2021 beschloss die Gesellschafterversammlung, die Gesellschaft aufzulösen und V als Liquidator zu bestellen. Ebenfalls am 31.5.2021 unterzeichnete V eine notariell beglaubigte Anmeldung, in der die oben genannten Tatsachen zum Handelsregister angemeldet wurden. Es fehlte aber eine Versicherung gem. § 6 Abs. 2 S. 2 Nrn. 2 und 3, S. 3 GmbHG („Habilitätsversicherung“). Dies beanstandete das AG. Nach mehrfacher Erinnerung und Fristsetzung, wies das AG die Anmeldung mit Beschluss vom 17.1.2022 zurück. Daraufhin hat das AG die Gesellschaft darauf hingewiesen, dass dem Zurückweisungsbeschluss nicht abgeholfen werden könne, da zum einen die eingereichte Versicherung des Liquidators zum Zeitpunkt der Einreichung „zu alt“ gewesen und die Beglaubigung nicht in der Amtssprache Deutsch abgefasst gewesen sei.

Entscheidung | KG 22 W 31/22

Das KG entschied, dass das AG die beantragte Eintragung zu Recht abgelehnt habe, da der Liquidator keine den gesetzlichen Vorgaben genügende Habilitätsversicherung abgegeben habe. Zur Versicherung nach § 67 Abs. 3 S. 1 GmbHG sei jeder das Amt übernehmende Liquidator verpflichtet, auch derjenige, der als Geschäftsführer nach § 66 Abs. 1 GmbHG geborener Liquidator sei, und auch derjenige, der bereits als Geschäftsführer solche Versicherung abgegeben habe. Der Liquidator setze nicht das alte Amt fort, sondern trete ein neues an. Es müsse daher erneut sichergestellt werden, dass keine persönlichen Mängel gegeben seien.

Das KG führt aus, dass die Habilitätsversicherung als Teil der Anmeldung in der Form des § 12 Abs. 1 HGB abzugeben sei, dh. elektronisch in öffentlich beglaubigter Form.

Die Erklärung müsse damit grundsätzlich schriftlich abgefasst und die Unterschrift des Anmeldenden von einem Notar beglaubigt werden (§129 Abs. 1 S. 1 BGB, §§ 39, 40 BeurkG, § 20 Abs. 1 S. 1 BNotO). Aus dem Beglaubigungsvermerk müsse sich der Vollzug oder die Anerkennung der Unterschrift bei einem Notar ergeben. Darüber hinaus müsse der Vermerk die Person bezeichnen, die die Unterschrift vollzogen oder anerkannt habe, und Unterschrift und Siegel des Notars enthalten (§§ 39 40 Abs. 1 und 3 BeurkG). Der Beglaubigungsvermerk sei eine öffentliche Urkunde nach §§ 415, 418 ZPO. Der Vermerk beweise deshalb nach § 418 Abs. 1 ZPO die in ihm bezeugte Tatsache der Echtheit der Unterschrift. Die über der beglaubigten Unterschrift befindliche Erklärung habe damit gem. § 440 Abs. 2 ZPO ebenfalls die Vermutung der Echtheit, also der Urheberschaft des Unterzeichners, für sich. Der Notar müsse daher eine Identitätsprüfung desjenigen, dessen Unterschrift beglaubigt werden soll, vornehmen. Denn § 12 HGB bezwecke iVm §§ 40, 41 BeurkG, eindeutig Gewissheit über die Person des Anmeldenden zu verschaffen.

Das KG betont, dass diese Anforderungen grundsätzlich auch im Ausland durch eine ausländische Urkundsperson erfüllt werden könnten, wenn sie dem entsprechenden Beurkundungsvorgang nach deutschem Recht gleichwertig seien. Bei der Habilitätsversicherung sei die Prüfung der Identität alleine schon aufgrund deren Strafbewehrung in § 82 Abs. 1Nr. 5 GmbHG zwingend erforderlich. Eine Unterschriftsbeglaubigung ohne Identitätsprüfung sei daher einer deutschen Beglaubigung nicht gleichwertig und erfüllte die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 HGB nicht.

Im zu entscheidenden Fall könne das KG – ebenso wenig wie das AG – mangels Kenntnis der Sprache nicht erkennen, ob hier erforderliche Identitätsprüfung vorgenommen worden sei. Diese Unklarheit gehe zulasten der Gesellschaft, die trotz entsprechender Auflage keine Übersetzung der Dokumente eingereicht habe.

Zwar könnten Beglaubigungsvermerke ausländischer Notare grundsätzlich auch in ihrer Fremdsprache eingereicht werden. Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit könne aber nach § 142 Abs. 3 S. 1 ZPO analog in Konkretisierung der Mitwirkungspflicht der Gesellschaft nach § 27 Abs. 1 FamFG die Auflage erteilt werden, eine Übersetzung einzureichen. Da § 142 Abs. 3 ZPO (analog) die Einholung oder Auflage einer Übersetzung in das Ermessen stelle, könne sich das Gericht zwar mit der Vorlage des fremdsprachigen Dokuments begnügen, wenn – alle – erkennenden Richter sie übersetzen könnten. Bei fehlenden Sprachkenntnissen dagegen sei die Einholung einer Übersetzung – wie hier - geboten.

Das KG geht davon aus, dass im zu entscheidenden Fall nicht entschieden werden müsse, ob die Ansicht des AG zutreffe, die Habilitätsversicherung sei „zu alt“ gewesen.

Praxishinweis | KG 22 W 31/22

Der Beschluss enthält für die Praxis zwei wichtige Problemkreise:

Bezüglich der Habilitätsversicherung: Eine solche ist in jedem Fall vorzulegen, auch wenn der Liquidator zuvor Geschäftsführer war. Liquidator und Geschäftsführer sind zwei unterschiedliche Ämter.
Beurkundung und Beglaubigung im Ausland: In der Praxis sorgt das Thema der Beurkundung und Beglaubigung im Ausland immer wieder für erhebliche Unsicherheit darüber, ob diese im Einzelfall von dem zuständigen deutschen Registergericht anzuerkennen ist. Insbesondere bei zeitkritischen Vorgängen (etwa, weil eine Maßnahme bis zu einem bestimmten Zeitpunkt im Handelsregister eingetragen sein muss) können diese Rechtsunsicherheiten schwer wiegen. Es ist zu empfehlen, die Beglaubigung oder Beurkundung vorsorglich in Deutschland durchzuführen. Ansonsten kann eine Auseinandersetzung mit dem zuständigen Registergericht drohen.