OLG Frankfurt a.M. 13 U 99/18
Kündbarkeit eines Finanzplankredits des Gesellschafters bei Ausscheiden aus der Gesellschaft

22.04.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Frankfurt a.M.
23.10.2019
13 U 99/18
NZG 2020, 140

Leitsatz | OLG Frankfurt a.M. 13 U 99/18

Das einer Gesellschaft von einem Gesellschafter im Rahmen einer Finanzplanabrede gewährte Darlehen kann bei Ausscheiden des darlehensgewährenden Gesellschafters von diesem in der Regel ordentlich gekündigt werden.

(amtl. Leitsatz)

Sachverhalt | OLG Frankfurt a.M. 13 U 99/18

Der Kläger gründete gründete gemeinsam mit dem Beklagten zu 1) eine GmbH, die Beklagte zu 2), die in Anbetracht des Unternehmensgegenstandes allerdings unterkapitalisiert war. Deswegen vereinbarten die Parteien, der Gesellschaft die zur Aufnahme der Geschäftstätigkeit erforderlichen Mittel jeweils zur Hälfte zur Verfügung zu stellen. In der Folge zahlte der Kläger an die Gesellschaft mehrere Beträge aus, die diese vereinnahmte. Kurz danach schied der Kläger aus der Gesellschaft aus und kündigte die Darlehensverträge. Der Kläger verlangte nun von der Gesellschaft als Beklagte zu 2) die Rückzahlung der Darlehen.

Entscheidung | OLG Frankfurt a.M. 13 U 99/18

Nach der Entscheidung des OLG kann der Kläger die Rückzahlung der Darlehen von der Gesellschaft nach § 488 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 1, 2 BGB verlangen.

Zwischen dem Kläger und der Gesellschaft seien konkludent mehrere Darlehensverträge über die jeweiligen Beträge geschlossen worden. Entscheidend für eine Darlehensgewährung würde insbesondere die Vereinbarung des Klägers mit dem Beklagten zu 1), die beide gleichzeitig Geschäftsführer der Gesellschaft unter Befreiung von § 181 BGB gewesen seien, sprechen, mit der der Gesellschaft die notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt werden sollten und die als Finanzplanabrede zu werten sei. Die Darlehensverträge seien konkludent durch Hingabe der Darlehen durch den Kläger an die Gesellschaft, die diese, in Vertretung durch ihre Geschäftsführer, den Kläger und den Beklagten zu 1), angenommen habe, zustande gekommen.

Bei einem Finanzplankredit würde es sich um eine Verpflichtung handeln, der Gesellschaft zur Sicherstellung der Erreichung des Gesellschaftszwecks und zur Vermeidung von Liquiditätsengpässen frisches Kapital zur Verfügung zu stellen, wenn dieses zur Finanzierung erforderlich sei. Möglich sei die Verpflichtung bereits im Gesellschaftsvertrag, aber auch durch Gesellschafterbeschluss oder mittels ausdrücklicher oder konkludenter schuldrechtlicher Abrede zwischen den Gesellschaftern oder der Gesellschaft und den Gesellschaftern. Die Gewährung diene als Ersatz für eigentlich erforderliches Eigenkapital und habe einlageähnlichen Charakter. Indidzien für einen Finanzplankredit sei die Bindung der Darlehensverpflichtung an die Gesellschafterstellung, die beteiligungsproportionale Verpflichtung, die Einräumung besonders günstiger Zinskonditionen, die Pflicht zur langfristigen Überlassung, das Fehlen einer einseitigen Kündigungsmöglichkeit und – nach Einschätzung der Gesellschafter – die Unentbehrlichkeit des Darlehens für die Verwirklichung der gesellschaftsvertraglichen Ziele.

Hier würden mehrere Indizien für einen Finanzplankredit sprechen, wie die Unentbehrlichkeit des Darlehens für den Gesellschaftszweck, da andernfalls die anvisierte Aufnahme von Fremdkrediten nicht möglich gewesen wäre. Beide seien zudem beteiligungsproportional zur Kapitalbereitstellung verpflichtet gewesen, eine Zinsabrede fehle. Zuletzt spräche hierfür auch ein nach Überlassung der Beträge an die Gesellschaft vom Beklagten zu 1) an den Kläger gesandter Vertragsentwurf, in dem von einer Darlehensgewährung an die Gesellschaft gesprochen werde. Ein solcher nachträglicher Umstand könne auch für die Auslegung herangezogen werden, weil sie Anhaltspunkte für den tatsächlichen Vertragswillen enthalten können.

Die Darlehensverträge seien durch den Kläger jedoch wirksam gekündigt worden. Mangels entgegenstehender Abreden seien die Darlehensverträge nach § 488 Abs. 3 S. 1 BGB ordentlich kündbar gewesen. Dass den Darlehensverträgen die Finanzplanabrede des Klägers mit dem Beklagten zu 1) zugrundeliege, ändere hieran nichts. Zwar sei bei Finanzplankrediten das Recht zur ordentlichen und außerordentlichen Kündigung regelmäßig ausgeschlossen, was aus dem Zweck der Darlehensgewährung folge. Allerdings ergebe weder die Auslegung der Darlehensverträge noch der Finanzplanabrede, dass die Kündigung auch bei Ausscheiden des Klägers als Gesellschafter aus der Gesellschaft ausgeschlossen sein sollte. Einem solchen Ausschluss der Kündigung würde auch Treu und Glauben entgegenstehen, da der ausgeschiedene Gesellschafter nicht mehr am Erfolg der Gesellschaft partizipieren kann und keinerlei Einflussmöglichkeit auf das Geschick der Gesellschaft besitze. Dieser Kündbarkeit stünde auch nicht entgegen, dass grundsätzlich zunächst die Finanzplanabrede aufgehoben werden müsse, bevor ein auf ihrer Grundlage gewährtes Darlehen gekündigt werden könne, da der Beklagte zu 1) aus Treu und Glauben verpflichtet sei, an der Aufhebung der Finanzplanabrede mitzuwirken. Gleiches würde für die Beklagte zu 2) gelten, falls deren Mitwirkung an der Aufhebung für erforderlich gehalten würde.

Praxishinweis | OLG Frankfurt a.M. 13 U 99/18

Die Entscheidung bestätigt wenigstens indirekt die hergebrachte Dogmatik zum Finanzplankredit insofern, als die Aufhebung eines solchen vor der Krise durch die Beteiligten möglich ist. Problematisch und zuletzt offen gelassen durch den BGH (Urt. v. 20.09.2010 – II ZR 296/08, NJW 2010, 3442, 3444, Rn. 29) ist allein, ob es für die Aufhebbarkeit in der Krise zusätzlich auf die Beteiligung der Gläubiger ankommt. Etwas unglücklich wirkt an der Entscheidung allerdings, dass das OLG, obwohl bereits nach seiner Auslegung der Finanzplanabrede die Darlehen gerade kündbar sein sollten, zur Beseitigung der Unkündbarkeit die Aufhebung der Finanzplanabrede für erforderlich zu halten scheint. Das leuchtet nicht ein.