BGH XI ZR 440/15
Der Nachweis des Erbrechts im Rechtsverkehr

25.07.2016

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
05.04.2016
XI ZR 440/15
DB 2016, 1131

Leitsatz | BGH XI ZR 440/15

Der Erbe kann sein Erbrecht auch durch Vorlage eines eröffneten eigenhändigen Testaments belegen, wenn dieses die Erbfolge mit der im Rechtsverkehr erforderlichen Eindeutigkeit nachweist.

Sachverhalt | BGH XI ZR 440/15

Die Erblasserin hatte gemeinsam mit ihrem Ehemann ein handschriftliches Testament errichtet, wonach sie sich gegenseitig als Erben einsetzten. Nach dem Tod des Letztversterbenden sollten die gemeinsamen Kinder das Vermögen erhalten. Zu Lebzeiten unterhielt die Erblasserin verschiedene Sparkonten bei der beklagten Bank. Nach dem die Erblasserin nach ihrem Mann verstorben war, wurde vor dem zuständigen Amtsgericht das handschriftliche Testament eröffnet.

Unter Vorlage einer beglaubigten Abschrift des Testaments und des Eröffnungsprotokolls forderten die Kinder als Erben die Beklagte zur Freigabe der von ihrer Mutter unterhaltenen Konten auf. Die Beklagte bestand jedoch auf die Vorlage eines Erbscheins zum Nachweis der tatsächlichen Erbenstellung, um sich vor der Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme zu schützen. Der Erbschein wurde erteilt und die Erben verlangten von der Beklagten die Kosten hierfür zu ersetzen.

Entscheidung | BGH XI ZR 440/15

Die Klage auf Ersatz der Kosten hatte Erfolg, durch das Verlangen der Vorlage eines Erbscheins hat die Beklagte gegen ihre Leistungstreuepflichten verstoßen.

Der Erbe ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht verpflichtet, sein Erbrecht durch einen Erbschein nachzuweisen, sondern kann diesen Nachweis auch in anderer Form führen. Etwas anderes gilt nur, wenn eine entsprechende Form gesetzlich vorgeschrieben ist. Das öffentliche und das eigenhändige Testament sind zwar nach § 2231 BGB erbrechtlich grundsätzlich gleichwertig, jedoch bestehen Unterschiede nach dem Gesetz hinsichtlich der Nachweispflicht. Während dem öffentlichen Testament eine widerlegbare Vermutung zum Nachweis der Erbfolge beizumessen ist, kann eine solche beim eigenhändigen Testament nicht beigelegt werden. Im Vergleich zum öffentlichen Testament sind beim eigenhändigen oder privatschriftlichen Testament die Gefahren der Rechtsunkenntlichkeit, unklarer Formulierungen, des Urkundenverlusts, seiner Unterdrückung oder Fälschung höher.

Aus diesen Gründen ist es beim eigenhändigen Testament vielmehr eine Frage des Einzelfalls, ob die beglaubigte Ablichtung nebst der beglaubigten Abschrift des Eröffnungsprotokolls gemäß § 2259 Abs. 1 BGB § 348 Abs.1 Satz 2 FamG die Erbfolge mit der erforderlichen Eindeutigkeit nachweist. Hierbei besteht nach Ansicht des Bundesgerichtshofs keine gesteigerte Auslegungspflicht der Bank. Es berechtigen jedoch nur konkrete und begründete Zweifel an der Richtigkeit der durch das eigenhändige Testament belegten Erbfolge zur Einholung ergänzender Erklärungen oder weiterer Unterlagen.

Praxishinweis | BGH XI ZR 440/15

Die Entscheidung bestätigt erneut, dass zum Nachweis des Erbrechts ein Erbschein nicht zwingend erforderlich ist, sondern auch die beglaubigte Abschrift des eigenhändigen oder öffentlichen Testaments nebst beglaubigter Ablichtung des Eröffnungsprotokolls genügen kann.

Dies ist für die Praxis als sehr positiv zu bewerten, da mit diesem Urteil den Interessen der Erben insoweit Rechnung getragen wird, als künftig eine schnellere und kostengünstigere Abwicklung des Nachlasses möglich sein wird.

Dies gilt zumindest für die gewillkürte Erbfolge. Insoweit bleibt auch abzuwarten, ob im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge die Legitimierung des Erben weiterhin durch Erbschein erfolgen kann oder andere Nachweise möglich sind.