BGH IX ZR 50/12
Überlassung einer Eigentumswohnung durch arbeitslosen Schulder auf dessen Mutter als vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung

08.06.2015

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
10.07.2014
IX ZR 50/12
NZI 2014, 811

Leitsatz | BGH IX ZR 50/12

Zur Frage der vorsätzlichen Benachteiligung bei einem Rechtsgeschäft unter Angehörigen. (amtlicher Leitsatz)

Bestehen eindeutige Beweisanzeichen für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz sind mögliche andere Zwecke, die der Schuldner mit der Vornahme der anfechtbaren Rechtshandlung außerdem verfolgt haben könnte, ohne Belang. (Leitsatz der Redaktion)

Sachverhalt | BGH IX ZR 50/12

Zunächst erwirkte der Kläger im Jahr 2001 gegen den Sohn der Beklagten (Schuldner) in einem Vorprozess ein Versäumnisurteil, durch welches der Schuldner zur Zahlung von 28.250 DM verurteilt wurde. Das Versäumnisurteil wurde wiederum im Einspruchsverfahren nach Durchführung einer Beweisaufnahme aufgehoben und die Klage abgewiesen. In dem nachfolgenden Restitutionsverfahren erreichte der Kläger eine Aufhebung des klageabweisenden Urteils, weil es durch eine von dem Schuldner veranlasste Falschaussage erwirkt worden war; der Schuldner wurde nunmehr zur Zahlung von 15.711,44 Euro sowie 899,40 Euro zuzüglich Zinsen und Kosten an den Kläger verurteilt. Die Vollstreckung in das Vermögen des Schuldners, der die eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte, verlief erfolglos.

Die verfahrensgegenständliche Eigentumswohnung gehörte zunächst dem Schuldner. Mit notariellem Vertrag aus 2003 übertrug er das Wohnungseigentum auf die Beklagte, welche die noch valutierenden Grundpfandrechte übernahm und dem Schuldner ein lebenslanges, unentgeltliches Wohnrecht einräumte. Ferner war die Belastung der Immobilie an die vorherige Zustimmung des Schuldners geknüpft.

Im März 2010 hat der Kläger die Duldung der Zwangsvollstreckung in das Wohnungseigentum der Beklagten beantragt. Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Die vom Senat zugelassene Revision des Klägers hatte Erfolg.

Entscheidung | BGH IX ZR 50/12

Der BGH sah die Voraussetzungen für den Anfechtungstatbestand der vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung gem. § 3 Abs. 1 AnfG als erfüllt an.

Demnach steht dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung in den streitgegenständlichen Grundbesitz nach § 11 Abs. 1 S. 1 AnfG zu. Das Gericht führt aus, dass an der Anfechtungsberechtigung des Klägers nach § 2 AnfG keine Zweifel bestehen, da er Gläubiger mehrerer vollstreckbarer Schuldtitel und fälliger Forderungen gegen den Schuldner war und eine Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners erfolgslos war. Weiterhin hat die Beklagt selbst nicht bestritten, dass der Grundstücksvertrag zu einer objektiven Benachteiligung von Gläubigern des Schuldners gem. § 1 AnfG geführt hat. Ohne diesen Vertrag hätte der Kläger in den Grundbesitz des Schuldners vollstrecken können. Außerdem verschaffen die Gegenleistungen der Beklagten den Gläubigern keinen Ausgleich an haftendem Vermögen, auch nicht die Einräumung eines unentgeltlichen Wohnrechts auf Lebenszeit für den Schuldner.

Der BGH ist der Ansicht, dass der Schuldner zum Zeitpunkt des Grundstücksübertragungsvertrages mit dem erforderlichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt hat. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass schon allein dann ein Benachteiligungsvorsatz vorliegt, wenn der Schuldner die Benachteiligung bei seinem Handeln als mögliche Folge seines Handelns erkannt und billigend in Kauf genommen hat. Die Beweislast liegt dabei beim anfechtenden Gläubiger. Da es sich hier um eine innere, schwer zugängliche Tatsache handelt, kann dies oft nur aus den objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Ein gewichtiger Anhaltspunkt kann dabei sein, dass der Schuldner sein letztes werthaltiges Grundstück auf einen Dritten überträgt. Dieses Beweisanzeichen wird noch dadurch verstärkt, dass zwischen dem Schuldner und dem Begünstigten ein Näheverhältnis besteht. Die Aufgabe der Wohnung zugunsten seiner Mutter wurde nicht durch eine gleichwertige Gegenleistung ausgeglichen, die Zugriffsmöglichkeiten der Gläubiger wurden durch die Vermögensverschiebung objektiv verschlechtert. Durch die gewählte Vertragsgestaltung ist zu erkennen, dass der Schuldner seinen Grundbesitz nicht endgültig verschieben wollte, sondern nur rechtlich den Vermögenswert verschoben hat, ohne die Vorteile der weiteren Immobiliennutzung zu verlieren. Der Schuldner besaß keine weiteren bedeutsamen Vermögenswerte, ebenso wenig verfügte er über pfändbares Einkommen. Demzufolge ist ein besonderes Maß der Gläubigerbenachteiligung zu erkennen. Ein erhebliches Indiz für den Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung war die Tatsache, dass der Schuldner die Falschaussage durch Nötigung und Körperverletzung erzwungen hatte.

Die objektiven Umstände lassen außerdem darauf schließen, dass die Beklagte Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners hatte. Bloßes Annehmen oder Kennenmüssen bzw. eine grob fahrlässige Unkenntnis würde nicht genügen. Sobald der Anfechtungsgegner Umstände kannte, die zwingend auf eine mindestens drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners schließen ließen, ist anzunehmen, dass er auch die drohende Zahlungsunfähigkeit kannte. Gemäß dem Sachverhalt ist davon auszugehen, dass die Beklagte Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz hatte. Die Beklagte kannte die finanziellen Umstände und auch den Rechtsstreit mit dem Kläger.

Praxishinweis | BGH IX ZR 50/12

Derzeit wird über eine Reform des Anfechtungsrechts diskutiert. Herr Dr. Reinhard Bork hat sich mit diesen „Eckpunkten für eine Reform des Anfechtungsrechts“ des Bundesministeriums für Justiz und für Verbraucherschutz kritisch auseinandergesetzt. In diesen Eckpunkten wird neben der Kodifizierung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Bargeschäft, der Kopplung der Fälligkeit aller Anfechtungsansprüche an die Geltendmachung durch den Insolvenzverwalter und die Definition der Zwangsvollstreckungsbefriedigungen als kongruent auch eine Neufassung des § 133 InsO vorgeschlagen. Grundtatbestand soll dabei nicht mehr der dem Anfechtungsgegner bekannte Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners sein, sondern die „unlautere Benachteiligung“. Es soll zukünftig nicht mehr auf den Vorsatz des Schuldners, sondern nur noch auf die Kenntnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit ankommen. Andere Umstände, die bisher zur Feststellung des subjektiven Tatbestandes, wie beispielsweise die Inkongruenz, unmittelbare Gläubigerbenachteiligungen oder auch die drohende Zahlungsunfähigkeit sollen zukünftig irrelevant sein. Dies würde dazu führen, dass es außerhalb des Drei-Monats-Zeitraums auch möglich wäre, das letzte, besonders werthaltige Grundstück an Erfüllung statt übereignen zu lassen, solange es sich nicht nachweisen lässt, dass der Schuldner zahlungsunfähig war und beide Seiten das wussten.

Diese Reform soll insbesondere für mehr Rechtssicherheit sorgen. Jedoch führt Herr Dr. Bork aus, dass die Notwendigkeit einer solchen Anfechtungsrechtsreform bisher nicht mit Zahlen belegt ist und auch die Gewährleistung der Rechtssicherheit nicht erreicht wird. (ZIP 2014, S. 1905 ff.)