BFH II R 57/10
Einheitliches Vertragswerk trotz Abschluss des Werkvertrages über den Umbau des Gebäudes erst 19 Monate nach Grundstückserwerb

10.01.2014

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BFH
28.03.2012
II R 57/10
NJW 2012, 3056

Leitsatz | BFH II R 57/10

1. Das Vorliegen eines einheitlichen Erwerbsgegenstands wird indiziert, wenn der Veräußerer aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis anbietet und der Erwerber dieses Angebot annimmt. Dies gilt auch, wenn das Angebot nach Abschluss des Kaufvertrags unwesentlich geändert wird.

2. Ein einheitlicher Erwerbsgegenstand kann aufgrund besonderer Umstände auch vorliegen, wenn der Käufer das Angebot erst 19 Monate nach Abschluss des Kaufvertrags annimmt.

Sachverhalt | BFH II R 57/10

In einem Urteil vom FG Baden-Württemberg, kürzlich durch den BFH bestätigt, wurde ein enger sachlicher Zusammenhang bei einem Grundstückskaufvertrag und einem Werkvertrag bejaht, die zeitlich 19 Monate auseinander lagen.

Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 19. Februar 2004 erwarb der Kläger und Revisionskläger (Kläger) von der X AG ein mit einem mehrere Jahrzehnte alten Verwaltungs- und Produktionsgebäude bebautes Grundstück. Beim Abschluss des Kaufvertrags war es an einen Dritten vermietet. Der Mietvertrag endete zum 31. Dezember 2005.

Bereits im Dezember 2003 hatte die X AG dem Kläger den Abschluss eines Generalübernehmervertrags zur Sanierung des Gebäudes und eines Generalmietvertrags angeboten. Im September 2005 schloss der Kläger mit der X AG den Generalübernehmervertrag.

Bereits im Februar 2004 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) gegen den Kläger die Grunderwerbsteuer für den Erwerb des Grundstücks fest. Nachdem das FA aufgrund einer Außenprüfung Kenntnis von dem Generalübernehmervertrag erhalten hatte, setzte es mit nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändertem Bescheid die Grunderwerbsteuer neu fest und bezog in die Bemessungsgrundlage die Sanierungskosten mit ein. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Entscheidung | BFH II R 57/10

Leistungen des Veräußerers den zukünftigen Zustand des Erwerbsgegenstands betreffen, können der grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage hinzugerechnet werden, auch wenn der maßgebliche Gegenstand des Erwerbsvorgangs bereits vollzogen ist.

Die Bemessungsgrundlage ist hängt stets vom gewollten Zustand des zu erwerbenden Grundstücks ab. Der tatsächliche Zustand ist bedeutungslos.

Die Rechtsprechung hat dafür den Begriff des einheitlichen Vertragswerks geschaffen. Dies betrifft alle Erwerbsvorgänge bezüglich Baugrundstücken, die in engem Zusammenhang mit der Bebauung oder sonstigen Veränderungen des Grundstücks stehen.

Der Erwerbsgegenstand wird um solche Vereinbarungen erweitert, die rechtlich oder wirtschaftlich in engem Zusammenhang zum diesem stehen. So sind auch Verträge die formal vertraglich getrennt sind, als Einheit zu betrachten. In diesem Fall erhöht sich die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage entsprechend. Stehen die Verträge weder in zivilrechtlichem Zusammenhang oder sind in einem engen sachlichen Zusammenhang, so beschränkt sich die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage auf das Grundstück.

Einheitliches Vertragswerk:

1. Kaufvertrag
2. Angebot auf Werkvertrag durch den Verkäufer
3. Annahme Werkvertrag

Besteht kein zivilrechtlicher Zusammenhang, so kann es sich gleichwohl um einen einheitlichen Leistungsgegenstand handeln, wenn bei objektiver Betrachtung der Erwerber die Kaufsache als einheitlichen Leistungsgegenstand erhält (Gottwald, in: MittBayNot 1/2013, Seite 5ff.).

Ebenfalls kann ein einheitliches Vertragswerk vorliegen, obwohl mehrere Personen mitwirken, falls diese erkennbar aufeinander abgestimmt handeln.

Folgende Grundsätze gelten bei Aufspaltung von Kaufvertrag und Werkvertrag:

  • Vor Beurkundung des Grundstücksgeschäfts liegt stets ein enger sachlicher Zusammenhang vor wenn Veräußerer und Bauunternehmer identisch sind.
  • Bei zeitgleicher Beurkundung ist ebenfalls ein enger sachlicher Zusammenhang bei deckungsgleichem Veräußerer und Bauunternehmer anzunehmen, gilt aber auch wenn Veräußerer und Bauunternehmer verschiedene Personen sind, allerdings personell, wirtschaftlich oder gesellschaftlich miteinander verbunden sind.
  • Nach Beurkundung müssen noch weitere Voraussetzungen hinzukommen, um den engen sachlichen Zusammenhang bestätigen zu können. Denkbar sind hier u.a. vorherige Absprachen, faktische Zwänge, Ablaufplan des Veräußerers.

Praxishinweis | BFH II R 57/10

In diesem Fall kam für den Erwerber erschwerend hinzu, dass durch einen Generalübernehmervertrag das Gericht den engen sachlichen Zusammenhang und somit das Vorliegen eines einheitlichen Vertragswerks annehmen musste.

Generell stellte das FG Baden-Württemberg allerdings heraus, dass durch weitere zeitliche Diskrepanz von Kaufvertrag und Werkvertrag die Wahrscheinlichkeit eines einheitlichen Vertragswerks abnehme. Es erscheint Wahrscheinlicher, dass bei hohem zeitlichem Auseinanderliegen der Verträge der Bauvertrag nicht in das ursprüngliche Gesamtkonzept des Erwerbers eingeflossen ist.