BGH VIII ZR 210/10
Kein Eigenbedarf einer Personenhandelsgesellschaft im Wohnraummietrecht

14.05.2012

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
15.12.2010
VIII ZR 210/10
NJW 2011, 993

Leitsatz | BGH VIII ZR 210/10

Eine Personenhandelsgesellschaft kann ein Wohnraummietverhältnis nicht wegen Eigenbedarfs ihrer Gesellschafter kündigen.

Sachverhalt | BGH VIII ZR 210/10

Der Beklagte ist seit 2001 Mieter einer 5-Zimmer-Wohnung der Klägerin. Bei der Klägerin handelt es sich um eine GmbH & Co. KG. Die Eheleute M. sind deren Kommanditisten und Gesellschafter der Komplementär-GmbH. Der Ehemann ist gleichzeitig Geschäftsführer der Komplementärin.

Mit Schreiben vom 30. April 2009 sprach die Klägerin die ordentliche Kündigung des Mietvertrags zum 31. Oktober 2009 aus und begründete dies damit, dass die beiden 69 und 74 Jahre alten Gesellschafter der Klägerin die Wohnung für sich selbst benötigten.

Das Amtsgericht hat die Räumungsklage abgewiesen, das Landgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Räumungsbegehren weiter.

Entscheidung | BGH VIII ZR 210/10

Die Revision hat keinen Erfolg.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung nicht zu, weil die Kündigung vom 30. April 2009 das Mietverhältnis nicht beendet hat. Die Kündigung der Klägerin ist unwirksam, weil ihr als GmbH & Co. KG ein Eigenbedarf ihrer Gesellschafter nicht zugerechnet werden kann.

Zwar darf nach der Rechtsprechung des Senats eine GbR – anders als eine Kapitalgesellschaft – grundsätzlich wegen Eigenbedarfs eines ihrer Gesellschafter nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB kündigen (Senatsurteile vom 27. Juni 2007 – VIII ZR 271/06, NJW 2007, 2845 Rn. 12, 15 ff.; vom 16. Juli 2009 – VIII ZR 231/08, NJW 2009, 2738 Rn. 13 f.). Diese Rechtsprechung lässt sich aber nicht auf Personenhandelsgesellschaften übertragen, weil hier eine vergleichbare Situation nicht besteht. Nach der Rechtsprechung des Senats ist einer GbR der Eigenbedarf eines Gesellschafters deshalb zuzurechnen, weil es im Ergebnis nicht gerechtfertigt wäre, Gesellschafter einer GbR insoweit schlechter zu stellen als die Mitglieder einer einfachen Vermietermehrheit. Sind mehrere natürliche Personen Vermieter, berechtigt der Eigenbedarf eines Vermieters die Gemeinschaft zur Kündigung des Mietvertrages. Dies kann nicht anders zu beurteilen sein, wenn diese Personen auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage einen gemeinsamen Zweck verfolgen und damit eine GbR bilden, zumal es häufig nur vom Zufall abhängen wird, ob eine Personenmehrheit dem Mieter eine Wohnung als Gemeinschaft oder als GbR vermietet (Senatsurteil vom 27. Juni 2007 – VIII ZR 271/06, aaO Rn. 15).

Die Gründung einer KG oder OHG setzt regelmäßig eine umfangreiche organisatorische und rechtsgeschäftliche Tätigkeit bis hin zur Eintragung in das Handelsregister voraus. Die Vermietung einer Wohnung durch eine OHG oder KG (beziehungsweise durch eine GmbH & Co. KG) statt durch eine schlichte Gemeinschaft erfolgt von vornherein nicht "zufällig", sondern beruht auf einer bewussten Entscheidung aufgrund wirtschaftlicher, steuerrechtlicher und/oder haftungsrechtlicher Überlegungen. Damit ist die Interessenlage bei der Vermietung einer Wohnung durch eine Bruchteilsgemeinschaft oder eine GbR nicht vergleichbar; auch dann nicht, wenn die Vermietung durch eine "personalistisch gebundene vermögensverwaltende Kommanditgesellschaft" erfolgt, zu der sich Eheleute zusammengeschlossen haben.

Auch der Umstand, dass die GbR inzwischen als teilrechtsfähig anerkannt ist, führt nicht dazu, dass bezüglich der Zurechnung von Eigenbedarf eines Gesellschafters eine Gleichbehandlung mit allen anderen Personengesellschaften geboten wäre. Maßgeblich für die Zurechnung des Eigenbedarfs bei der GbR ist die Wertung, dass eine unterschiedliche Behandlung der Vermietung durch eine Bruchteilsgemeinschaft oder Erbengemeinschaft einerseits und durch eine GbR andererseits in vielen Konstellationen "willkürlich" erscheint.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der vom Senat anerkannten Möglichkeit, dass ein berechtigtes Interesse einer Kommanditgesellschaft an der Beendigung eines Wohnraummietvertrags in der betrieblich bedingten Notwendigkeit liegen kann, die Wohnung einem Mitarbeiter oder Geschäftsführer zur Verfügung zu stellen (vgl. Senatsurteil vom 23. Mai 2007 – VIII ZR 122/06, NZM 2007, 639 Rn. 12). Damit ist lediglich ein "Betriebsbedarf" als grundsätzlich berechtigtes Interesse im Sinne des § 573 Abs. 1 BGB anerkannt. Der persönliche Nutzungswunsch der Kommanditisten einer GmbH & Co. KG oder der Geschäftsführer der Komplementärin ist damit nicht vergleichbar.

Praxishinweis | BGH VIII ZR 210/10

Solbald beim Kauf einer Immobilie durch eine Personenhandelsgesellschaft in Erwägung gezogen wird, dass ein bestehendes Wohnraummietverhältnis später wegen Eigenbedarfs eines Gesellschafters gekündigt wird, sollte nicht die Personenhandelsgesellschaft Eigentümer und damit Vermieter werden, sondern ggf. der Gesellschafter selbst oder eine GbR. Eine Eigenbedarfskündigung des bestehenden Mietverhältnisses ist sonst ausgeschlossen. Hier zeigt sich einmal ein Vorteil der ansonsten in letzter Zeit umstrittenen GbR.