EuGH C-451/08
Anwendbarkeit der VergabeRL auf Grundstücksveräußerungen durch eine öffentliche Stelle an einen selbst Bauleistungen durchführenden Erwerber

14.06.2010

Leitsatz | EuGH C-451/08

 

Sachverhalt | EuGH C-451/08

Das OLG Düsseldorf hat dem EuGH mehrere Fragen zur Anwendung der vergaberechtlichen Vorschriften zur Vorabentscheidung vorgelegt. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde.

Das Bundesamt für Immobilienaufgaben (Bundesamt) verkaufte an das Immobilienunternehmen GSSI (Käufer) ein in Wildeshausen gelegenes ehemaliges Kasernengelände. Dem war ein Auswahlverfahren vorausgegangen, in dem sich das Bundesamt und die Stadt Wildeshausen (Stadt) die Planungen der einzelnen Bieter vorstellen ließen. Dabei habe zwischen dem Bundesamt und der Stadt Einvernehmen darüber bestanden, die Liegenschaft erst zu veräußern, wenn der Stadtrat der Stadt die Planung gutgeheißen habe. Nach Prüfung der verschiedenen Konzepte gab das Bundesamt dem Konzept des Käufers aus städtebaulichen Gründen den Vorzug. Unmittelbar vor Abschluss des notariellen Kaufvertrages beschloss die Stadt, ein entsprechendes Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans für das Kasernengelände einzuleiten.

Der unterlegene Kaufinteressent vertritt die Auffassung, dass der Kaufvertrag wegen Verstoßes gegen Vergaberecht nichtig sei.

Entscheidung | EuGH C-451/08

Das zur Entscheidung des vorliegenden Sachverhalts berufene OLG Düsseldorf hat dem EuGH mehrere Fragen zur Auslegung des Vergaberechts im streitgegenständlichen Kontext vorgelegt.

Die Kernaussagen des EuGH lassen sich wie folgt zusammenzufassen:

1. Der Verkauf eines unbebauten oder bebauten Grundstücks durch eine öffentliche Stelle an ein Unternehmen stellt keinen „öffentlichen Bauauftrag“ im Sinne der Vergaberichtlinie dar.

2. Ein „öffentlicher Bauauftrag“ kann nur bei einem entgeltlichen Vertrag mit einklagbaren Verpflichtungen angenommen werden.

3. Der Begriff „öffentlicher Bauauftrag“ im Sinne der Vergaberichtlinie setze zwar nicht nur voraus, dass eine körperlich gegenständliche Leistung beauftragt wird, ausreichend sei vielmehr auch, wenn die beauftragte Bauleistung im unmittelbaren wirtschaftlichen Interesse des öffentlichen Auftraggebers ausgeführt wird. Die bloße Ausübung von städtebaulichen Regelungszuständigkeiten im Hinblick auf die Verwirklichung des allgemeinen Interesses (Aufstellung einer Bauleitplanung, Prüfung vorgelegter Baupläne, Prüfung eines Bauantrags) erfüllt diese Voraussetzung jedoch nicht.

4. Im vierten Leitsatz verneint der EuGH das Vorliegen einer – vergaberechtlich relevanten – Baukonzession, wenn der einzige Wirtschaftsteilnehmer bereits Eigentümer des Grundstücks ist. Zur Begründung verweist der EuGH darauf, dass der öffentliche Auftraggeber in einem solchen Fall kein Nutzungsrecht über ein Bauwerk erteilen kann, wenn das Nutzungsrecht dem Eigentümer bereits zustehe.

5. Schließlich findet das Vergaberecht keine Anwendung auf Sachverhalte, in der eine öffentliche Stelle ein Grundstück an ein Unternehmen veräußert, während eine andere öffentliche Stelle beabsichtigt, einen öffentlichen Bauauftrag in Bezug auf dieses Grundstück zu vergeben, auch wenn sie noch nicht formell beschlossen hat, den entsprechenden Auftrag zu erteilen. Denn die Absicht hinsichtlich der Erteilung eines Bauauftrags stelle keine verbindliche einklagbare Verpflichtung im Sinne der Vergaberichtlinie dar. Ob diese Frage anders zu entscheiden wäre, wenn die Veräußerung des Grundstücks und die verbindliche Vergabe des Bauauftrags in einem wirtschaftlichen Zusammenhang erfolgten, lässt der EuGH ausdrücklich offen.

Nach Auswertung der Antworten stellt der Verkauf der Liegenschaft im streitgegenständlichen Sachverhalt keinen Verstoß gegen die Vergaberichtlinie dar, weshalb das OLG Düsseldorf in seiner noch zu treffenden Entscheidung eine Nichtigkeit des Kaufvertrages wegen angeblichen Verstoßes gegen Vergaberecht ablehnen dürfte.

Praxishinweis | EuGH C-451/08

Der EuGH grenzt den Anwendungsbereich des Vergaberechts bei Grundstücksverkäufen durch die öffentliche Hand stark ein. Im Anwendungsbereich des Vergaberechts dürften jedoch noch die Sachverhalte verbleiben, in denen der Verkauf des Grundstücks und die – gegebenenfalls anschließende – Vergabe eines verbindlichen einklagbaren Bauauftrags hinsichtlich dieses Grundstücks durch die öffentliche Hand eine Einheit in rechtlicher Hinsicht im Sinne eines „miteinander stehen und fallen“ bilden, und zwar unabhängig davon, ob auf Seiten der öffentlichen Hand ein oder verschiedene Rechtsträger handeln.