OLG Hamm 15 W 167/10
Erbschaftsausschlagung "aus allen Gründen" nicht anfechtbar

17.02.2012

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Hamm
17.02.2011
15 W 167/10
NJW-Spezial 2011, 360

Leitsatz | OLG Hamm 15 W 167/10

Schlägt ein Erbe „aus allen Berufungsgründen” die Erbschaft aus, zeigt er, dass er auf jegliche Nachlassbeteiligung keinerlei Wert legt. Diese Ausschlagung erfasst sowohl die dem Ausschlagenden bekannten als auch ihm unbekannte Berufungsgründe und ist nicht wegen Irrtums anfechtbar.

Sachverhalt | OLG Hamm 15 W 167/10

Nach dem Tod des längstlebenden Elternteils trat gesetzliche Erbfolge zu Gunsten der drei Kinder zu jeweils gleichen Teilen ein. Ein Sohn schlug die Erbschaft „aus jedem Berufungsgrund” aus. Die Ausschlagung wollte er anschließend wegen Irrtums anfechten. Er war fälschlich davon ausgegangen, dass ein privatschriftliches Testament der Eltern, in welchem seine Geschwister als Erben eingesetzt wurden, gültig sei, so dass er die Ausschlagungserklärung in Unkenntnis der richtigen Rechtslage abgegeben hatte.

Entscheidung | OLG Hamm 15 W 167/10

Das OLG Hamm verneint die Wirksamkeit der Anfechtung und begründet dies damit, dass der Ausschlagende mit seiner Ausschlagungserklärung „aus allen Berufungsgründen” gezeigt hat, dass er keinerlei Teilhabe am Nachlass begehrt. Durch die Ausschlagung hat er rückwirkend seine Erbenstellung verloren, § 1953 Abs.1 BGB, so dass sein Erbteil auf seine Kinder als Nächstberufene überging, §§ 1953 Abs. 2, 1924 Abs. 3, 1924 Abs. 4 BGB. Selbst wenn er sich bei der Abgabe der Ausschlagungserklärung Fehlvorstellungen gemacht hat und daher diese als Irrtum über den Berufungsgrund gem. § 1949 BGB anführen kann (Unkenntnis seiner Stellung als gesetzlicher Miterbe), ist dieser Irrtum für die Ausschlagung nicht kausal geworden. Da er ausdrücklich „aus allen Berufungsgründen” ausgeschlagen hatte, erfasst die Erklärung nicht nur die dem Ausschlagenden bekannten (gewillkürte Erbfolge), sondern gerade auch die ihm unbekannten Berufungsgründe. Eine solche Erklärung zeigt, dass dem Ausschlagenden der konkrete Berufungsgrund gleichgültig ist (BVerwG, BeckRS 2010, 49200; OLG Karlsruhe, ZEV 2007, 380; Palandt/Weidlich, 70. Aufl., § 1949 Rn 3.).

Praxishinweis | OLG Hamm 15 W 167/10

Allzu schnell werden in der Regel Ausschlagungen „aus allen Berufungsgründen” notariell beurkundet. Dabei wird nicht selten übersehen, dass eine Erbenstellung auf gewillkürter oder gesetzlicher Erbfolge beruhen kann. Die Ausschlagung sollte auf den jeweiligen Berufungsgrund ausdrücklich beschränkt werden, anderenfalls der Verlust der gesamten Erbschaft, gleich aus welchem Rechtsgrund, droht. Auch eine voreilige Ausschlagung wegen zum Beispiel nur vermuteter Nachlassüberschuldung sollte nicht vorgenommen werden, da der Erbe die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung hat (Becker/Klinger, NJW-Spezial 2006, 301.).